Upchuck – "I'm Nice Now"
Kein sanfter Schrei

Woran denkt Ihr zuerst, wenn Ihr an Punk denkt? Ganz sicher nicht ans Flüstern und er ist ganz sicher nicht höflich. Es geht dabei um den Überlebensmodus, in dem man sich permanent befindet, wenn man ständig gesagt bekommt, dass man unwichtig ist – und trotzdem zurückschreit. Upchuck leben ihn und strahlen ihn mit jeder Faser ihres Seins aus. Auf ihrem Debüt bei Domino Records, "I'm Nice Now", sind sie kein bisschen milder gestimmt als früher. Es gibt kein Zugeständnis und keine sanftere Spielweise. Das Album ist der Klang von Wut, die zu Widerstandsfähigkeit umgewandelt wurde – Punk als Selbsterhaltung.
"I'm Nice Now", das dritte offizielle Album der Band aus Atlanta, ist weniger ein Schritt in Richtung Sanftheit als vielmehr ein Überlebenshandbuch, geschrieben voll Gitarrenfeedback und kehlkopfstarker Überzeugung. Frontfrau KT, die mit ihrer Stimme innerhalb eines einzigen Takts geübt von einem rauen Heulen zu einem rauchigen Crooning wechselt, hat diese Wut stets abrufbar bei sich. Auf "I'm Nice Now" gibt sie nichts davon auf. Ganz im Gegenteil: Sie hat sie konzentriert und zelebriert sie. Der Opener "Tired" spiegelt genau das wider. Das Stück ist ein atemloser, zweiminütiger Sprint des Widerstands im Angesicht düsterer Nachrichten. Diese Band weigert sich, den Mund zu halten! Man kann den Schweiß an den Wänden der Sonic Ranch spüren, wo Ty Segall (aka Herman) die Band live auf Band aufgenommen hat. Jedes Gitarrenriff, jeder Basston und jeder Schlag von Daniel Lanes Schlagzeug fühlen sich weniger an wie eine Studioaufnahme. Die Platte klingt viel mehr wie eine kaum zu bändigende Explosion, die sich immer weiter fortsetzt. KT gibt es selbst offen zu:
"Es gab nie einen Moment, in dem ich keine Wut empfunden habe. In dieser Welt voller Ablenkungen und Stressfaktoren ist es wichtig, Körper und Geist gesund und stark zu halten, um diesen scheinbar endlosen Kampf weiterzuführen"
13 Songs, 30 Minuten Spielzeit, Release am 3. Oktober
Mit ihrem neuen Album haben sie und ihre Band diese Wut in etwas verwandelt, das noch lebendiger ist als die Wut selbst: Widerstandsfähigkeit.
Der Song "Tired", der das Album eröffnet, wirkt wie ein gemeinschaftlicher Schrei:
"How many times I gotta tell 'em that our pockets cryin'?… How many people you gon' lie to and say you're not lyin'? And I'm tired of the darker news / And I've tried warning you / It feels right scaring you. Reliance is not defeat—it's warning shot after warning shot..."
Im Stück "Forgotten Token" konfrontiert uns KT mit Rassismus, persönlicher Trauer und Unsichtbarkeit:
"I just feel / Cuz I'm Black / It gets stacked / In a lost closet / Forgotten token."
Sie selbst sagt über das Stück
"It's just like another soft yell… You can lose things easily and not care, thinking you'll just get another one. But people aren't objects." ... "Es ist wie ein weiterer leiser Schrei … Man kann Dinge leicht verlieren und sich nichts daraus machen, weil man denkt, man bekommt einfach ein neues. Aber Menschen sind keine Gegenstände."
Diese ehrliche Mischung aus Zärtlichkeit und Konfrontation ist krass und erschütternd.
Was "I'm Nice Now" noch eindringlicher macht als die Vorgängeralben ("Sense Yourself", "Bite the Hand That Feeds"), ist die Art und Weise, wie es Upchucks Vokabular erweitert, ohne dass dabei Ecken und Kanten geglättet werden. "Forgotten Token”, geschrieben nach dem Verlust von KTs Schwester, ist verletzt und wütend, eine Totenklage, die zu einem Kampfgeschrei wird. KTs singendes Heulen bricht in ein kehliges Knurren zusammen, bevor die ganze Band den Song in einen Slow-Motion-Breakdown zieht – schön und unerschütterlich.
In "Un Momento" hat Chris Salado seinen Auftritt und bringt rohe Hoffnung mit ins Spiel:
"Dame un momento… para sufrir… para vivir… para pensar… para volar.”
("Gib mir einen Moment zum Leiden, zum Leben und zum Fliegen.")
