Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"

Ein Cello zwischen Licht und Dunkelheit

Anne

Preview von Anne
25.08.2025 — Lesezeit: 3 min

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Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"
Bild/Picture: © Clarice Jensen

Es gibt Musik, die die Kraft besitzt, einen sofort in eine andere Welt zu versetzen. Clarice Jensens neues Album "In holiday clothing, out of the great darkness" gehört definitiv dazu. Schon der Titel (inspiriert von einem Rilke-Zitat) hört sich wie ein Versprechen an: Etwas tritt hervor aus der Dunkelheit, strahlend, in festlicher Gestalt. Und genau so fühlt es sich an, wenn man sich in Jensens Klangräume hineinziehen lässt.

Clarices Art zu komponieren ist faszinierend und ihre Kunst hat etwas Magisches. Sie nimmt ihr Cello, improvisiert, schichtet Loops übereinander, verbindet es dezent mit elektronischen Effekten. Dabei erschafft sie Klanglandschaften, die pulsieren und glühen, ohne jemals überladen zu wirken. Sie zieht mich in ihren Bann und ich schaffe es nicht, mich wieder daraus zu befreien. Auf ihrem vierten Soloalbum "In holiday clothing, out of the great darkness" geht sie sogar noch einen Schritt weiter und stellt den warmen, unverkennbaren Sound des Cellos wieder ins Zentrum. Kaum verfremdet, nur begleitet von subtilen Effekten wie Delay oder Tremolo, klingt es, als würde das Instrument direkt mit uns sprechen.

Ein tief bewegendes Album über Solitude, Klangräume und die Rückkehr zum akustischen Kern

Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"

Möglicherweise hat die besondere Tiefe dieser sechs Stücke auch damit zu tun, wo es entstanden ist. Jensen zog 2020 von Brooklyn in die stillen Berkshire Mountains. Statt ständiger Zusammenarbeit und Konzerttrubel fand sie dort Ruhe, Abgeschiedenheit und die Freiheit, den eigenen Klang neu zu entdecken. Während ihr vorheriges Album "Esthesis" noch synthetischer und urbaner klang, fühlt sich jetzt alles noch viel offener, mehrdimensionaler an. Fast wie ein Gespräch mit dem eigenen Sein, das für einen zauberhaften Moment auch uns Außenstehende zum Zuhörenden einlädt.

Clarice Jensens Nähe zu Bach ist auf "In holiday clothing, out of the great darkness" spürbar. Seine Solosuiten, die nur mit einem Cello ein ganzes Universum an Stimmen entfalten, standen für Jensen hörbar Pate. Doch sie hat diese Tradition auf ihre eigene Weise weitergeführt, indem sie die Möglichkeiten von Elektronik und Effekten vorsichtig, fast respektvoll einbindet.

Clarice Jensens Liebe zu Bach ist spürbar

Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"

Besonders schön finde ich, wie sehr das Album auch ein Nachdenken über das "Solo-Sein" selbst ist – als Künstlerin wie als Mensch. Jensen beschreibt das von ihr gewählte Zitat von Rilke als Bild für kreative Prozesse: Ideen, die im Dunkeln geboren werden und dann "in holiday clothing" hervortreten. Und genau dieses Gefühl transportiert die Musik: das Erscheinen von etwas Schönem, Klarem, beinahe Märchenhaftem aus der Stille heraus.

Aufgenommen hat sie das Ganze im Studio Richter Mahr in Oxfordshire, einem Ort, der selbst schon nach künstlerischer Inspiration klingt. Das Ergebnis ist ein Album, das man nicht nur hört, sondern erlebt. Wer sich darauf einlässt, wird von diesen Cellodrones und Klangschleifen regelrecht umhüllt – und vielleicht auch selbst ein Stückchen heller aus der Dunkelheit zurückkehren.

Auf Bandcamp könnt Ihr jetzt bereits die ersten beiden vorausgekoppelten Songs "From A to B" (Track 2) und "Unity" (Track 6) hören. Das komplette Album "In holiday clothing, out of the great darkness" erscheint am 17. Oktober 2025.

Clarice Jensen – "In holiday clothing, out of the great darkness"

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