Interview mit Fado/Prog-Metal-Künstlerin Paula Teles
"Musik hilft mir dabei, auszudrücken, was ich fühle"

Taucht ein in die faszinierende Klangwelt von Paula Teles: Im exklusiven Interview habe ich mit der Fado/Prog-Metal-Künstlerin über Verlust, künstlerische Freiheit und die Magie, portugiesische Tradition mit moderner Härte zu verbinden gesprochen. Dabei ist ein emotionales, ehrliches und inspirierendes Gespräch über ihr Leben, ihrer Arbeit und ihr aktuelles Album "Entreparedes" entstanden.
Anne: Hallo Paula! Wie geht es Dir heute? Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, mit mir zu sprechen. Es ist eine Ehre, Dich kennenzulernen!
Paula: Hallo Anne! Es ist mir eine Freude. Vielen Dank für Deine Einladung!
Anne: Herzlichen Glückwunsch zu "Entreparedes" – es ist ein wirklich mutiges und fesselndes Album geworden. Wie bist Du ursprünglich auf die Idee gekommen, die rohe Melancholie des Fado mit der Kraft und Komplexität des Progressive Metal miteinander zu verbinden?
Paula: Danke Dir! Das war überhaupt nicht geplant. Es hat sich ganz natürlich so ergeben. Ich komme aus der Opernwelt, daher mag ich starke Melodien mit dramatischer Schwere. Jorge Lopes (mein Partner in Crime) ist mehr im Progressive Metal zu Hause. Uns verbindet die Liebe zum Fado und zur portugiesischen Kultur. Das waren die Zutaten für dieses "Gericht", das wir mit unseren Hörer*innen teilen.
Anne: Das Album wirkt unglaublich persönlich und emotional aufgeladen. Gab es während der Entstehung – vielleicht beim Schreiben, Aufnehmen oder Performen – einen besonderen Moment, in dem Du Dich besonders verletzlich oder verwandelt gefühlt hast?
Paula: Mein Vater ist vor einem Jahr gestorben. Das war ein Moment großer innerer Veränderung. Es hat mich radikal verändert. Ich war gezwungen, mich mit der Unausweichlichkeit des Todes und der Leere, einen meiner Stützpunkte zu verlieren, auseinanderzusetzen. Ich habe das Gefühl, ich lerne gerade neu zu leben, und dieser ganze innere Prozess beeinflusst, bewusst oder unbewusst, den gesamten kreativen Prozess.
Generell bin ich aber ein emotionaler Mensch, der gerne tiefgründige Aspekte der Realität anspricht. Was mich die meiste Zeit wohl zu einer langweiligen Person macht, nehme ich an (lacht).
Anne: Das tut mir sehr leid, das wusste ich nicht. Mein Beileid.
Wenn ich richtig informiert bin, hast Du das Album zum 100. Geburtstag von Carlos Paredes veröffentlicht, einer wahren Ikone der portugiesischen Gitarre. Wie hat sein Vermächtnis Dein Songwriting und die Gesamtatmosphäre dieses Albums geprägt?
"Jorge Lopes ist ein großartiger Bandkollege"
Paula: Ich spreche nicht nur für mich, sondern auch für Jorge Lopes, der einer der besten Gitarristen ist, die ich kenne, und den ich glücklicherweise als "Bandkollegen" habe. Carlos Paredes war ein innovativer Künstler, der sich nicht von den herrschenden Regeln und musikalischen Dogmen einschränken ließ. Er stellte sein Genie und seine Werte in den Dienst seiner Kunst. Seine Stärke und Kreativität inspirieren uns nicht nur beim Musikmachen, sondern auch, wenn wir im künstlerischen Bereich Stellung beziehen müssen.
Für diejenigen, die unsere Arbeit hören, denke ich, dass sie das Engagement und die emotionale Intensität der Musik spüren können, die Carlos Paredes uns hinterlassen hat und die auch heute noch viele Seelen auf eine Reise mitnimmt.
Anne: Jemand hat "Entreparedes" als "weniger gefällig als Deine bisherigen Arbeiten, mit mehr Spannung und Drama" beschrieben und ich denke, das fasst es ziemlich gut in Worte. Möchtest Du mir erzählen, was Dich dazu inspiriert hat, Deinen Sound in diese progressivere und herausfordernde Richtung zu entwickeln?
