Forgotten in Progress
"Unser Aktivismus möchte den Menschen nichts aufzwingen"
Interview von Anne
06.05.2025 — Lesezeit: 5 min

In einer Zeit, in der oft zu wenig hingesehen und zu viel hingenommen wird, erheben Forgotten in Progress lautstark ihre Stimmen. Mit ihrer Mischung aus harten Riffs, klarer Haltung und echtem Engagement für Tier- und Umweltschutz schaffen sie es, Kunst und Aktivismus auf beeindruckende Weise zu verbinden. In ihren Songs verbinden die Österreicher ganz elegant Klang mit Haltung und laden alle dazu ein, mitzumachen und etwas zu verändern.
Mit eindringlichen Tracks wie "Killing Floor" zeigen Forgotten in Progress, wie gut sich musikalische Wucht und gesellschaftspolitische Relevanz ergänzen und zu einer kraftvollen Einheit formen lassen. Die Band engagiert sich aktiv in der veganen und Tierrechts-Community und unterstützt unter anderem Sea Shepherd Austria1. Dabei steht für FIP nicht nur das Was, sondern vor allem das Wie im Mittelpunkt: Mit ihrer Authentizität, Tiefe und einem unerschütterlichen Idealismus sind sie zu einem festen Bestandteil der aktivistischen, deutschsprachigen Metal-Szene geworden.
Ich freue mich riesig, Euch heute mein Interview mit Forgotten in Progress zu präsentieren. Wir haben uns über Musik und Aktivismus ausgetauscht und darüber, wie Metal helfen kann, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Anne: Hi! Schön, dass Ihr da seid!
Andi, Karl, Mathias, Lukas: Hallo, schön hier zu sein!
"Wir müssen einfach auch musikalisch darauf hinweisen, was auf der Welt gerade los ist!"
Anne: Eure Musik lebt von Euren kraftvollen Botschaften. Wie gelingt es Euch, komplexe gesellschaftliche Themen wie Krieg und Umweltzerstörung in Songs wie "Killing Floor" musikalisch zu verarbeiten?
Karl: Du brauchst eigentlich nur den Fernseher einzuschalten. Aber das ist scheinbar heutzutage nicht genug, wir müssen auch musikalisch darauf hinweisen.
Mathias: Alleine der Einstieg ist schon der Appell: "This is not what we want".
Anne: "Killing Floor" ist eine eindringliche Anklage gegen Krieg und Umweltzerstörung. Wie ist das Stück entstanden? Gibt es einen bestimmten Moment, der Euch dazu inspiriert hat?
FIP: Das stammt eigentlich aus Karls Feder, und es war kein spezielles Momentum. Es war ongoing sozusagen aus dem Affekt der gesellschaftlichen Ereignisse der letzten Jahre, was zu diesem Song führten.
Anne: Ihr habt früher in Stücken wie "Fight" und "December" schon gesellschaftliche Kritik und Selbstreflexion thematisiert. Wie hat sich Euer thematischer und musikalischer Fokus im Laufe der Zeit entwickelt?
Mathias: Thematisch sind wir uns großteils von Anfang an eigentlich immer treu geblieben. Durch Sea Shepherd hat unsere Musik nun auch mehr Relevanz zum Thema Umwelt und Tier- bzw. Meeresschutz.
Andi: Unsere Songs sind auch etwas erwachsener, wenn ich auf den Anfang zurückschaue.
Karl: Im Hinblick auf Selbstreflexion hat jeder von uns persönliche Themen auf die eine oder andere Weise verarbeitet.
Anne: Ihr sprecht davon, dass Eure Songs zum Hinschauen und Handeln auffordern. Wie wichtig ist es Euch, dass Musik über reines Entertainment hinausgeht?
Andi: Natürlich sollte Musik immer eine Form der Unterhaltung sein, damit man der Realität entflieht, aber genau da können wir die Menschen abholen und ihnen sagen, schaut nicht weg, engagiert Euch.
Mathias: Mittlerweile ist Social ohnehin nur mehr reines Entertainment im Dauerfeuer. Es ist allgegenwärtig. Wenn man beispielsweise mit Musik die Aufmerksamkeit gewinnt, dann gelingt es auch, die Leute aus ihren Rabbit Holes zu holen, wenn auch nur für kurz.
Anne: Ihr nutzt auch Eure Auftritte, um Eure Botschaften zu vermitteln und das Publikum zum Nachdenken anzuregen. Ich habe mich jetzt schon mit einigen Bands unterhalten und die Meinung dazu ist sehr geteilt. Die einen machen es wie Ihr, die anderen halten Ihren Aktivismus lieber im Hintergrund und vermitteln die Themen "verdeckter" zum Beispiel als Teil Ihrer Lyrics. Wie denkt Ihr darüber und wie kam es zu der Entscheidung, damit nicht hinter dem Berg zu halten?
"Wir möchten Menschen zum Nachdenken einladen"
FIP: Wir glauben, dass unsere Form des Aktivismus den Leuten nichts aufzwingt. Es lädt ein, die Menschen darauf hinzuweisen und nachzudenken. Im schlimmsten Fall haben unsere Songs den Leuten einen schönen Abend bereitet.
Andi: Wir machen es nur nicht militant, da das eher Leute abschreckt. Aber im Hintergrund würde der Aktivismus unserer Meinung nach eher untergehen.
