Simon Dübell: "Musik braucht keinen Dresscode"
Interview mit dem Newcomer aus Berlin
Über Anette Records lernte ich vor Kurzem den talentierten Musiker Simon Dübell kennen. Sein fantastischer neuer Track "Undoing" landete gleich mal in meiner monatlich erscheinenden Playlist und für uns beide war von Anfang an klar: Wir müssen ein Interview machen! Das Ergebnis teile ich an dieser Stelle mit Euch.
Berlin ist seit vielen Jahren die Hauptstadt der elektronischen (Tanz-)Musik und die Homebase von Simon. Dort spielt er seine Musik ein, genießt das Nachtleben und vernetzt sich mit anderen Künstler*innen aus der Szene, deren Wandel in den letzten Jahren er wie ich mit gemischten Gefühlen beobachtet.
Anne: Hallo Simon! Wie geht es Dir? Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst. Was macht die Vorbereitung für Dein Album?
Simon: Hallo Anne! Mir geht es gut. Ich freue mich auch sehr über die Gelegenheit für das Interview, natürlich nehme ich mir da gerne Zeit dafür! Die Vorbereitungen zum Album laufen gut. Die ganze LP ist seit Dezember gemischt und gemastert. Also musikalisch ist alles im Kasten. Jetzt sind wir mit der Vorbereitung weiterer Videos beschäftigt. Nebenbei versuche ich die ganzen Tracks in Ableton annähernd für Live-Events spielbar zu machen, sodass ich, wenn sich die Gelegenheit bietet, auch mal auf der Bühne spielen kann. Darauf freue ich mich schon tierisch! In der letzten Woche haben wir uns um den Siebdruck für die Vinyl-Cover gekümmert. Über das Ergebnis freue ich mich sehr. Vor allem sind im Moment alle Beteiligten super engagiert und leidenschaftlich, was die Vorbereitungen zur finalen LP angehen.
Simon Dübell
Anne: Die Single "Undoing" ist ja schon mal ein wundervoller Vorgeschmack. Gratulation zu diesem wunderbaren Track! Er erinnert mich extrem an die Musik, die ich Anfang der 2000er so sehr geliebt habe und hat auch etwas Futuristisches – Insgesamt ist er wirklich perfekt. Worum geht es in dem Song?
"Ich liebe es, wenn die Menschen, die meine Musik hören eine gute Zeit haben"
Simon: "Undoing" ist tatsächlich mit einer der ersten Tracks, die für das Album entstanden sind. Ich glaube, die Idee dafür hatte ich noch in der Corona-Zeit, als ich mit einem Freeware-Sampler die Bassline aus Vocal Samples zusammengeschnitten hatte. Irgendwann habe ich dann die Vocals dazu gefunden und dachte mir in der Zeit, in dem ich den Track fertiggestellt habe, dass mir mit den Lyrics "It’s all about you!" ein schönes Gesamtpaket gelungen ist. Ich verstehe den Track als Aufruf, Dinge rückgängig zu machen, zu verlernen und dann wieder neu zu lernen. Das kann alles sein. Und der Track könnte sinnbildlich dafür stehen, dass Veränderung, vor allem wenn man sich an eigene Baustellen wagt, schön sein und Spaß machen kann.
Offen gesagt finde ich es immer schwer bei elektronischer Musik einen glaubwürdigen oder authentischen Narrativ zu finden. Es ist dann doch eher Spaß und Freude an der Sache für mich. Am schönsten ist es, wenn Menschen, die meine Musik hören, eine schöne Zeit haben.
Anne: Hast Du für Deine geplante Doppel-LP auch schon ein Thema, um das sich die Songs bewegen werden? Kannst Du vielleicht sogar schon einen Titel verraten?
Simon Dübell – "Undoing"
Simon: Wie gesagt ist es für mich nicht immer leicht Themen in meiner Musik aufzugreifen. Meine Tracks repräsentieren für mich ein Gefühl, eine Stimmung oder einfach nur den Wunsch mal genau einen solchen Track zu machen.
Anne: Wann wird Deine LP erscheinen?
"Am 26. Mai erscheint meine LP"
Simon: Die LP wird am 26. Mai auf Anette Records erscheinen. Ich freue mich schon unheimlich darauf. Vor allem, weil ich neben den beiden noch kommenden Singles, so viele Tracks auf dem Album habe, die ich endlich teilen möchte!
Anne: Wie bist Du bei Anette Records gelandet? Ich feiere das Label wirklich sehr. Wie ich es bisher mitbekommen habe, ist alles sehr künstlerisch und läuft ganz persönlich ab. Das hat mir zum Beispiel auch Dein Label-Kollege Magnus Josefsson berichtet. Du hast ja auch gerade erzählt, dass Ihr gemeinsam an Siebdruck-Bildern für die Plattenhüllen arbeitet. Ist es wirklich so vertraut und gemütlich?