An anderer Stelle spielen Upchuck mit Textur und Groove auf eine Weise, die sich wie ein Mittelfinger gegenüber Genreorthodoxie anfühlt. "New Case" hüpft auf einer Bassline, die so funky ist, dass sie aus einer Quincy-Jones-Session stammen könnte, bevor sie in Vergessenheit gerät. "Un Momento” und "Homenaje” rücken Schlagzeuger Chris Salgado in den Vordergrund, dessen spanischsprachige Verse mit denen von KT in einem trotzigen Frage-Antwort-Spiel kollidieren. Das Ergebnis verwässert Upchucks Punk nicht, sondern erweitert ihn, indem es Cumbia-Rhythmen, Garage-Crunch und ein Gefühl der gemeinschaftlichen Stimme einbringt, das sich nicht in eine Schublade stecken lässt.
Der Titel klingt vielleicht im ersten Moment ironisch, auf dieser Platte geht allerdings weniger um Nettigkeit als um Notwendigkeit. Wie KT es formuliert, kommt es darauf an, einen Weg zu finden, "gesund und vernünftig genug zu bleiben, um diesen scheinbar endlosen Kampf fortzusetzen". Das ist der wahre Puls von "I'm Nice Now": eine Band, die Musik macht, die schwer genug ist, um Trauer zu ertragen, wild genug, um dazu zu tanzen, und scharf genug, um die Störgeräusche der amerikanischen Scheiße zu durchdringen.
Upchuck bieten uns keinen Ausweg an. Und das ist auch nicht ihr Anspruch: Sie wollen, dass man an der schmutzigen Luft erstickt und dann trotzdem mit ihnen schreit. Das ist das Nächste, was sie an Freundlichkeit zu bieten haben. Und genau das hat die Menschheit nötig.
Das Album wurde live im Sonic Ranch Studio in der Wüste von Texas aufgenommen – mit minimalen Overdubs und maximaler Dringlichkeit. Produzent Ty drängte die Band dazu, "alle mit ihrer Performance zu erschöpfen, bis die Platte perfekt war" – ein Prozess, der es ermöglichte, dass die raue Seite der Band in jedem summenden Riff zum Vorschein kam.
Darum solltet Ihr "I'm Nice Now" unbedingt hören
Upchuck machen mit "I'm Nice Now" keine Kompromisse. Die 13 Stücke bringen uns umgewandelte Wut, verwandelten Verlust und geschärften Sound. Und es schwingt auch Hoffnung mit. Der Kampf geht weiter und ist noch nicht verloren. Freundlichkeit im zuckersüßen Sinne gibt es nicht. Die einzige Sanftheit liegt in im Anerkennen von Schmerz und der gleichzeitigen Weigerung, sich davon definieren zu lassen.
"I'm Nice Now" erscheint am 3. Oktober 2025. Vier Songs können bereits auf Bandcamp angehört werden.
Upchuck – "I'm Nice Now"
Upchuck – "Plastic"
Upchuck on tour
- 2025-09-29 – Austin, TX – Levitation
- 2025-09-29 – Dallas, TX – Ruins
- 2025-10-01 – Albuquerque, NM – Launchpad
- 2025-10-02 – Mesa, AZ – The Underground (Nile)
- 2025-10-03 – San Diego, CA – The Whistle Stop
- 2025-10-04 – San Pedro, CA – Sardine
- 2025-10-05 – Los Angeles, CA – The Echo
- 2025-10-06 – San Francisco, CA – Rickshaw Stop
- 2025-10-08 – Portland, OR – Star Theater
- 2025-10-09 – Seattle, WA – Black Lodge
- 2025-10-10 – Boise, ID – Shrine Social Club Basement
- 2025-10-11 – Salt Lake City, UT – The DLC at Quarters
- 2025-10-13 – Denver, CO – Moe's Original BBQ & Bowl
- 2025-10-15 – Chicago, IL – Subterranean
- 2025-10-16 – Detroit, MI – Third Man Records
- 2025-10-17 – Pittsburgh, PA – Bottlerocket Social Hall
- 2025-10-18 – Brooklyn, NY – Elsewhere (Zone One)
- 2025-10-20 – Philadelphia, PA – Foto Club
- 2025-10-21 – Washington, DC – DC9
- 2025-10-22 – Asheville, NC – Static Age
- 2025-10-31 – Atlanta, GA – Goat Farm
- 2025-11-04 – Birmingham, UK – Hare & Hounds
- 2025-11-05 – London, UK – Pitchfork Festival @ Village Underground
- 2025-11-06 – Leeds, UK – Wharf Chambers
- 2025-11-08 – Bristol, UK – Simple Things Festival
- 2025-11-09 – Manchester, UK – YES
- 2025-11-11 – Brüssel, BE – Brussels Botanique
- 2025-11-12 – Paris, FR – Point Éphémère
- 2025-11-13 – Amsterdam, NL – Skate Cafe
- 2025-11-14 – Hamburg, DE – Hafenklang
- 2025-11-15 – Kopenhagen, DK – Kopenhagen Loppen
- 2025-11-16 – Berlin, DE – Berghain Kantine
- 2025-11-18 – Köln, DE – Bumann & Sohn
- 2025-11-19 – Düdingen, CH – Bad Bon