"Ich möchte Beziehungen zwischen Klängen erschaffen"
Zoe Polanski über ihr neues Album "Loveloops"

Mit ihrem neuen Album "Loveloops" vertieft die Musikerin und Komponistin Zoe Polanski ihre Auseinandersetzung mit Wiederholung, Textur und emotionaler Resonanz. Bekannt für traumhafte Klanglandschaften, die zwischen Zerbrechlichkeit und Intensität balancieren, nutzt Zoe Loops zugleich als Struktur und Meditation. Dabei lädt sie ihr Publikum in eine musikalische Welt ein, die persönlich und zugleich grenzenlos wirkt.
Nach dem internationalen Erfolg ihres Debüts "Violent Flowers" zeigt sich "Loveloops" mutiger und direkter. Die Platte ist ein Wechselspiel aus schimmerndem Shoegaze, zarten Ambient-Schichten und Momenten leuchtender Melancholie. Entstanden in einer Phase persönlicher Veränderung, trägt das Album eine rohe, nach innen gewandte Reflexion in sich und öffnet dabei weite, fast filmische Horizonte.
Eine weitere Dimension erhält das Release durch ein strahlendes Remix der Ambient-Künstlerin marine eyes. Ihr klanglicher Dialog unterstreicht die Offenheit von Zoes Musik für Neuinterpretationen.
Ich habe mich mit Zoe über die Entstehung von "Loveloops", die Kraft der Wiederholung, das Arbeiten im Team und die Suche nach Signalen jenseits des Alltäglichen unterhalten.
Anne: Hi Zoe! Wie geht es Dir? Wie gefällt es Dir in Berlin? Ich habe gehört, Du bist gerade erst hergezogen!
Zoe: Mir geht es gut! Berlin ist super. Ich finde, es ist einfach irgendwie anders. Weißt Du, was ich meine? Das Tempo hier erlaubt es mir, auf eine Weise zu arbeiten, wie es vorher nicht möglich war. Ich habe mehr Raum zum Denken. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.
Anne: "Loveloops" wirkt gleichzeitig sehr nah und dennoch kosmisch. Du bewegst Dich permanent zwischen Loops, Textur und emotionaler Entladung. Das ist unglaublich spannend. Was war der allererste Impuls für dieses Album?
"Ich befand mich auf einem minimalistischen Weg"
Zoe: Nach "Violent Flowers" hatte ich eine Menge verstreuter Skizzen, aus denen ich Songs entwickeln wollte. Aber als ich "Rosemary" geschrieben habe, hat es bei mir irgendwie Klick gemacht. Mir wurde klar, dass mein Prozess, einzelne Texturen zu schaffen, diese sehr kurzen Loops, die mich faszinieren, nie wirklich aus Bausteinen bestand. Es ging immer um Form und Bedeutung. Ich war schon lange auf einem eher minimalistischen Weg. Plötzlich wollte ich das nicht länger bekämpfen, sondern ganz bewusst ausloten.
Anne: Du hast oft gesagt, dass Loops und Wiederholungen zentral für Deine Arbeit sind. Auf "Loveloops" scheinst Du sie noch stärker und unverblümter stehenzulassen. Wie kam es zu diesem Schritt?
Zoe: Ich habe erkannt, dass Loops kein Werkzeug sind, um nach außen zu schauen, sondern nach innen. Früher dachte ich, ich nutze ihn, um Songs zu bauen, etwas auszudrücken, zu erweitern. Aber während dieses Albums merkte ich: Das ist es gar nicht.
Der Loop wurde zu einer Art akustischem Spiegel, der Teile von mir selbst zurückwirft: ein inneres Prisma, mit dem ich meinen eigenen Geist erforschen kann. Es geht weniger ums Erschaffen als ums Entdecken.
Anne: Der Track "Rosemary" ist mir beim Hören besonders aufgefallen: dieses feine Auflösen eines Loops. Wie ist das Stück entstanden, und was hat es Dir persönlich bedeutet?
