Fleischverzehr in Deutschland auf Rekordtief
Deutsche essen weniger Fleisch
Zwar steigt der Fleischverzehr weltweit weiter, in Deutschland befindet er sich jedoch auf einem Rekordtief. Das berichtete jetzt die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt1. Hierzulande haben die Menschen 2021 so wenig Fleisch zu sich genommen, wie noch nie in den letzten 30 Jahren.
Pro Kopf verzeichnete die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)2 letztes Jahr rund 55 Kilogramm Fleisch. Das sind immerhin ganze 2,1 Kilogramm weniger, als im Jahr 2020, dem Jahr mit dem letzten Rekordtief. Die BLE zeichnet seit 1991 Daten auf. Am höchsten war der Fleischverzehr zwei Jahre später. Damals lag er bei 64,4 Kilogramm pro Kopf im Jahr. Zwar schenkte der Wert zwischendurch immer mal wieder, insgesamt sank er jedoch stetig.
Das ist zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer, betrachtet man den weltweiten Fleischverzehr, der nach wie vor nach oben geht, wenn auch etwas langsamer, als noch vor zehn Jahren. In den letzten 20 Jahren hatte er sich mehr als verdoppelt. Bis 2028 wird er vermutlich um weitere 13 Prozent steigen. In den USA liegt der Pro-Kopf-Verzehr im Jahr nach wie vor bei 100 Kilogramm. Eine weitere Beobachtung ist, dass der Fleischverzehr in den Entwicklungsländern steigt, während er in den Industrienationen eher zurückgeht. Das geht unter anderem aus dem aktuellen Fleischatlas3 hervor, der jedes Jahr von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wird. Sie berichtet auch, dass Geflügel einen immer größeren Anteil ausmacht. Sie stellte große Unterschiede zwischen beim Pro-Kopf-Verbrauch fest. Deutschland ist hier ein positives Beispiel. Da die EU Angst vor billigen Futtermittel- und Fleisch-Importen hat, wächst hier der Widerstand insgesamt.
Die Deutschen essen vor allem weniger Schweinefleisch
Den größten Teil des Rückgangs im Vergleich zum Vorjahr macht bei uns in Deutschland Schweinefleisch mit 1,2 Kilogramm aus. Dicht gefolgt von Rindfleisch mit 600 Gramm und Geflügelfleisch mit 200 Gramm. Vor allem der Rückgang beim Geflügelfleisch ist, im Hinblick auf die weltweite Entwicklung, beachtlich.
Die Albert Schweitzer Stiftung stellte für den Rückgang im Vergleich zum letzten Jahr unterschiedliche Ursachen fest. Zum einen scheinen die fortlaufenden Krisen das allgemeine Bewusstsein für die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums zu steigern. So erkennen immer mehr Menschen das Leid der "Nutztiere" und die Auswirkungen der industriellen Tierhaltung auf die Umwelt, das Klima und den Welthunger. Mehr als die Hälfte der Deutschen (rund 55 Prozent) bezeichnen sich heute laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)4 als Flexitarier – diese Gruppe verzichtet zumindest zeitweise bewusst auf Fleischprodukte.
Zum anderen leidet das Image der Branche durch die immer wieder vorkommenden Skandale. Die Berichte über die schlechte Behandlung der Mitarbeitenden und die Tierzucht als Ausgangspunkt für Seuchen wie die Vogelgrippe und Schweinepest sowie anschließende Massenschlachtungen fördern das Bewusstsein für Tierqual, unfaire Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung.
Weniger Fleisch durch Corona
Die weltweite Pandemie-Situation macht die schlechten Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben genauso sichtbar, wie die Gefahr von Zoonosen, die von der Herstellung und dem Konsum von Lebensmitteln tierischer Herkunft ausgeht. Hinzu kommt, dass viele Menschen in Zeiten von Lockdowns und Homeoffice wieder angefangen haben, selbst zu kochen und sich ihre Zutaten bewusst aussuchen. So gaben zum Beispiel 30 Prozent der für den BMEL Ernährungsreport befragten Personen an, seit dem Corona-Ausbruch häufiger daheim zu kochen.
Ein weiterer Grund für den Rückgang ist laut Albert Schweitzer Stiftung der spürbare demografische Wandel. Jede*r zweite Deutsche ist älter als 45, jede*r fünfte älter als 66 Jahre. Die Bevölkerung wird immer älter und ältere Menschen verändern ihre Ernährungsgewohnheiten beispielsweise aufgrund von Erkrankungen. So geht aus dem aktuellen BMEL Ernährungsreport unter anderem hervor, dass vor allem die Befragten über 60 häufig Gemüse und Obst konsumieren.
Für die Jüngeren spielen hingegen vor allem die politischen Themen eine große Rolle. Sie entscheiden sich bewusst gegen Tierprodukte, weil sie gegen Tierleid sind und etwas für das Klima tun wollen. Der Anteil der vegan Lebenden ist laut Fleischatlas in der Gruppe der 15 bis 29-Jährigen am höchsten. Die Tendenz geht dabei nach oben. Laut Albert Schweitzer Stiftung ist die Fridays for Future Bewegung maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt. Hinzu kommt, dass junge Menschen laut BMEL dem immer größer werdenden Angebot an pflanzlichen Alternativen offener gegenüberstehen.
Was die Zukunft bringt
Es sieht ganz danach aus, als wäre der Trend in Richtung weniger Fleisch in Deutschland nicht mehr aufzuhalten, während er sich global gesehen leider noch nicht durchgesetzt hat. Die weltweite Verdoppelung des Fleischverbrauchs innerhalb der letzten 20 Jahre führen die Albert Schweitzer Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung vor allem auf die Veränderung der Standards in den Entwicklungsländern zurück. Sie nähern sich den großen, westlichen Industrienationen nach und nach immer mehr an. Auch im bevölkerungsreichsten Land der Welt, China, steigt der Verbrauch pro Kopf permanent. Im Vergleich zu den USA ist er im Moment dennoch nach wie vor eher niedrig.
Zwar ist eine Entwicklung, wie die in Deutschland, eher selten, allerdings zeichnet sich auch in anderen Industrienationen wie Belgien, Dänemark, Finnland, Italien und Frankreich eine Tendenz hin zu einem geringeren Fleischkonsum ab. Daraus lässt sich ableiten, dass der Verzehr tierischer Lebensmittel zwar mit steigendem Wohlstand steigt, was jedoch in Kombination mit wachsender Aufklärung und Allgemeinbildung auch zu einem kritischen Umgang mit der Industrie führt.