Trainer – "Oh Mandy"

"Es war ein langer Weg und das Ergebnis fühlt sich fantastisch an!"

Anne

Interview von Anne
18.07.2025 — Lesezeit: 6 min

Trainer – "Oh Mandy"
Bild/Picture: © Trainer

Trainer machen keine Musik, die man einfach so mal eben nebenbei hört. Das zweite Album der Band aus Saarbrücken hat es in sich. "Oh, Mandy!" rennt, kracht und treibt und bleibt dabei niemals hängen. Trainer haben keine Kompromisse gemacht und mit den 14 Songs auf der Platte pure Energie in Musik umgewandelt. Kurz vor dem Release hatte ich die Gelegenheit, Trainer zu interviewen. Wir haben uns unter anderem über Lautstärke und Widersprüche unterhalten und ich habe erfahren, warum ihr Sound so gut ohne Bassgitarre auskommt.

Anne: Hi, wie geht's? Wie ist Euer Tag bis jetzt? Das Album ist fertig und ist ab dem 8. August verfügbar. Wie fühlt es sich an?

Martin: Es fühlt sich großartig an, endlich das fertige Ergebnis zu sehen und zu hören; noch dazu, weil alles, von den Songs über den Sound bis hin zum Cover, so geworden ist, wie es – anfangs noch sehr diffus – beabsichtigt war.

Dietmar: Es fühlt sich fantastisch an. Es war ein langer Weg – auch aufgrund persönlicher Umstände – und richtig viel Arbeit. Aber das erste Feedback, das wir erhalten, ist super.

Christoph: Es ist immer toll, wenn man einen physischen Tonträger in den Händen halten kann.

Anne: "Oh Mandy!" klingt wie eine Mischung aus Liebesbrief, Warnsignal und Kneipenklopperei. Wollt Ihr mir verraten, wer Mandy ist?

Mandy im Taxi und der Nebel der Stadt

Trainer – "Oh Mandy"Trainer – "Oh Mandy"

Dietmar: Martin hatte für den Song Mandy die einleitenden Lyrics mitgebracht. Da fällt der Name Mandy und es geht um ein Taxi, Nebel und eine Stadt. Wie er darauf kam? Keine Ahnung. Das war jedenfalls das Sprungbrett für den Rest. Inhaltlich ist der Song eine Hommage an die wunderbare und eigenwillige deutsche Künstlerin Hanne Darboven, die eine Zeit lang in New York gelebt hat. Das passt ja zu Stadt, Nebel und Taxis.

Anne: Der Sound auf der Platte steht im Kontrast zum niedlichen Albumtitel. War Euch dieser Gegensatz wichtig – oder hat sich das einfach ganz von allein so ergeben?

Fabsman: Den Sound gab's ja schon, einen gleichnamigen Song auch – und wegen der Assoziationen fanden wir den auch als Albumtitel gut.

Dietmar: Das ist natürlich etwas, mit dem wir gerne spielen. Brüche, Kontraste, falsche Fährten, doppelte Böden, lose Assoziationen. Da wird's für uns spannend. Wir sind niemandem verpflichtet und schon gar nicht der Idee, "das Richtige" tun zu müssen. Nachdem der Titel "Mandy" da war, war schnell klar, dass es der Titelsong für das Album sein sollte. Da waren wir uns alle schnell einig.

Anne: Ihr habt, wie auch schon beim ersten Album, auf den Bass verzichtet. Wie kommt's?

Dietmar: Christoph wollte lieber Gitarre spielen.

Christoph:: Das stimmt. Es hatte aber auch damit zu tun, dass ich dachte: Je mehr Leute, desto komplizierter die Orga mit Proben.

Martin: Diese Besetzung gibt uns kreativen Freiraum, um vom gewohnten Einsatz der "Rockgitarre" abweichen zu können. Es klingt spröde, manchmal ungewohnt und dann auch irgendwie unfertig und offen. Und vor allem: Es lässt Raum und Luft. So entsteht sowas wie Noiserock-Kammermusik. Ein Gitarren-Schlagzeug-Gesangs-Quartett.

