Warum wir unsere Essgewohnheiten jetzt ändern müssen

Neue EAT-Lancet-Studie zeigt Zusammenhänge zwischen veganer Ernährung und Klimaschutz

Anne

Beitrag von Anne
07.10.2025 — Lesezeit: 6 min

Warum wir unsere Essgewohnheiten jetzt ändern müssen

In unserer Welt sind Ernährung, Umwelt und soziale Gerechtigkeit untrennbar miteinander verbunden. Die neue Studie der EAT-Lancet-Kommission zeigt, warum es so wichtig ist, dass wir das endlich erkennen. Sie beweist, dass unser Essverhalten nicht nur ernsthafte Konsequenzen für unsere Gesundheit, sondern auch für den Planeten Erde hat. Es ist ein großer Treiber der drohenden Klimakatastrophe. Um sie zu stoppen, müssen wir so schnell wie möglich umdenken.


Info: Die EAT-Lancet-Kommission ist ein internationales Netzwerk aus führenden Wissenschaftler*innen. Sie setzt sich aus Expert*innen aus den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Politik und sozialer Gerechtigkeit zusammen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2019 arbeitet die Kommission daran, evidenzbasierte Leitlinien für eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu entwickeln, die den Planeten schützt. Renommierte Forschende leiten die Initiative. Darunter der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Johan Rockström, der Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Harvard T.H. Chan School of Public Health Walter Willett sowie Shakuntala Thilsted, Global Lead für Ernährung und öffentliche Gesundheit bei WorldFish. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Wege aufzuzeigen, wie bis zum Jahr 2050 rund 10 Milliarden Menschen innerhalb der planetaren Grenzen gesund ernährt werden können, ohne dabei ökologische und soziale Mindeststandards zu verletzen.


Die Zahlen aus der Studie1 sind beeindruckend und machen eines klar: Wir haben mit unserer Ernährung einen extrem großen Einfluss auf das Klima und die Gerechtigkeit und damit auf unsere gemeinsame Zukunft. Etwa 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entstehen durch die Art, wie wir Lebensmittel produzieren, konsumieren und verschwenden.

Wir müssen unseren Umgang mit Ressourcen grundlegend ändern

Die Umstellung auf eine flächendeckend überwiegend pflanzenbasierte Ernährung, wie sie unter anderem die Planetary Health Diet2 empfiehlt, könnte diese Emissionen von aktuell über sieben Gigatonnen CO₂-Äquivalenten auf unter drei Gigatonnen jährlich mehr als halbieren.

Die Studie (Summary Report3) weist zudem darauf hin, dass ein drastischer Wandel bei der Nutzung von Land4 möglichst in naher Zukunft erfolgen sollte. Von den heute über 12 Millionen Quadratkilometern, die für intensive Tierhaltung genutzt werden, könnten sieben Millionen Quadratkilometer wieder freigegeben werden. Das entspricht einer Fläche, die größer ist als die von Indien und Australien zusammen. Das wäre ein bedeutender Schritt, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen oder sogar umzukehren.

Doch das ist nicht alles: Unsere Ernährung ist auch eine Frage von Leben und Tod. Aktuell sterben weltweit laut verschiedenen Studien rund 11 Millionen Menschen jährlich vorzeitig aufgrund einer ungesunden Ernährungsweise5. Gleichzeitig verursachen Lebensmittelverluste von über einer Milliarde Tonnen jährlich enorme Umweltprobleme.

Wenn wir es schaffen, den Konsum tierischer Produkte um die Hälfte zu reduzieren, pflanzliche Lebensmittel um das Doppelte zu erhöhen und die Lebensmittelverschwendung zu halbieren, eröffnen sich uns reale Chancen: Wir könnten es schaffen, die Klima- und Gesundheitskrise deutlich zu entschärfen und die Welt damit ein Stück zu gerechter zu machen.

Die Forschenden schreiben:

"Lebensmittelsysteme sind der wesentliche Treiber für die Überschreitung von fünf der insgesamt sieben bereits überschrittenen planetarischen Grenzen und verursachen rund 30 Prozent der globalen Emissionen.

Doch die aktuellen Ernährungsweisen und Lebensmittelproduktionen ermöglichen nicht, dass die weltweite menschliche Gesundheit verbessert wird, indem gleichzeitig die planetaren Grenzen eingehalten werden."

