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    Isaurian über ihr neues Album "The Pulsing Rush"

    "Die Musik bahnt sich ihren Weg zu den Texten"

    Interview von Anne
    25.10.2024 — Lesezeit: 8 min
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    Isaurian über ihr neues Album "The Pulsing Rush"
    Bild/Picture: © gramulho, Instagram

    Isaurian haben heute ihr neues Album "The Pulsing Rush" veröffentlicht. Ich habe mich mit Hoanna, Jorge und Roberto zusammengesetzt, um einiges über ihren Songwriting-Prozess und ihre Ideen für diese sieben brillanten Songs zu erfahren. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen. Heute erfahrt Ihr auch, warum die Band so perfekt mit Jesse Gander gematcht hat, mit dem sie für die Platte zusammengearbeitet haben. Ihr kennt ihn schon von Bands wie Brutus und Anciients.

    Wenn Ihr meine Preview von "The Pulsing Rush" gelesen habt, habt Ihr sicher bemerkt, dass dieses Album für mich eines der besten in diesem Herbst ist. Wenn Ihr mehr darüber erfahren möchtet, wodurch es zu solch einem Juwel wurde, lade ich Euch herzlich zum Weiterlesen ein.

    Anne: Hi! Danke, dass Ihr meine Einladung angenommen habt! Wie geht es Euch?

    Ihr freut Euch sicher auf den Release von "The Pulsing Rush" am 25., oder?

    Jorge: Hallo! Vielen Dank für die Möglichkeit! Wir freuen uns auch, Dich kennenzulernen. Ja, es ist immer eine aufregende Phase für uns, wenn wir eine neue Platte zu veröffentlichen. Der komplette Prozess macht mir Spaß. Manchmal scheint es im heutigen Musikklima sinnlos zu sein, aber es ist einfach etwas, das ich gerne mache. Und ich liebe es zu sehen, wie sich die Leute mit der Musik identifizieren. Es ist cool, die Menschen Gefühle empfinden zu lassen.

    Roberto: Hallo, Anne. Wir sind so aufgeregt wegen der Veröffentlichung. Das war bisher unsere längste Wartezeit zwischen Vorproduktion, Aufnahme und Veröffentlichung. Wir sind wirklich stolz auf das, was wir geschaffen haben und freuen uns sehr, es endlich veröffentlichen zu können.

    Anne: Das Album ist großartig geworden. Seit ich meine Preview geschrieben habe, läuft es bei mir in Dauerschleife. Was hat Euch zu diesen sieben Stücken inspiriert?

    "Unsere größte Inspiration für 'The Pulsing Rush' war das Leben"

    Isaurian – "The Pulsing Rush"
    Isaurian – "The Pulsing Rush"

    Jorge: Vielen Dank, Anne. Das bedeutet uns sehr viel. Dein Text ist so schön geschrieben. Ich denke, die Hauptinspiration war für uns das Leben. Alle Aspekte des Lebens. Vergnügen, Schmerz, Tod, Verlust, Sehnsucht und Liebe. Ich habe das Gefühl, dass das Leben mir unendlich viel Inspiration gibt, von den kleinsten bis zu den größten Dingen – im Guten wie im Schlechten. Es ist also immer etwas Persönliches.

    Anne: Würdet Ihr sagen, dass die Themen, die Euch zu den Songs inspiriert haben, dazu geführt haben, dass Ihr die härteren Seiten von Isaurian, die wir aus Euren frühen Tagen kennen, wieder vertieft habt?

    Jorge: In gewisser Weise, ja. Die Musik ist immer eine Momentaufnahme eines Lebensabschnitts. Aber es ist definitiv nichts, das wir uns vorgenommen haben. Ich schreibe die Songs, und wenn ich zurückblicke, denke ich: "Okay, cool, das ist härter geworden." Die Musik bahnt sich also oft ihren Weg zu den Texten. Und Jesses Produktion hat in dieser Hinsicht sehr geholfen. Er hat die Songs einfach größer, schwerer und dynamischer gemacht.