Anne: Wenn Ihr im Studio seid und Songs aufnehmt: Was muss passieren, damit ihr sagt: "Ja, genau das behalten wir so!"? Ist immer alles so geplant, wie es zum Schluss auf der Platte ist, oder gibt es diese ganz besonderen, kleinen spontanen Überraschungsmomente?

"Wir entscheiden immer gemeinsam, welche Takes wir behalten"

Fabsman: Die Songs sind so gut wie fertig strukturiert, bevor wir ins Studio gehen. Sie werden bis auf einige Overdubs – die teils im Vorfeld feststehen, teils erst danach entwickelt werden – auch live eingespielt. Manchmal klappt das beim ersten Take, manchmal braucht es etwas Zeit – und weil die leider immer zu knapp ist, kann es sein, dass ein Song nicht so ausfällt, wie wir ihn uns vorgestellt haben, weshalb er es dann auch nicht aufs Album schafft. Die Entscheidung, welchen Take wir nehmen, treffen wir dann gemeinsam. Wenn alles so klingt, wie wir es uns vorstellen, ist er gekauft. Martin sorgt dann gerne mit kurzen Etüden für die eine oder andere Überraschung auf dem Album (grinst).

Dietmar:: Wie beim letzten Album waren die Instrumentalisten zunächst allein im Studio und haben Material aufgenommen. Da passiert's, dass da Sachen entstehen, die ich noch nicht kenne. Der Gesang wurde separat aufgenommen. Bei der aktuellen Platte habe ich es sogar selbst versucht. Da war im Recording-Prozess teilweise noch viel Kreativarbeit erforderlich, weil bei einigen Songs die Vocals noch gar nicht ausdefiniert waren, obwohl die Instrumentalparts schon standen.

Anne: Woran merkt ihr, dass ein Song fertig ist?

Dietmar: Wenn Martin das sagt.

Christoph: Wenn wir ihn zehn Mal gespielt haben und uns nicht noch was Neues dazu einfällt.

Martin:: Keine Ahnung!

Anne: Manche Bands scheinen sich für immer auf der Suche nach der perfekten Harmonie zu befinden. Dass Ihr Euch eher auf das Gegenteil zu fokussieren scheint, gefällt mir sehr. Entsteht dieses fantastische Gefühl von "Chaos" aus Emotionen heraus?

"Wir bewegen uns gerne außerhalb klassischer Song-Strukturen"

TrainerTrainer

Fabsman: Ja, durchaus. Anders könnte ich gar nicht ans Musikmachen herangehen. Und mir gefällt, dass selbst in negativen Kritiken auf die Atmosphäre eingegangen wird, die unsere Musik erzeugt. Das zeigt mir, dass wir nichts falsch gemacht haben. Am Schlimmsten fände ich die Aussage, unsere Musik sei beliebig oder gefällig

Dietmar: Ich glaube, wir haben alle Freude daran, Strukturen und Harmonien etwas außerhalb klassischer Songs auszuloten. Wobei wir unsere Songs gar nicht als so wild empfinden. Da gibt es sicher wildere und weirdere Künstler*innen. Und wir achten darauf, dass das Ganze noch irgendwie, zumindest für uns, hörbar bleibt und nicht in Freejazz ausartet. Emotionen spielen dabei eine starke Rolle. Aber eher unterbewusst. Wir alle mögen Musik, die kratzt und beißt.

Martin:: Ja, wir suchen keine Harmonie, sondern arbeiten an einer Art Balance, die aber immer wieder unkontrolliert aus dem Ruder gerät. Und ja, dieses Chaos entsteht aus Emotionen, ohne Emotion ist unsere Musik ja gar nicht denkbar.

Anne: Ihr lasst Euch von den unterschiedlichsten Stilrichtungen inspirieren – von Garage über Noise und Hardcore bis No-Wave. Gibt es Künstler*innen, die Euch besonders geprägt haben?