Simon: Das ist eine wirklich lange Geschichte. Ich kenne die hauptverantwortliche Person hinter Anette Records tatsächlich schon seit einer Ewigkeit. Aber ich mache es kurz. Wir hatten nie viel persönlichen Kontakt, bis sich eben die Gelegenheit bot, gemeinsam das Album zu veröffentlichen. Genauer gesagt, war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit, die ganzen Track-Ideen, die sich auf die Jahre hin angesammelt hatten, in einem Album zu veröffentlichen. Ich wusste von dem Label und dass Johannes die Musik von super spannende Künstler*innen veröffentlicht. Und das alles in einem sympathischen und kleinen, familiären Rahmen. Ich habe ihn dann irgendwann einfach angeschrieben und gefragt, ob er denn Lust hätte, mit mir ein Album zu veröffentlichen. Im Anhang habe ich ihm drei bis fünf Demos mitgeschickt – teilweise Tracks, die gar nicht mehr auf dem Album gelandet sind. Ein paar davon waren gerade mal 30 Sekunden lang.
Na ja. Auf jeden Fall war Johannes dann super euphorisch und meinte: "Ja ey klar! Lass das zusammen machen!" Von da an ging dann alles ganz schnell. Er hat sich dann um alles gekümmert, und kam ziemlich schnell mit vielen Ideen um die Ecke. Er hatte schon Ideen für das Cover und wen wir alles involvieren. Er hatte auch immer ein offenes Ohr und hat mich bei meinem ersten Album bei jedem Schritt begleitet. An dieser Stelle geht ein großes Danke an ihn raus! Einfach eine tolle Person. Bin verknallt!
Anne: Deine Homebase ist Berlin – die Hauptstadt der elektronischen Musik, des House und des Techno. Würdest Du sagen, dass es immer noch so ist, dass man dort automatisch damit in Berührung kommt und sich in den Techno verliebt?
"Die Nachtkultur wirkt immer elitärer"
Simon: Absolut. Haha. Ich bin im Moment sehr gespalten, was das angeht. Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass sich die Nachtkultur elitär abhebt. Es gibt sozusagen eine verpflichtende Abendgarderobe. Und im Endeffekt entscheidet ohnehin eine random Person an der Tür, ob Du heute Abend Spaß hast oder nicht. Und wenn Du dann Knigge und Dresscode nicht erfüllst, kannst Du in die nächste Clubschlange ziehen.
Wobei ich im Aussortieren natürlich auch eine gewisse Legitimität sehe, um Safe Spaces zu schaffen. Abgesehen davon sind Eintrittspreise von 20 Euro und mehr alles andere als niedrigschwellig und inklusiv, auch wenn ich das wirtschaftliche oder existenzielle Interesse, vor allem nach der Pandemie, dahinter sehe. Den Techno liebe ich natürlich, auch wenn ich meine Schnittmenge zur Clubkultur in der letzten Zeit erst wieder entdecken muss. Aber nichts geht über einen gelungenen Clubabend und wenig ist inspirierender als ein gutes Set.
Anne: Ich finde immer, viele unterschätzen elektronische Musik nicht nur, was den musikalischen Part angeht. Häufig geht es in den Songs um Umweltschutzthemen, das Klima oder es wird sogar politisch. Ich nehme mal Moby als Beispiel – er ist einer der größten Tierrechts- und Vegan-Aktivisten, die es gibt. Jetzt hat er ja sogar einen Film zum Thema Musik und Tierrechts-Aktivismus veröffentlicht. Findest Du das gut? Kannst Du Dir auch vorstellen, solche Themen mit Deiner Musik anzusprechen? Oder tust Du das vielleicht sogar schon?
Simon Dübell
Simon: Absolut. Ich glaube, Musik ist für genau so etwas eine wichtige Plattform. Ich finde das in jeder Hinsicht wichtig und notwendig. Elektronische Tanzmusik leidet allerdings oft darunter, dass der Text nebensächlich ist. Darin dann eine authentische Message zu verpacken, ist glaube ich eine Herausforderung. Daher nehme ich es der elektronischen Musik gar nicht übel, wenn sie diesen Bildungsauftrag nur teilweise erfüllt, sie es aber schafft Menschen zusammenzubringen, um gemeinsam zu tanzen oder Kulturarbeit zu leisten. Also wir sehen ja viele Veranstaltungen mit Diskussionsrunden, Infoständen und sonstigen Bildungsangeboten, oder sogar Soli-Partys Meistens enden eben solche Veranstaltungen in einer gemeinsamen Fete. Daher würde ich dazu tendieren, dass meine Musik eher einen Rahmen für diese Themen bietet, diese aber nicht explizit anspricht.