Anne: Dann würdet Ihr auch sagen, dass Euer Engagement für Tierrechte, Umweltschutz und Gerechtigkeit Euren kreativen Prozess – zum Beispiel beim Songwriting – beeinflusst?
Andi: Ja, absolut.
Anne: Andreas, Du lebst seit einigen Jahren vegan. Hat sich dadurch Deine Perspektive auf die Musik und den Aktivismus (und die Verknüpfung von beidem!) verändert?
Andi: Es war eher ein schleichender Prozess. Das geschah nicht von heute auf morgen. Angefangen hat es durch Sport und nach und ich begann mich auch mit den Hintergründen zu beschäftigen und habe auch dadurch tolle Leute kennengelernt, die in diesen Bereichen aktiv sind. Zum Beispiel die Muuhshen Crew, die regelmäßig eigene kleine Events machen und Spenden sammeln für Tiere in Not. Durch sie sind wir auch zu Sea Shepherd gekommen und das hat den Ball ins Rollen gebracht.
Anne: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit Aktivismus meist am weitesten kommt, wenn man Informationen weitergibt, ohne dabei belehrend zu wirken. Das kann eine echte Gratwanderung sein. Würdet Ihr sagen, dass sich Musik besonders gut dafür eignet, politische, gesellschaftskritische und vegane(!) Messages zu verbreiten?
"Musik ist eine Sprache, die alle Menschen verstehen"
Andi: Musik ist mehr als ein Medium. In meinen Augen ist sie eine Sprache, die alle verstehen. Daher würde ich sagen, es eignet sich sehr gut.
Anne: Welche Reaktionen erhaltet ihr von Eurem Publikum auf Eure tierrechtlichen Botschaften? Ich kann mir vorstellen, dass Ihr schon so einige zum Nachdenken gebracht habt.
Lukas: Bei uns seit dem letzten Release bekamen wir einige Nachrichten online, wo wir Feedback bekamen, wie toll sie es finden, dass wir die Dinge ansprechen, wie sie sind, und nichts beschönigen oder hinter irgendwelchen Floskeln verstecken.
Anne: Begegnen Euch auch hin und wieder Hindernisse, wenn es um die Verbindung von Aktivismus und Musik geht?
Andi: Bis jetzt kam es nur online vor, wo es schon als Cringe bezeichnet wurde oder man uns blockieren sollte.
Anne: Wie geht Ihr mit Kritik oder Missverständnissen bezüglich Eures Engagements für Tierrechte um?
Andi: Das gibt uns Bestätigung, dass die Musik die Leute erreicht und wir alles richtig machen.
Mathias: Klarerweise kannst Du nicht alles erreichen, aber wenn Du einen zum Nachdenken anregst, ist es nur ein Gewinn.
Anne: Plant Ihr, in Zukunft in Euren Songs noch stärker auf diese Themen einzugehen?
Karl: Per se planen ist schwierig, weil vieles eine Momentaufnahme ist und einiges sich auch in der Lebenssituation von einigen von uns widerspiegelt. Wir verarbeiten auch Persönliches. Aktivismus wird immer ein Teil unserer Musik sein und ein wichtiger Bestandteil, aber wir nutzen es auch, um Dinge zu verarbeiten.
Anne: Ihr seid offizielle Support-Artists von Sea Shepherd Austria. Wie kam es zu dieser grandiosen Zusammenarbeit, und was bedeutet sie für Euch als Band?
Lukas: Wie schon erwähnt, der kennt den und der kennt den. Wie das Schicksal manchmal so spielt (grinst). Wir fühlen uns geehrt, gemeinsam mit anderen Musiker*innen mit Musik einen Beitrag leisten zu können.
Anne: Wie gestaltet sich Eure Kooperation mit Sea Shepherd konkret? Gibt es gemeinsame Projekte oder Aktionen, die Ihr umsetzt?
Andi: Sie begleiten die Artists immer wieder auf Konzerte, wo sie an ihrem Stand Informationen an die Leute verteilen und auf den Meerschutz aufmerksam machen. Ein gemeinsames Projekt ist derzeit im Entstehen, aber benötigt noch etwas Zeit, so viel vorweg, da kommt etwas Tolles dabei herum.
Anne: Welche Herausforderungen seht Ihr in der Verbindung von Musik und aktivistischem Engagement, und wie meistert Ihr sie?
"Wir sollten auch die schönen Dinge zu schätzen wissen"
Andi: Ich denke, eine wesentliche Herausforderung ist, dass wir es niemals allen recht machen können. Jeder hat seine Bubble und ist anders geprägt.
Anne: Wie sehen Eure Pläne für die nächste Zeit aus?
Lukas: Es stehen Konzerte, Festivals und weitere Releases an, wie auch Musikvideo-Produktionen.
Anne: Welche Botschaft würdet Ihr an dieser Stelle gerne mit meinen Leser*innen teilen?
FIP: Auch wenn wir mit unseren Songs auf viele negative Dinge aufmerksam machen, darf man nicht vergessen, sich die schönen Dinge im Leben in Erinnerung zu rufen und diese genauso zu schätzen.
Anne: Danke für das Interview! Es hat mich sehr gefreut, Euch endlich mal ganz persönlich kennenzulernen. Alles Gute für Eure Pläne. Lasst uns unbedingt in Kontakt bleiben.
FIP: Vielen lieben Dank!