"Alles begann mit dem Song 'Rosemary'"
Zoe: "Rosemary" war der erste Song, bei dem ich mir gedacht habe: "Okay, das könnte ein neues Album werden." Ich habe endlos mit dem Loop gespielt und wie immer verschiedene Bass- und Gesangsideen ausprobiert. Den gesamten Suchprozess habe ich mit einem Zoom-Rekorder aufgenommen und dann nach Momenten gesucht, die herausstachen.
Als wir dann später produziert haben, hat mir mein Co-Produzent den Vorschlag gemacht, den Loop im Verlauf des Songs langsam aufzulösen. Das war perfekt. Es hat sich angefühlt, als würde ein Bild von mir selbst langsam verschwimmen. Und ich finde, das klingt ziemlich okay!
Anne: Manche Stücke wie "Symmetries" oder "Too Slow" sind von Melancholie durchzogen, während andere wie "Can I Have You" oder "Vacations" hell und shoegazig hervorstechen. Wie schaffst Du es, diese Gegensätze so perfekt auszugleichen?
Zoe: Für mich sind alle Songs beides. Die Stimmungen existieren gleichzeitig. Ich unterscheide da beim Komponieren gar nicht.
Anne: Du hast "Loveloops" während Deiner Schwangerschaft geschrieben. Hat diese Lebensphase den emotionalen Ton des Albums verändert?
"Mich hat es mehr interessiert, wo meine Grenzen liegen"
Zoe: Ich war mutiger, diese musikalische Handschrift von mir roh und minimal zu halten. Zum ersten Mal habe ich darauf vertraut: Wenn es sich in meinem Schlafzimmer vollständig anfühlt, dann ist es genau richtig so.
Die Schwangerschaft hat mich neugieriger darauf gemacht, wo meine Grenzen liegen. Ich war entspannter im Umgang mit dem, was mir fehlt, oder zumindest interessierter daran, diese Räume zu erkunden.
Anne: Du hast mal gesagt, dass Musik für Dich eine Suche nach "Signalen von einem anderen Ort" ist. Hattest Du dieses Mal auch wieder das Gefühl, Signale zu empfangen?
Zoe: Ich glaube, auf diesem Album kommen die Signale eher von zu Hause und nicht von irgendwo anders.
Anne: Kooperationen scheinen ein wichtiger Teil Deines Schaffens zu sein. Besonders mit dem Produzenten Aviad Zinemanas arbeitest Du ja inzwischen schon länger zusammen. Wie hat er den Sound und Aufbau von "Loveloops" geprägt?
"Musik ist die Konstruktion von erlebter Zeit"
Zoe: Aviad hat ein unglaublich feines Ohr und Gespür für das Material, mit dem er arbeitet. Die Aufnahmen hier sind sehr roh, aber er setzt minimale Eingriffe, die wahnsinnig viel bewirken. Ich kann ihm völlig vertrauen, dass er den Song weiterentwickelt, ohne seinen Kern zu verlieren.
Anne: Deine Songs wirken mit ihren Schichten, Loops, dem Abbau und dem Wiederaufbau oft architektonisch. Siehst Du Parallelen zwischen Komponieren und dem Gestalten physischer oder filmischer Räume, gerade weil Du auch Filmmusik machst?
Zoe: Musik ist die Konstruktion von erlebter Zeit. Früher dachte ich oft, es sei wie das Bauen eines kleinen Raums – präzise, mit genug Luft zum Atmen. Aber mittlerweile finde ich, diese physische Metapher ist zu begrenzt.
Der akustische Raum, sprich der Raum, den wir hören, funktioniert anders: Er ist nicht linear, sondern zirkulär. Es gibt Gleichzeitigkeit und keine Hierarchie. Meine Loops sind Ausdruck dieser akustischen Räume. Ich frage mich: "Wie kann die Konstruktion von Zeit diese Eigenschaften hervorbringen und Bewegung ohne Ziel, Momente, die einfach als reine Gegenwart existieren?"
Anne: Du bewegst Dich zwischen Ambient und Post-Rock. Wie navigierst Du beim Schreiben zwischen Abstraktion und Songstruktur?