    Anne: Ich habe gelesen, dass Ihr während der Produktionszeit eine schwere Zeit durchgemacht haben. Wie hast Du es geschafft, das alles hinter Dir zu lassen, ins Studio zu gehen und zu arbeiten, Hoanna?

    "Mein Gesang versöhnt mich mit einem Geheimnis"

    Hoanna: Ich konnte den Gesang erst Monate nach den Instrumentalaufnahmen aufnehmen, weil ich mich einer Strahlentherapie unterzogen habe und mich sehr schwach fühlte. Es ist schwierig, das Gefühl der Hilflosigkeit zu beschreiben, das einen überkommt, wenn man jung ist und sich einer schwächenden Behandlung unterziehen muss, die Deine Gesundheit auffrisst. Ich habe nicht viel Hoffnung in der Welt und weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber wenn ich singe, fühle ich mich mit einem Geheimnis versöhnt, das ich nicht erklären kann. Ich habe das Gefühl, dass meine Existenz gerechtfertigt ist. Das hat mir dabei geholfen, die Kraft aufzubringen.

    Jorge: Die Nachricht, dass Hoanna Krebs hat, ein paar Tage, bevor wir ins Studio kamen, war hart. Sie ist das Wichtigste in meinem Leben. Ich wollte ihr einfach nahe sein. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die mich immer unterstützt und sogar versucht hat, den Prozess zu begleiten. Ich fühlte mich verpflichtet, weil Jesse mitkam und sein ganzes Leben umgestellt hat, um die Termine wahrnehmen zu können, sodass eine Absage nicht infrage kam.

    Wir hatten nur sechs Tage Studiozeit, und wir beschlossen, den Gesang zu einem späteren Zeitpunkt aufzunehmen, also hielten wir durch und machten das Beste daraus. Die folgenden Monate waren hart, da Hoanna nicht einmal sicher war, ob sie wieder singen oder kreativ sein wollte. Dieser Gedanke machte mich fertig, denn sie ist ein unbestreitbares Talent, und ich kann mir Isaurian ohne sie nicht mehr vorstellen. Sie ist jetzt geheilt! Sie hat alles dafür gegeben, Teil des Albums zu sein, und dafür liebe ich sie noch mehr.

    Anne: Würdet Ihr sagen, dass die kreative Arbeit und der Prozess, Kunst zum Leben zu erwecken, uns dabei helfen können, weiterzumachen und selbst die dunkelsten Momente in unserem Leben zu bewältigen?

    Jorge: Ich hätte es selbst nicht besser sagen können. Als Fan oder Songwriter hat die Musik in meinem Leben immer eine heilende Rolle gespielt. Geistig und emotional war sie für mich immer unverzichtbar, besonders in dunklen Zeiten. Durch die Musik und die Reise als Musiker habe ich meine Frau und meine besten Freunde kennengelernt und unglaubliche Erfahrungen gemacht. Ich habe keine romantische, von Erwartungen geprägte Sicht auf die Musik mehr. Aber ich würde nichts daran ändern. Und sie bleibt wesentlich für mich.

    Roberto: Ich stimme Jorge zu. Ich glaube, dass der kreative Prozess von Emotionen lebt und uns erlaubt, unsere Gefühle nach außen zu tragen. Diesen Emotionen durch künstlerischen Ausdruck einen Kontext und eine Kontur zu geben, ist ein starkes Instrument, um unsere Gefühle zu kanalisieren und zu verarbeiten.

    Glücklicherweise ist unsere spezielle Kunstform gemeinschaftlich. Musik bringt Menschen auf vielen Ebenen zusammen. Von uns sechs im Studio bis zu all den Menschen, mit denen wir das Glück haben, unsere Musik teilen zu können. Diese soziale Interaktion ist auch potenziell sehr heilsam.

    Anne: Wie wichtig sind Emotionen für Euer Songwriting? Welche sind die inspirierendsten Emotionen?

