Jan von Wanheda über das neue Album "Dusty Trails"
"Ich bin ein großer Ennio Morricone Fan"
Wanheda haben ihr neues Album fertig – es erscheint am 22. November. Mit "Dusty Trails" führt uns die Band aus dem belgischen Leuven an einen Ort, an dem sich aus Melodien Geschichten entwickeln und Gegensätze einander inspirieren. Ich hatte die Gelegenheit, mit Lead-Gitarrist Jan Verduyckt zu sprechen und ihn alles zu fragen, was mir nach dem Hören der sechs Songs durch den Kopf ging.
Das habe ich auf Bandcamp über "Dusty Trails" geschrieben:
"Sensibilität und Überzeugungskraft, Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit: Wandheda haben all das. Mit ihrem neuen Album setzt die Band aus Leuven einmal mehr auf Vielschichtigkeit. Und das Konzept geht auf. Die Post-Rocker behandeln schwere Themen auf beeindruckend einfühlsame Weise. Beim Hören der sechs Songs durchlebt man alle Höhen und Tiefen des Lebens und erforscht eine dunkle Ebene, auf die wir in unserer Welt der Versuchungen und Ängste nur allzu leicht abdriften können.".
Los geht's! Hört Euch "Dusty Trails" an und genießt mein Wanheda Interview.
Anne: Hallo Jan! Wie die Zeit vergeht! Es ist schon zwei Jahre her, seit unserem letzten Interview. Schön, dass Du wieder dabei bist! Wie geht es Euch? Wie geht es Dir?
Jan: Mir geht es gut. Ich beantworte Deine Fragen sehr gerne! Unsere neue Platte ist fertig; und wir haben dieses Jahr noch eine Menge Konzerte vor uns. Nächstes Jahr, im Februar und März, planen wir eine kleine Europatournee. Wir haben also eine arbeitsreiche und aufregende Zeit vor uns!
Anne: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! "Dusty Trails" ist wirklich toll geworden! Seid Ihr mit dem Ergebnis Eurer Arbeit zufrieden?
"Wir freuen uns, wie gut die Platte geworden ist"
Wanheda – "Dusty Trails"
Jan: Ich denke, insgesamt sind wir sehr zufrieden damit, wie die neue Platte klingt. Es gibt immer einige Punkte oder Details, die meiner Meinung nach besser sein könnten, wie das Songwriting oder die Sounds und Effekte der Instrumente. Aber das liegt daran, dass ich ein kleiner Perfektionist bin, wenn es um Musik geht, oder ich immer eine bestimmte Vorstellung von einem Musikstück habe. Außerdem sind wir sechs Leute in der Band. Da hat jede*r seine Vorstellung davon, wie sein Instrument klingen muss. Aber es ist immer ein Lernprozess, und wir nehmen diese Lektionen mit in zukünftige Projekte. Ich denke aber, dass es vermutlich sogar unsere bisher natürlichste und organischste Platte ist. Ich bin also sehr, sehr zufrieden damit.
Anne: Wer hatte die Idee, die Western-Elemente aufzunehmen?
Jan: Ich glaube, das war ich. Es gab eine Zeit, in der ich viel "American Venom" von Woody Jackson gehört habe. Der Song kommt im Spiel "Red Dead Redemption 2" vor. Er hat diesen wirklich ausladenden Aufbau – mit coolen Trompeten kombiniert mit diesen psychedelisch klingenden Leadgitarren. Das ist nie eine schlechte Kombination. Zudem habe ich viele alte Western-Filme mit Clint Eastwood gesehen. Vielleicht hat mich das auch beeinflusst und mich auf die Idee gebracht, der Platte eine Art Western-Feeling zu verleihen. Ich hatte auch immer die Idee, "Lady Caliph: Nocturne" mit der Band aufzunehmen. Das ist eine Komposition von Ennio Morricone, der ja für seine Musik bekannt wurde, die er für "Spaghetti-Western" gemacht hat. Obwohl dieser Song natürlich kein Soundtrack für diese Art von Film ist. Also haben wir unsere Version des Songs gemacht.
Ich mag es sehr, wie die Trompete klingt. Sie kann cool, sanft, jazzig oder traurig klingen, als würde man einen Krieg gewinnen. Es ist also keine Überraschung, dass wir dieses Instrument schon früher verwendet haben, aber dieses Mal eher auf eine westliche Art. Das kann man besonders im Eröffnungssong unserer neuen Platte hören.