Sie verdeutlichen, dass wir es nur dann schaffen können, die globalen Herausforderungen zu meistern, wenn es zu einer grundlegenden Transformation kommt, bei der alle an einem Strang ziehen. Dazu zählt auch, dass wir weniger tierische Produkte konsumieren, den Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln deutlich erhöhen und unsere Produktions- und Lieferketten nachhaltiger gestalten.

Wir können das nur mit der Revolutionierung unserer Ernährungssysteme erreichen

In ihrer Studie heben die Wissenschaftler*innen hervor, wie dringend diese Maßnahmen sind. Sie betonen, dass die aktuelle Ernährungssituation die Erreichung des 1,5-°C-Klimaziels unmöglich macht:

"Die gegenwärtigen Lebensmittelsysteme sind Haupttreiber der Überschreitung biogeochemischer, klimatischer und landbezogener Grenzen."

Das Kernstück der Empfehlungen ist die sogenannte Planetary Health Diet (auch PHD genannt), die auf Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen basiert. Laut der neuen Lancet-Studie schont das nicht nur die Umwelt. Es verbessert auch die menschliche Gesundheit deutlich. Daraus geht unter anderem hervor:

"Eine Umstellung auf die PHD, die überwiegend pflanzenbasiert ist und einen reduzierten Konsum tierischer Produkte vorsieht, könnte jährlich bis zu 15 Millionen Leben retten und die Umweltbelastungen stark reduzieren."

Eine umfassende Transformation des Ernährungssystems ist nötig

Ein weiterer entscheidender Punkt, der aus der Arbeit der Forschenden hervorgeht, ist, dass eine starke Reduzierung des Konsums tierischer Produkte enorme Effekte für die Umwelt hat. Die Kommission prognostiziert:

"Eine umfassende Transformation des Ernährungssystems, einschließlich einer Reduktion des Konsums von tierischen Produkten um circa 50 Prozent und einer Erhöhung pflanzlicher Lebensmittel um bis zu 100 Prozent, könnte die damit verbundenen Umweltbelastungen drastisch senken.

Wenn weltweit der Fleischkonsum halbiert würde, könnten wir die Treibhausgasemissionen um 24 Prozent senken."

Die Forschenden betonen, dass die PHD an regionale und kulturelle Unterschiede anpassbar ist und in vielen verschiedenen Formen umgesetzt werden kann. Das gilt sowohl für unterschiedliche Geschmacksrichtungen als auch für Traditionen und die Verfügbarkeit verschiedener Nahrungsmittel.

Der Ansatz respektiert individuelle Vorlieben und Gewohnheiten, ohne dabei die Nachhaltigkeitsziele aus den Augen zu verlieren. Zudem ist die PHD auch gesundheitlich relevant. Die Wissenschaftler*innen schlussfolgern:

"Die weltweite Einführung der Planetary Health Diet könnte erhebliche Gesundheitsvorteile erzeugen und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen."

Soziale Gerechtigkeit und globale Verantwortung

Neben den Umwelt- und Gesundheitsaspekten blickt die Studie auch auf das Thema Nahrungsgerechtigkeit. Heute lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung unterhalb der Mindeststandards für eine gesunde Ernährung. Die Folgen sind Mangelernährung einerseits und Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten andererseits. Die Wissenschaftler*innen kommentieren das so:

"Die Ernährung der reichsten 30 Prozent der Weltbevölkerung verursacht über 70 Prozent der ernährungsbedingten Umweltbelastungen, während Milliarden Menschen keinen ausreichenden Zugang zu gesunden Lebensmitteln haben."

Das zeigt, wer hier konkret Verantwortung trägt. Die reichen Länder müssen bei der Umstellung vorangehen, um den globalen Wandel zu ermöglichen:

Die Umsetzung von gerechten Strategien ist notwendig, um soziale Ungleichheiten in Lebensmittelsystemen zu verringern und allen Menschen Zugang zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung zu ermöglichen.