    "Songwriting braucht Emotionen"

    Isaurian. Bild/Picture: © gramulho, Instagram
    Isaurian. Bild/Picture: © gramulho, Instagram

    Jorge: Emotionen sind alles, wenn es ums Songwriting geht. Ich muss etwas fühlen, wenn ich Musik höre, und das gilt auch für die Musik, die ich schreibe. Wenn sie mich nicht emotional berührt, bedeutet sie nichts und wird verworfen. Was die inspirierendsten Emotionen angeht, oje, das ist eine gute Frage … für mich war es die Liebe. Ist Liebe eine Emotion? Ich habe das Gefühl, dass selbst Songs mit dunkleren Themen, wie "Árida" von unserem letzten Album, am Ende irgendwie von der Liebe beeinflusst sind. Von der Perspektive, in einer zunehmend schrecklichen Welt zu lieben. Die Begegnung mit meiner Frau hat mir das gebracht.

    Anne: Welchen Song auf "The Pulsing Rush" mögt Ihr am liebsten?

    Jorge: Das ist eine gemeine Frage! Ich neige dazu, die Lieder zu bevorzugen, bei denen Hoanna mehr singt, wie "Primal Life" und "Godlike". Aber "Heart Like a Curse" und "Carved Earth" sind ziemlich gute Momentaufnahmen unserer Entwicklung und ich liebe es, wenn Hoanna und ich gemeinsam Harmonien singen.

    Roberto: Es fällt mir nicht leicht, mich für einen zu entscheiden! Ich schummle einfach ein wenig und sage, dass ich am liebsten "Great Hunger" spiele. Aber nachdem ich das Endergebnis von "Godlike" gehört habe, ist es definitiv der Song, der mich am meisten inspiriert.

    Anne: Ihr habt "The Pulsing Rush" mit Jesse Gander aufgenommen, der auch schon mit Bands wie Brutus und Anciients Musik produziert hat. Wie war es, mit ihm zu arbeiten?

    Jorge: Es war das perfekte Match. Er ist ein absolut brillanter Produzent und Ingenieur und ein noch besserer Mensch. Er ist der netteste Kerl und er war so geduldig und verständnisvoll während der gesamten Produktion der Platte. Er hat sich total darauf gefreut, nach Brasilien zu kommen und das Album mit uns zu machen und das hat man gemerkt. Er schien sich wirklich auf die Songs einzulassen und war begeistert, hier zu sein und diese kleine Band aufzunehmen. Wir haben schon mit einigen wirklich großartigen und renommierten Produzent*innen zusammengearbeitet, und sie alle haben einen großartigen Job und bei jeder Platte einen Unterschied gemacht. Aber Jesse war die absolute Idealbesetzung – klanglich und in jeder anderen Hinsicht. Ich weiß nicht, ob wir noch eine weitere Platte machen werden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir sie ohne Jesse machen werden.

    Roberto: Jesse Gander ist definitiv der lustigste Mensch, mit dem ich bisher das Privileg hatte, zusammenzuarbeiten (obwohl Kevin Ratterman nicht weit dahinter liegt). Er ist ein unglaublicher Musiker, ein fantastischer Produzent und ein wunderbarer Mensch. Ich habe so viel von ihm gelernt und hatte dabei so viel Spaß. Und ich glaube wirklich, dass er unsere beste Seite eingefangen hat, was die Qualität dessen, was wir zu bieten haben, wirklich erhöht hat. Während des gesamten Aufnahmeprozesses gab es echte Teamarbeit und gegenseitiges Riffing.

    Außerdem hat er die Keys eingespielt, also möchte ich gerne damit angeben, dass er Teil unserer Band ist.

    Anne: Bei Isaurian ging es immer um einen eher introvertierten, nachdenklichen Sound. Intensiv, aber auch sehr doomig und düster, aber nicht auf eine aggressive Art und Weise. Würdet Ihr sagen, dass Musik ein effektiveres Mittel ist, Eure Gefühle mit der Welt zu teilen und den Wunsch nach Veränderung zum Ausdruck zu bringen?