Anne: Welchen Bezug hast Du sonst zur Musik von Ennio Morricone?
Jan: Er hat einige der kultigsten Soundtracks der Filmgeschichte erschaffen. Ich bin einfach ein großer Fan. Ein Freund hat mir dann "Lady Caliph: Nocturne" gezeigt. Es ist ein weniger bekanntes Stück von ihm, aber es ist so schön. Hör Dir unbedingt mal das Original an, falls Du es bisher nicht kennst. Auch die Zusammenarbeit zwischen Ennio und Yo-Yo Ma bei diesem Lied ist so schön. Ich habe mich lange Zeit morgens davon wecken lassen.
Anne: Möchtest Du mir mehr über die Themen erzählen, von denen Eure Songs dieses Mal handeln? Insgesamt ist das Album ja weniger düster als "Desert of Real" von 2022, oder?
Wanheda
Jan: Ich glaube tatsächlich auch nicht, dass wir dieses Mal wirklich ein schweres Thema für die Platte gewählt haben. Zumindest haben wir keinen großen Essay über das Konzept geschrieben. Wir haben einige Zeilen aus Westernfilmen für unsere Songtitel ausgewählt, und sie haben alle mit diesem einsamen, verwirrten "Cowboy" zu tun, der viele große Träume hat. Zum Beispiel wie ein Geier über die verödeten Ebenen zu fliegen und schließlich sogar den Weltraum zu erforschen und die Sonne zu erreichen. Es ist eine Art Don-Quichotte-Geschichte, aber statt eines Ritters ist es dieses Mal ein Cowboy.
Die Moral der Geschichte ist: Träumen kann eine sehr gute Sache sein. Man sollte sich jedoch nicht zu viele oder unerreichbare Ziele stecken. Das führt nur dazu, dass man den Verstand verliert oder betäubt wird und am Ende im Leben nicht weiterkommt. Zu diesem Thema möchte ich gerne zwei Songs erwähnen. "Vienna" von Billy Joel ist eine schöne Erinnerung daran, sich manchmal zu sagen: "Entspann Dich, es ist in Ordnung, wenn Du Dich im Leben nicht permanent auf etwas konzentrierst." Dann wäre da noch "The Time" von Pink Floyd, das auf der anderen Seite dieses Themas steht. Darin geht es eher um Leute, die im Leben nichts tun und nicht versuchen, bessere Menschen zu werden. Plötzlich sind dann zehn Jahre vergangen, und man ist dem Tod sehr nahe. Ich glaube, es ist am gesündesten, wenn man sich in der Mitte dieses Spektrums aufhält.
Anne: Auch wenn die Themen der Songs nicht immer einfach sind, gibt es auch immer viel Leichtigkeit in Euren Stücken. Es ist bestimmt eine Herausforderung, da die perfekte Balance zu finden, oder?
Jan: Normalerweise habe ich kein bestimmtes Thema im Kopf, wenn ich Songs schreibe. Ich mag es einfach, wenn sie schön fließen, ohne vorhersehbar zu sein. Außerdem mochte ich schon immer bombastische Musik. Also ja, viele Songs haben sanfte und harte Teile. Wir haben auch viele Bandmitglieder mit einer gewissen Vergangenheit in der Metal-Musik. Außerdem spielt unser Rhythmusgitarrist Jan Boucké eine 7-saitige Gitarre, und wir spielen in einer tieferen Tonart – #CIS. Es sind also alle Zutaten für Heavy Sound vorhanden. Obwohl ich sagen muss, dass die meisten meiner musikalischen Inspirationen viel weicher sind. Es ist einfach melancholisch klingende Musik.
Ich schätze, darum gibt es so viel Abwechslung auf unseren Platten. Ich verwende viele verschiedene musikalische Einflüsse, und ich möchte sie alle in unsere Musik einfließen lassen. Unser Ziel ist es auch nicht, eine "Post-Rock-Band" zu sein. Obwohl ich verstehe, warum wir häufig so bezeichnet werden. Natürlich bringen alle Wanheda Mitglieder ihre Ideen und Einflüsse mit. Dadurch werden unsere Songs zu dem, was sie sind.
Anne: Würdest Du sagen, dass das Schreiben und Spielen von Songs über Dinge, bei denen wir uns hilflos fühlen und die uns manchmal überwältigen, für eine Art Ventil ist? Hilft es Dir, Dinge besser zu verarbeiten?
