Wie Schiffe das Klima anfeuern
Neue Studie zeigt überraschende Methanemissionen durch Schiffsverkehr
Beitrag von Anne
03.07.2025 — Lesezeit: 4 min

Was haben Frachter, Kreuzfahrtriesen und Fähren mit dem Klimagas Methan zu tun? Mehr als gedacht! Eine neue Studie der Chalmers University of Technology in Schweden zeigt jetzt: Allein das Durchfahren flacher Gewässer – etwa in Häfen – kann Methan in erheblichen Mengen aus dem Wasser ins Klima freisetzen. Und zwar völlig unabhängig vom Treibstoff, den ein Schiff nutzt.
Die Forschenden fanden heraus, dass die Methanwerte in befahrenen Bereichen bis zu 20-mal höher waren als in ruhigen, ungestörten Zonen daneben. Ein Fakt, der bisher kaum Beachtung fand – obwohl Methan 27-mal klimaschädlicher als CO₂ ist.
Methan: Nicht nur aus dem Schornstein
Wenn von Methanemissionen durch Schiffe die Rede ist, denken die meisten zuerst an LNG-Antriebe (Liquefied Natural Gas). Die neue Untersuchung rückt jedoch ganz etwas anderes in den Fokus: die Bewegung der Schiffe selbst. Sie setzen rein durch ihr Durchqueren des Wassers Treibhausgase aus dem Meeresboden frei – und zwar nicht zu knapp.
"Unsere Messungen zeigen deutliche Methan-Pulse von der Wasseroberfläche in die Atmosphäre, ausgelöst durch Druckveränderungen und die Durchmischung des Wassers",
erklärt Amanda Nylund von der Chalmers University of Technology und dem Schwedischen Meteorologischen und Hydrologischen Institut (SMHI).
Das bedeutet: Es geht nicht nur um den Ausstoß aus den Schornsteinen der Schiffe, sondern auch um das, was durch die Schiffsschrauben und Wellen aus dem Boden gelöst wird. Auch, wenn diese Pulse nur kurz andauern, ergeben sich aufsummiert auf einen Tag bedenkliche Mengen an Methan.
Die Schiffe wühlen den Meeresboden auf
In ihrer Studie konzentrierten sich die Wissenschaftler*innen auf flache Küstengewässer mit sauerstofffreien Sedimenten, die reich an organischem Material sind. Dazu zählen unter anderem Flussmündungen sowie Hafenzonen. Dort entsteht auf natürliche Weise Methan, das normalerweise größtenteils im Sediment gebunden bleibt.
Fährt jedoch ein Schiff durch, verändert sich der Druck auf dem Meeresboden. Die Folge: Methanblasen steigen leichter auf. Dazu kommt die Durchmischung des Wassers durch den Schiffsrumpf und die Strömung der Schrauben – eine ideale Kombination, die dafür sorgt, dass das Methan bis an die Oberfläche und von dort aus in die Atmosphäre befördert wird.
Ein folgenschwerer Zufallsfund
Die Forschenden haben die Problematik eher durch Zufall entdeckt. Bei einer anderen Messkampagne in der Newabucht (Ostsee) fiel ihnen auf, dass es jedes Mal, wenn ein Schiff vorbeifuhr, plötzlich zu unerwarteten Methan-Ausbrüchen kam.
Inzwischen hat die Forschungsgruppe ihre Studie in Nature Communications Earth & Environment unter dem Titel "Coastal methane emissions triggered by ship passages"1 veröffentlicht. Johan Mellqvist, Professor für Optische Fernerkundung an der Chalmers University, sagt:
"Die Entdeckung des bislang unbekannten Schiffseinflusses ist zentral, wenn wir Methanemissionen global besser einschätzen wollen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass neun der zehn größten Häfen der Welt in ähnlich flachen Küstengewässern liegen wie die Newabucht."
Große Schiffe – große Wirkung?