    Jorge: Ja, auf jeden Fall. Diese Beschreibung passt so ziemlich zu allen Bandmitgliedern. Nachdenklich, introspektiv, doomig und düster. Das haben wir alle gemeinsam. Musik ist die einzige Möglichkeit, mich einem etwas größeren Publikum gegenüber auszudrücken. Es passiert auf ganz natürliche Weise. Es ist wichtig für mich, dass ich mich auf diese Weise ausdrücken kann, weil ich dazu neige, zu viel in mich hineinzufressen. Mir fehlt es an Selbstbewusstsein, und ich erwarte nicht, dass sich die Leute für das interessieren, was ich zu sagen habe, aber ich habe das Gefühl, dass ich das tun muss.

    Anne: Ihr habt Eure erste Platte, "All The Darkness Looks Alive" 2017 veröffentlicht. Was hat sich seitdem verändert?

    Jorge: Es hat sich so viel verändert. Die Band selbst, die Erwartungen, der Grund, warum sie existiert, und unser Sound. Als wir diese EP aufgenommen haben, hatte ich nicht vor, danach weiterzumachen. Ich war unglücklich, als ich mit Isaurian anfing. Es war irgendwie kathartisch. Heute bewegt mich etwas anderes. Das Leben kann herausfordernd sein, aber ich bin nicht mehr unglücklich.

    Roberto: Es hat sich so viel verändert und ich war 2017 noch nicht mal Teil der Band. Aber es ist wirklich aufregend, zurückzublicken und an all diese Orte zu denken, an denen wir gewesen sind. Ich denke, es ist eine sehr klare und bewusste Entwicklung in unserem Sound zu hören, die definitiv mit allem zu tun hat, was mit der Band und ihren Mitgliedern passiert ist. Und auch wenn sich dieser Moment wie ein Höhepunkt anfühlt, hoffe ich, dass es ein weiterer Schritt nach vorn und nach außen für die Band ist.

    Anne: Wenn Ihr etwas auf der Welt verändern könntet. Was wäre es und warum?

    "Der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form sollte zerstört werden"

    Isaurian. Bild/Picture: © gramulho, Instagram
    Isaurian. Bild/Picture: © gramulho, Instagram

    Jorge: Au Backe … Ich glaube, die Menschheit hat ihren Auftritt gehabt. Es ist an der Zeit, die Natur übernehmen zu lassen. Das Gefühl habe ich wirklich. Aber ja, wenn ich die Macht hätte, würde ich wahrscheinlich versuchen, den Kapitalismus in seiner jetzigen Form zu zerstören und damit die sozialen Ungleichheiten radikal zu verringern. Eine Welt ohne die Existenz von Milliardär*innen. Ohne die permanente und unwiderrufliche Zerstörung von allem, was wichtig ist, damit 0,5 Prozent der Welt immer reicher werden. Aber ich fühle mich machtlos, also hoffe ich einfach, dass die Natur ihre Rache beschleunigt.

    Roberto: Ich habe das Gefühl, dass angesichts der Art und Weise, wie die Welt langsam zerbricht, ein allgemeines Gefühl der Apathie herrscht. Ich hoffe, dass wir selbst in dunklen Zeiten Wege finden können, einige Aspekte unserer Welt und unserer Existenz zu romantisieren und zu idealisieren, um zu versuchen, ein gewisses Maß an Empathie und Fürsorge füreinander zu retten. Die Fähigkeit, in den einfacheren Dingen des Lebens einen Sinn zu finden, ist wirklich würdevoll.

    Anne: Worauf freut Ihr Euch in Zukunft?

    Jorge: Als Band wollen wir weiter kreativ sein und den Prozess genießen. Es ergibt keinen Sinn, wenn wir die Fahrt nicht genießen können. Ich persönlich freue mich darauf, nach Hause zu meiner Frau und meinen drei Vögeln zu kommen, es mir gemütlich zu machen und mir etwas anzuschauen, das in der Flut der Streaming-Dienste unweigerlich untergeht.

    Roberto: Immer mehr Musik.

    Isaurian – "The Pulsing Rush"

    © 2024 · soundsvegan.com · Anne Reis