Paula: Ich habe letztlich das in Musik umgesetzt, was ich im Alltag fühle. Angesichts dessen, was um uns herum passiert, ist es schwierig, leichte und einfache Musik zu schreiben, weil wir in schwierigen und komplexen Zeiten leben. Da ich keine gute Kommunikatorin bin, nutze ich Musik als Werkzeug, um auszudrücken, was ich fühle. Und im Moment habe ich das Bedürfnis, die Vergangenheit zu reflektieren, um bewusst in der Gegenwart zu leben und "Konflikte" in der Zukunft zu vermeiden.
Anne: Deine Texte sind sehr poetisch und bildhaft. Möchtest Du mir Deinen Schreibprozess beschreiben – kommen bei Dir zuerst die Worte oder die Musik?
"Bücher waren schon immer mein größter Schatz"
Paula: Zuerst kommt die Musik und dann die Texte. Jorge macht die Arrangements und schickt mir das Instrumental. Danach, und nachdem ich die Musik mehrmals gehört habe, schreibe ich die Texte und entwickle die Gesangsmelodie. Ich habe eine sehr enge Beziehung zum Schreiben und zur portugiesischen Sprache. Mein Vater hat zwei Bücher veröffentlicht und vor seinem Tod eines hinterlassen. Ich bin umgeben von klassischer portugiesischer Literatur aufgewachsen, und ich denke, das hat mein Wachstum und meine Art zu schreiben stark beeinflusst. Auch heute noch sind die Bücher mein größter Schatz.
Anne: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Der Track "Pêndulo" sticht mit seinem hypnotischen Rhythmus und der lyrischen Bildsprache hervor. Was steckt hinter diesem Song, und was symbolisiert das Pendel für Dich persönlich?
Paula: Die Texte dieses Albums haben eine starke Verbindung zu dem Publikum, mit dem ich täglich arbeite: Ich arbeite in einem Heim für ältere Frauen, und jeden Tag höre ich ihre Geschichten und ihre Ängste vor dem Vergehen der Zeit. "Pêndulo" handelt vom Tanz der Zeit, von den Wendungen des Lebens und davon, wie wir uns fühlen, als würden wir im Nichts schwingen. Während wir von einer Seite zur anderen pendeln, fast automatisch, vergeht die Zeit … und was können wir tun? Weiter tanzen.
Anne: Fado lebt von seinem tiefen Gefühl der Nostalgie und emotionalen Direktheit, während Progressive Metal von Technik und Intensität durchdrungen ist. Wie balancierst Du diese beiden Welten – sowohl gesanglich als auch musikalisch?
Paula: Ich bin ein emotionaler Mensch, der Tiefe und das Erforschen von Melancholie liebt. Andererseits bin ich besessen von Gesangstechnik und davon, wie rigoros und präzise Musik sein kann. Es ist eine Art Balance: Indem ich beide Seiten ausbalanciere, kann ich den Weg einschlagen, der mich musikalisch zufriedenstellt. Kunst zu schaffen, hilft mir, dieses Gleichgewicht zu finden.
Anne: Die portugiesische Gitarre bleibt ein roter Faden durch das Album. Wie gehst Du daran, sie neben schwereren, moderneren Instrumenten zu arrangieren?
"Die portugiesische Gitarre klingt samtiger"
Paula: Um ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Instrumenten und den kontrastierenden Klängen zu erreichen, hat Jorge eine portugiesische Gitarre von Grund auf gebaut, deren Klang an das angepasst ist, was wir wollten. Es ist eine andere Gitarre als die Standardversion, sie hat einen "samtigeren" Klang.
Anne: "Contra-Regra" und "II Acto" scheinen theatralische Themen und Bildsprache zu erkunden. Beeinflusst Dein Hintergrund im Theatersingen Deinen Ansatz für Performance und Storytelling in Deiner Musik?
Paula: Ja, dem kann ich nicht entkommen. Alle Erfahrungen, die ich in meiner Karriere als Sängerin gemacht habe, haben mich zu dem geformt, was ich heute bin. Meiner Meinung nach ergänzen sich Musik und Theater gegenseitig. Auch wenn es manchmal unbewusst ist, neige ich immer dazu, das, was ich singe, zu dramatisieren.
Anne: In Tracks wie "Ventre" und "Ponto Cego" ist ein spürbarer Sinn für Katharsis und Reflexion zu hören. Wie viel von Deiner eigenen Reise fließt in Deine Texte ein?
Paula: Die Texte, die ich schreibe, sind meine Art zu kommunizieren, zu versuchen, die Menschen verstehen zu lassen, was ich fühle, und dass sie sich irgendwie damit identifizieren können. Damit wir uns durch Musik alle etwas weniger allein fühlen.