Die wirtschaftlichen Subventionen widersprechen der eigentlichen Zielsetzung: Während in der EU etwa 82 Prozent der Agrarsubventionen Fleisch- und Milchprodukten zugutekommen, sollten diese umgelenkt werden, um nachhaltigere und gerechtere Landwirtschaft zu fördern. Einige Regierungen hoffen scheinbar noch immer, dass die Subventionen die Landwirtschaft sichern. Dabei könnten diese Gelder viel besser in nachhaltige Alternativen investiert werden.

Die politischen Rahmenbedingungen müssen bereitgestellt werden

Die Studie legt uns nahe, dass es bei unserer notwendigen Umstellung auf nachhaltigere Ernährung um mehr geht als um die einzelnen Verbraucher*innen. Was wir brauchen, sind politische Rahmenbedingungen, die nachhaltige Landwirtschaft fördern und die Umstellung für alle erschwinglich machen. Wir benötigen eine grundlegende Neuausrichtung unserer Agrarsysteme, inklusive Reformen bei Subventionen, Bildung und Infrastruktur. Die Lancet-Forschenden schreiben:

Die Transformation der Ernährungssysteme erfordert ein Bündel von Maßnahmen, darunter die Verbesserung landwirtschaftlicher Produktivität, die Reduktion von Lebensmittelverlusten und -verschwendung sowie die Veränderung von Konsumgewohnheiten.

Ein besonders wichtiger Aspekt ist, dass viele Lebensmittel, die bisher alle Förderungen erhalten, nicht nachhaltig sind. Die Autor*innen der wissenschaftlichen Arbeit empfehlen daher, Subventionen gezielt in ökologische Anbaumethoden und pflanzenbasierte Produkte umzuschichten. Wenn wir nicht jetzt handeln, riskieren wir, dass die Klimaziele unerreichbar bleiben.

"Nur durch sektorenübergreifende Strategien und internationale Kooperationen kann eine gesunde, nachhaltige und gerechte Lebensmittelversorgung für die Zukunft sichergestellt werden."

Warum wir vegan leben sollten

Die Botschaft an die Menschheit ist eindeutig: Vegane Ernährung passt perfekt in das längst überfällige, neue, nachhaltige und gerechte Ernährungssystem. Die Studie bestätigt es: Pflanzenbasierte Ernährung ist der Schlüssel, um die globalen Gesundheits- und Umweltziele zu erreichen.

Zwar haben einige Länder bereits begonnen, die Bedeutung pflanzenbasierter Ernährung zu erkennen, doch es ist noch viel mehr Engagement nötig, damit sie in Zukunft weiter in den Fokus rückt. Denn schließlich ist neben Mut und Innovation für den so wichtigen gesellschaftlichen Wandel vor allem eins nötig: der Wille, neue Wege zu gehen. Denn genau darin liegt unsere große Chance: Solange wir konsequent auf pflanzenbasierte Ernährung setzen, können wir die schlimmsten Folgen der Umweltkrise bremsen.

Was wir jetzt konkret tun können

Die Forschenden rufen dazu auf, Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt als Ganzes zu denken und zu begreifen. Das umfasst zum Beispiel, regionale und saisonale Lebensmittel zu bevorzugen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und Reformen bei der Lebensmittelpolitik anzustoßen.

Wir alle können unseren Beitrag leisten: durch bewusste Einkaufsentscheidungen, die Unterstützung nachhaltiger Initiativen und das Einfordern politischer Veränderungen.

Johan Rockström betont bei seinen öffentlichen Auftritten immer wieder, dass die Klimaziele ausschließlich dann erreichbar sind, wenn alle innovativ und gemeinsam handeln.6

Für eine Zukunft, in der alle profitieren

Insgesamt zeigt die neue EAT-Lancet-Studie deutlich, dass vegane Ernährung kein Trend ist, sondern ein wesentlicher Baustein für eine lebenswerte Zukunft. Es geht darum, unsere Ernährung so zu gestalten, dass sie Gesundheit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gleichzeitig ermöglicht7,8.

"Das Ernährungssystem ist ein entscheidender Hebel, um Gesundheit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu vereinen."

Die wohl wichtigste Erkenntnis aus der Arbeit der Forschenden ist, dass Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit untrennbar miteinander verbunden sind. Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, dass wir den richtigen Weg einschlagen. Für eine faire, nachhaltige und gesunde Zukunft. Alle zusammen gegen die Klimakatastrophe.

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