Anne: In meinem Blog geht es viel um die nischigeren Spielweisen von Musik wie Post-Rock, DIY und Ambient. Die Übergänge zwischen Techno, Ambient und fantasievoller Post-Music sind sehr fließend und ich finde immer wieder, dass die heutige Post-Rock-Szene sehr viel mit der Techno und House-Szene, in der ich mich Anfang der 2000er-Jahre bewegt habe, gemeinsam hat: Alle gehen sehr offen und liebevoll miteinander um und sind füreinander da. Heute kommt noch mit dazu, dass man auch mal die Reichweite in den sozialen Netzwerken teilt und andere Künstler*innen so unterstützt. Ich finde das großartig und denke, dass ich mich deshalb so wohl in dieser Welt fühle. Wie siehst Du das und wo würdest Du Dich da einordnen?
Simon: Da bin ich voll bei Dir. Viele sind super supportive. Ich merke das ja im Moment selbst, wie mich alle Mitwirkenden als Newcomer unterstützen. Alle sind mit Leidenschaft und Elan dabei und wünschen sich einfach das bestmögliche Produkt von mir. Ich denke auch, dass das ein ganz großes Kapital dieser Community ist. Das Netzwerk, die Unterstützung, die Hingabe und die Liebe zur eigenen Profession.
Anne: Wolltest Du schon immer elektronische Musik machen?
"Früher habe ich in Bands Gitarre gespielt"
Simon: Jein. Ich hatte viele Freund⋆innen in meiner Heimatstadt, die Bandmusik gemacht haben. Teilweise auch mit Beats, Synths und den sonstigen Elementen aus der elektronischen Musik. So entstand in mir nach und nach das Bedürfnis, mit einer DAW (Digital Audio Workstation) herumzuspielen und meinem ersten damaligen Bandprojekt bisschen mehr Elektronisches zu geben. Der Schlüsselmoment war für mich allerdings dann 2011 als das Radiohead Album The King of Limbs erschien. Das war für mich die perfekte Kombination aus Band und Elektronica. Kurz darauf haben mir meine Geschwister dann sowas wie Four Tet, James Holden, Nathan Fake, Jon Hopkins und Caribou gezeigt, war mein Zugang zur elektronischen Musik ein Selbstläufer. Und so führte eins zu anderen. Daher würde ich eher sagen, dass mein Weg dahin eine logische Konsequenz war. Und da bin ich super froh über die recht lebhafte Musikkultur in meinem damaligen Zuhause.
Anne: Dann gabe es jede Menge andere musikalische Projekte für Dich vor diesem hier?
Simon Dübell
Simon: Genau. Wie schon gesagt, war ich in diversen Bands – immer an der Gitarre. Aber ich würde das noch eher zu den frühen Jahren meiner Musikalität zählen. Ich durfte etliche Remixes für andere Künstler⋆innen machen und im Jahr 2020 meine erste EP "Kid's Stuff" auf Hold Your Ground veröffentlichen. Gelegentlich stehe ich mit Kalipo im gemeinsamen Studio und wir arbeiten an Ideen und geben uns Feedback. Das ist eine wichtige Inspirationsquelle. Vielleicht entsteht mit einer guten Freundin von Pongamissi bald ein gemeinsames Projekt. Wir merken das wir sehr zusammen viben.
Anne: Zusammen mit Deinem Song "Undoing" hast Du ein ziemlich geniales Zeichentrickvideo veröffentlicht – möchtest Du mir verraten, wer es gestaltet hat?
Simon: Ja! Das Video kommt von Kumo. Guckt seine Sachen unbedingt mal an. Leider ging eine Videoidee in die Hose und wir mussten dann ziemlich kurzfristig umdisponieren. Kumo hat dann gefühlt innerhalb von 24h dieses grandios verspielte Musik-Video gezaubert! Grüße gehen raus an dieser Stelle. Ich habe ihn leider noch nicht persönlich kennengelernt. Hoffentlich ändert sich das bald!
Anne: Neben Deinem kommenden Album – wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Wird es Festival-Gigs geben? Auftritte in Clubs? Kooperationen?
Simon: Ja, Zukunftspläne und Träume habe ich unendlich viele. Als Newcomer gestaltet sich das natürlich immer bisschen schwierig, gleich zuverlässig gebucht zu werden. Ich denke, man muss jetzt mal das Album und dessen Resonanz abwarten. Festivals würde ich unglaublich gerne spielen. Bei Clubs weiß ich nicht, ob meine Musik dort nicht doch etwas deplatziert ist. Ich habe schon den ein oder anderen Club-Track, aber viel auf dem Album wird auch eher Bühnenmusik. Aber das wird sich zeigen. Mit diesem Album gehe ich jetzt erstmal auf Reisen und es wird sich zeigen, was funktioniert und was sich gut anfühlt. Nach dem Album möchte ich gerne eine EP veröffentlichen. Der Abschluss der LP hat so viele kreative Energien geweckt, dass ich schon wieder paar fähige Kandidaten für eine kleine Veröffentlichung hätte. Und ja, wie gesagt: Mit Pongamissi bin ich am Rumexperimentieren. Daraus könnte auch was Tolles entstehen!
Anne: Ich bin gespannt! Danke, Simon, für das spannende Gespräch! Es hat mich sehr gefreut, Dich kennenzulernen. Ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem Album!