Anne: Das Album-Artwork von Giorgia Carteri ist genauso dramatisch wie die Musik selbst. Wie habt ihr zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die visuellen Elemente zur emotionalen Landschaft von "Entreparedes" passen?
Paula: Giorgia ist ein unglaublicher Profi! Es war eine große Freude, mit ihr zu arbeiten. Um das Endprodukt zu erreichen, hat sie die von mir vorgeschlagenen Themen studiert, wir haben über Farben gesprochen und sie hat mich nach Filmtipps zur Geschichte Portugals gefragt. Ich war sehr beeindruckt davon, wie sehr sie sich in ihre Arbeit vertieft.
Anne: Du hast mit Jorge Lopes und Helder Lopes an der Musik gearbeitet und im RedBox Studio aufgenommen. Was war der denkwürdigste Moment während der Aufnahmesessions?
Paula: Wir sind sehr fokussiert bei der Arbeit, aber wir können nichts machen, ohne zwischendurch ein paar Witze zu reißen. Das gehört zu unserer Persönlichkeit. Aber ich denke, ich kann dieses Mal die "Diskussionen" ignorieren, die Jorge und ich vor den Aufnahmen über Politik geführt haben. Wir haben fast eine Stunde lang Argumente ausgetauscht! Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut. Wir lassen die andere Seite ihre Meinung sagen.
Anne: Mit nur sieben Songs, aber einer so reichen, immersiven Klanglandschaft – wie habt ihr entschieden, welche Stücke auf "Entreparedes" kommen?
Paula: Wir haben versucht, dieses Album in sich stimmig zu machen und gleichzeitig unsere bisherige Arbeit fortzusetzen. Andererseits wollten wir, dass unser Sound eine stärkere emotionale Ladung bekommt. Das waren die Punkte, die die Songauswahl für "Entreparedes" beeinflusst haben.
Anne: Der Abschlusstrack "(Re) Encarnado" wirkt wie ein kraftvolles Statement zu Wiedergeburt und Resilienz. Welche Botschaft wolltest Du den Hörer*innen zum Ende des Albums mitgeben?
Paula: Ich möchte, dass die Menschen spüren, dass Zeit unser Freund sein kann, dass wir immer Zeit haben, aufzustehen und neu anzufangen. Aber es ist wichtig, beim Neuanfang nicht die gleichen Fehler zu wiederholen, sondern aus vergangenen Erfahrungen zu lernen.
Anne: In den vergangenen zehn Jahren hast Du dazu beigetragen, das Fado neu zu definieren und ihn in den Dialog mit Rock und Metal zu bringen. Wie waren die Reaktionen sowohl von traditionellen Fado-Fans als auch aus der Metal-Community?
"Metal-Fans sind offen für Neues"
Paula: Ich denke, Menschen, die ein bestimmtes Musikgenre mögen, verschließen sich oft und lehnen alles ab, was anders ist. Zum Glück ist Metal sehr offen für Neues, und ich habe viel Unterstützung aus der Metal-Community gespürt. Von Fado-Fans habe ich kein Feedback bekommen, daher denke ich, dass meine Arbeit noch kein breites Publikum erreicht hat.
Anne: Wir leben in schnellen und oft grausamen Zeiten. Gibt es etwas, das wir alle vom Fado lernen können?
Paula: Fado ist Musik mit Geschichte, und alles, was wir aus der Geschichte lernen können, ist willkommen. Die Vergangenheit muss in die Gegenwart integriert werden, damit Fehler nicht wiederholt werden und wir lernen, im Einklang mit unserer Natur und unserem Wesen zu leben. In einer Welt, die von uns ständige Produktivität verlangt, die oft eine verschlossene Haltung und Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen anderer fördert, schadet es nicht, innezuhalten, etwas Fado zu hören und darüber nachzudenken, was wir uns für die Zukunft unserer Spezies wünschen …
Anne: Last but not least: Was steht für Dich nach dem erfolgreichen Release von "Entreparedes" an? Gibt es noch Traum-Kollaborationen? Arbeitest Du schon an neuen Songs?
Paula: Im Moment lasse ich einfach das Leben fließen. Ich versuche, dieses Werk zu promoten. Ich möchte einige Konzerte geben, aber vor allem möchte ich das Leben fließen lassen, damit die Inspiration zurückkommen kann.
Anne: Danke, dass Du meine Fragen beantwortet hast! Es war mir eine Freude! Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Pläne und Dein Album!
Paula: Danke! Es war großartig, diese Fragen zu beantworten. Danke, dass Du mir hilfst, meine Arbeit bekannt zu machen.