"Songs zu schreiben hilft, mit dem Mist auf der Welt umzugehen"
Wanheda
Jan: In gewisser Weise, ja. Ich denke, dass ich die Menschen mit den Themen unserer letzten Platte und diesem neuen Album auf bestimmte Dinge aufmerksam machen möchte. All diese Dinge betreffen uns als Spezies. Ich habe das Gefühl, dass vieles davon außerhalb meiner Kontrolle liegt, aber indem ich Songs darüber schreibe, kann ich zumindest einen kleinen Beitrag leisten. In gewisser Weise hilft es also definitiv, mit all dem Mist, der in unserer Welt passiert, umzugehen.
Anne: Was ist Dein Lieblingssong auf "Dusty Trails"?
Jan: Für mich ist es "Beneath the Vulture's Gaze". Ich denke, es ist der Song, der am meisten nach Filmsoundtrack klingt. Außerdem beginnt er sofort mit einem härteren Teil, was es bei uns nicht so oft gibt. Und ich mag es einfach, wie er fließt und sich über seine gesamte Spiellänge hinweg entwickelt.
Anne: Was hat Dich beim Schreiben am meisten inspiriert?
"Musik inspiriert mich schon immer am meisten"
Wanheda
Jan: Meine größte Inspiration ist immer die Musik, die ich höre. Wir haben ja bereits über Ennio Morricone und Woody Jackson gesprochen. Ich höre aber auch immer noch Bands aus meiner Jugend wie Radiohead, Muse, The Offspring, Linkin Park und so weiter. Die Künstler*innen, die im Moment jedoch meine volle Aufmerksamkeit haben, sind meistens ältere Bands aus den Sechzigern und Siebzigern. Pink Floyd hatten tatsächlich einen enormen Einfluss auf mich. Der Sound und die Spielweise dieser Zeit faszinieren mich immer mehr.
Es wurde viel experimentiert. In der Musik – auch in anderen Bereichen (lacht) – und alle haben noch "echte" Instrumente benutzt. Und sie kannten ihre Instrumente und die Theorien, die hinter dem Songwriting und dem Spiel stecken. Ich habe also die Idee, zu versuchen, jeden Pink-Floyd- und auch jeden Beatles-Song zu lernen, damit ich ein besserer Gitarrist und ein besserer Songschreiber werden kann. Und man weiß ja nie. Vielleicht kann man auf einem zukünftigen Wanheda Album mehr von den Einflüssen dieser Oldies hören.
Anne: Habt Ihr die neuen Songs wieder mit Masterplan Music aufgenommen?
Jan: Ja, wir lieben es, mit Stijn Debontridder aufzunehmen. Und wenn etwas funktioniert, warum sollte man es nicht wieder tun? Stijn gibt uns die Zeit, die coolen Ideen und die Liebe, die wir brauchen. Er hat auch viel Geduld mit den verrückten Leuten, die Teil des Wahnheda Chaos sind.
Anne: Was hat sich für Wanheda seit meinem letzten Gespräch mit Euch 2022 verändert?
Wanheda
Jan: Na ja, wir haben einen neuen Schlagzeuger! Nico ist unser neuestes Wanheda Familienmitglied. Er bringt eine Menge Erfahrung, Motivation und Freude mit in die Band. Er ist auch Schlagzeuglehrer und hat viele musikalische Projekte. Er ist also jemand, der Musik regelrecht atmet. Wir freuen uns sehr, ihn an Bord zu haben.
Und natürlich haben wir jetzt auch einige Väter in der Band. Die Hälfte der Band hat inzwischen ein oder zwei Kinder. Ich schätze, wir werden also älter (lacht).
Anne: Wenn es eine Sache auf der Welt gäbe, die Du verändern kannst. Was wäre es und warum?
Jan: Ich würde mir wünschen, dass Gott toleranter ist, damit die Religionen es auch sein können. Aber andererseits ist es ja auch die Religion, die Gott macht.
Anne: Vielen Dank, dass Du meine Fragen beantwortet hast, Jan! Es war mir ein Vergnügen, mal wieder mit Dir zu sprechen! Ich wünsche Dir alles Gute und viel Erfolg mit dem Album. Wir sehen uns bald wieder.
Jan: Vielen Dank, es war mir ein Vergnügen!
Lest mein Interview mit Wanheda Gitarrist Jan Boucké, über das Album "Desert of Real" von 2022 hier!