Interessant ist auch, welche Schiffstypen besonders viel Methan freisetzen: In der Studie verursachten vor allem Kreuzfahrtschiffe und Containerriesen die größten Ausbrüche. Hinzu kommen überraschenderweise jedoch auch sogenannte RoPax-Schiffe (Roll-on/Roll-off Passenger-Schiffe). Das sind Fähren, die sowohl Personen als auch Fahrzeuge transportieren können. Rickard Bensow, Professor für Hydrodynamik an der Chalmers University und verantwortlich für die Modellierungen im Projekt, erklärt das so:
"Ein möglicher Grund dafür könnte darin liegen, dass viele RoPax-Schiffe zwei Schiffsschrauben haben. Das sorgt für besonders starke Strömungen und Turbulenzen."
Größere Frachter wie Massengutschiffe (Bulk Carrier genannt) schnitten hingegen teils deutlich besser ab, was zeigt, dass nicht ausschließlich die Größe dafür verantwortlich ist, wie viel Methan emittiert wird.
Was bedeutet das für die Häfen der Welt?
Die Forschungsergebnisse der Chalmers University werfen einige wichtige Fragen auf. Schließlich liegen einige der größten Häfen der Welt in flachen Küstengewässern. Zu ihnen zählen neben Shanghai, Singapur und Rotterdam auch Hafenstädte entlang von Flüssen wie dem Rhein. Auch dort gibt es methanreiche Sedimente. Die Forschenden vermuten daher, dass die weltweiten Methanemissionen durch Schiffsverkehr bislang systematisch unterschätzt wurden. Ida-Maja Hassellöv, Professorin für Maritime Umweltwissenschaften an der Chalmers University sagt:
"Im nächsten Schritt wollen wir ermitteln, wie groß diese Effekte global sein könnten."
Die Forscherin leitet ab Herbst ein Folgeprojekt, das sich unter anderem große Flusssysteme in Europa und Asien genauer ansehen wird.
Was jetzt wichtig ist
Die Studie zeigt eindrücklich, dass längst nicht nur Emissionen aus den Maschinen Beachtung finden sollten und unter anderem auch die physikalische Wirkung von Schiffen auf ihre Umgebung Folgen fürs Klima hat. Wenn sich durch ein- und ausfahrende Schiffe täglich unsichtbare Methanmengen in die Atmosphäre lösen, darf das in Klimabilanzen nicht länger fehlen – genau wie der extreme Methanausstoß, den die Nutztierindustrie zu verantworten hat.
Info: Methan (CH₄) ist ein farbloses, geruchloses Gas und zählt zu den sogenannten Treibhausgasen. Zwar ist es viel seltener als Kohlendioxid (CO₂), dafür jedoch etwa 27 Mal wirksamer, wenn es darum geht, Wärme in der Atmosphäre zu speichern. Das macht Methan zu einem besonders starken Klimatreiber. Neben natürlichen Quellen wie Sümpfen oder dem Meeresboden entstehen große Mengen Methan auch durch menschliche Aktivitäten. Dazu zählt vor allem die Nutztierhaltung. Wiederkäuer wie Kühe produzieren Methan während ihrer Verdauung und stoßen es über Verdauungsprozesse aus. Da das ausgestoßene Methan die Erderwärmung deutlich beschleunigt, trägt die Landwirtschaft erheblich zum Klimawandel bei. Genau wie Methan, das beim Schiffsverkehr aus seichten Gewässern entweicht, ist dieses Treibhausgas ein entscheidender Faktor, den wir besser verstehen und reduzieren müssen, um das Klima zu schützen. Langfristig ist es daher wichtig, dass wir uns nach Alternativen wie Soja umschauen.
Mehr über die Studie, das Forschungsteam und den wissenschaftlichen Artikel findet Ihr im Hintergrundbericht zur Studie 2 im Blog von Nature Communications.
Methan im toten Winkel
In der Debatte um die Klimakatastrophe und die dringend nötige Prävention schauen wir meist zuerst auf CO₂ und damit auf offensichtliche Treiber wie Flugzeuge, Kohlekraftwerke oder SUVs. Doch der Ozean ist weder ein schwarzes Loch, in dem alles verschwindet noch eine passive Kulisse im Klimageschehen. Die neue Studie der Chalmers University zeigt, wie wichtig es ist, bisher unbeachtete Quellen wie Methanemissionen aus flachen Küstengewässern stärker in den Blick zu nehmen.
Und sie erinnert uns daran, dass Klimaschutz nicht erst beim Auspuff oder Schornstein beginnt. Manchmal genügt schon eine Bugwelle.