"Die abstrakten Formen faszinieren mich"
Zoe: Mich zieht es immer mehr zu abstrakten Formen. Das ist schwierig, weil ich aus der Songstruktur komme. Als ich "Loveloops" vor zwei Jahren schrieb, war ich noch stärker in vertrauten Formen. Jetzt experimentiere ich mit offeneren Ansätzen. Wenn es keine Texte oder vertrauten Akkordfolgen mehr gibt, musst Du Beziehungen zwischen Klängen erschaffen, die stark genug sind, um für sich selbst zu tragen.
Anne: "marine eyes" hat Dein Werk geremixt. Wie war es, Deine Musik aus ihrer Perspektive zu hören?
Zoe: Es war so schön! Ihr Remix hat mich richtig glücklich gemacht. Ich konnte komplett spüren, dass sie mich "fühlt", weißt Du? Es war, als würde ich meine eigene Musik durch die Ohren einer Freundin hören.
Anne: Genau so habe ich Cynthia (Bernard, marine eyes) kennengelernt! Ich kann mir das sehr gut vorstellen! Habt Ihr vorher über Ideen gesprochen oder war das mehr eine Art Vertrauensspiel? Loslassen und sehen, was passiert?
Zoe: Es war reines Vertrauen! Nur so funktioniert es. Ich bin sehr dankbar, dass so großartige Musiker*innen Songs von diesem Album remixen. marine eyes, aber auch Lawrence haben "Broken Happy" komplett neu interpretiert. Ich finde es spannend, zu sehen, wie ihre Sensibilität mit meinem Material in Resonanz geht.
Anne: Die Musikblogs haben Dein Debüt "Violent Flowers" sehr gefeiert. Wie unterscheidet sich "Loveloops" für Dich als nächstes Kapitel?
"Ich denke beim Komponieren von Filmusik nie an den Film"
Zoe: Der größte Unterschied ist, dass ich mich diesmal der Wiederholung ganz hingegeben habe.
Anne: Du hast schon mit Acts wie Tame Impala und Swans die Bühne geteilt. Deine Solomusik spielt in einer ganz anderen Sphäre. Sie ist traumhaft, intim und vielschichtig. Haben diese großen Live-Erfahrungen Einfluss auf Dich gehabt?
Zoe: Es war toll, mit solchen Bands zu spielen, aber ich würde nicht sagen, dass sie meine eigene Musik stark beeinflusst haben.
Anne: Viele beschreiben Deinen Sound als ätherisch, fast filmisch. Wenn "Loveloops" ein Film wäre: Welche Geschichten oder Bilder würdest Du sehen?
Zoe: Wenn ich Filmmusik schreibe, denke ich, anders als es mir beigebracht wurde, nie an die Geschichte. Ich denke an den Raum des Films, die Textur und wie dieser Raum in mir als Zuschauerin resoniert. Ich reagiere viszeral auf Farben, Landschaften, Gesichter. Auf Körnung, Schärfe, Glanz. Ich reagiere mit Textur auf Textur. Ich verstehe Resonanz besser als Narration. "Loveloops" spielt in einem dunklen Raum zwischen Erde und Himmel. Da sind Lichter, Menschen, Leben, aber alles schwebt.
Anne: Möchtest Du in Zukunft weiterhin mit Loops und minimalistischen Strukturen arbeiten, oder bahnt sich etwas völlig Neues an?
Zoe: Mich interessieren längere, abstraktere Formen, in denen ich akustische Beziehungen gründlicher erforschen kann. Formen, die gar nicht mehr auf Songstrukturen angewiesen sind.
Anne: Herzlichen Dank, Zoe, für Deine Gedanken und Deine Offenheit! Viel Erfolg für alles, was kommt!
Zoe: Ich danke Dir! Es war wirklich schön, über all das zu sprechen.
Ihr könnt "Loveloops" schon jetzt auf Bandcamp hören. Das Album bietet Euch einen spannenden Ausflug in ein leuchtendes Klanguniversum voller zarter Emotionen und hypnotischer Loops. Meine Empfehlung habt Ihr!