Fabsman: Was Bands angeht: Viel zu viele, um sie alle aufzuzählen – und es kommen ständig neue hinzu. Als Schlagzeuger: Phil Puleo, Robo, Bill Stevenson, Clem Burke, Peter Behrens, Klaus Dinger, John Bonham und Ringo Starr.

Christoph: Ich mag ja Name-Dropping: Hüsker Dü, Frank Zappa, Party-Diktator, Metallica (die ersten vier Platten), Big Black oder auch Tom Waits.

Dietmar:: Die Liste ist endlos und sehr breit gefächert. Und jede Woche kommen neue Einflüsse dazu. Es gibt da nicht den einen großen Einfluss, dem wir alle folgen. Wir haben alle eine sehr offene Einstellung und entdecken regelmäßig neue Künstler*innen, die uns nachhaltig beeindrucken. Nicht alle von uns gleichermaßen, aber ein bisschen was fließt immer mit ein. Und wir tauschen uns über solche Entdeckungen auch gerne aus. Wir waren kürzlich zusammen auf einem Konzert von Cassels und Pure Adult. Das war sehr inspirierend.

Martin: Terry Kath und auch die Bläsersätze auf den ersten Platten von Chicago. Viel von dem, was ich spiele, ist von solchen Bläsersätzen beeinflusst. Dann Swans, Keiji Haino, Arvo Pärt, Miles Davis, Steve Albini, U.S. Maple, Lake Of Dracula, Gang Of Four, Bill Orcutt. Aber auch ganz viele Künstler*innen aus dem Bereich der Bildenden Kunst.

Anne: Gibt für Euch so etwas wie ein musikalisches Tabu?

"Wir möchten nichts machen, das beliebig, belanglos und gefällig ist"

Fabsman: Alles, was beliebig, belanglos und gefällig ist.

Dietmar: Viele! Wir sind sehr picky! Andererseits: Wenn man das Tabuthema durch den Wolf drehen kann und was Cooles dabei rauskommt: auch gut.

Martin: Nö! (überlegt) Doch, so Achtzigerjahre-Saxophonsoli wie bei Rod Stewart oder Marius Müller-Westernhagen.

Christoph: Witzig, dass hier jeder was anderes sagt. Bei mir wäre Reggae das Tabu!

Anne: Wenn Ihr eine Sache auf der Welt grundlegend verändern könntet. Was wäre es und warum?

Dietmar:: Dass die Menschen Lügnern, Blendern, Wichtigtuern und Egomanen keinerlei Beachtung mehr schenken. Damit wäre sehr vielen Menschen sehr geholfen.

Martin: Es wäre unweigerlich zynisch bei all dem Leid und all dem Hass in der Welt, wenn man die Macht, eine einzige Sache ändern zu können, dann eben genau für diese eine Sache einsetzen müsste und für hundert andere, die genauso wichtig wären, gerade das nicht könnte. Aber wenn die Menschen achtsamer, respektvoller und friedlicher wären, wäre schon verdammt gut.

Christoph: Alles, was man jetzt sagt, klingt total hippiemäßig, aber keine Kriege wären schon fantastisch.

Anne: Wie geht es weiter, wenn "Oh Mandy" draußen ist?

Fabsman: Hoffentlich mit einer Einladung zu Burning Man, Primavera, Glastonbury und nach Japan.

Christoph: Wir spielen danach noch in Berlin, Saarbrücken und Stuttgart. Wäre toll, wenn noch andere Städte dazukämen. Falls das hier Veranstalter*innen lesen: Wir sind super pflegeleicht!

Dietmar: Wir hoffen, gut. Es wäre toll, wenn das Album und die positive Kritik uns ein paar mehr Shows ermöglichen würden. Das ist momentan sehr schwer für Bands wie uns. Das ist alles mittlerweile sehr durchprofessionalisiert und für Leute wie uns gibt es immer weniger Raum.

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