Oatly stiehlt der Milchlobby die Show
Die Gegenveranstaltung zur Gratis-Milcheis-Party vor dem Weißen Haus
Auch, wenn das Bild langsam zu bröckeln beginnt, wie Knochen, denen Kalzium entzogen wird1, ist die Milchlobby nach wie vor stark. Das liegt natürlich, vorwiegend an ihren finanziellen Mitteln, mit denen sie es nicht nur schafft, die Menschheit mit ihrer Dauerwerbung à la "Die Milch macht's!" zu beschallen. In den USA findet jährlich eine Gratis-Milcheis-Party vor dem Weißen Haus statt. Doch dieses Jahr gab es einen Überraschungsgast. Die schwedische Hafermilchmarke Oatly parkte mit einem Foodtruck gegenüber am Randstein und startete kurzerhand eine Gegenveranstaltung.
Oatly sorgt zwar immer wieder mit seinen Guerilla-Werbeaktionen für Schlagzeilen, doch mit dieser Aktion hat die Brand ein neues Level erreicht. Damit erntete sie nicht nur unter Veganer*innen frenetischen Applaus.
Hafereis ist noch viel cremiger – und tierleidfrei!
Oatly. Bild/Picture: © Wikimedia Commons
Die International Dairy Foods Association (IDFA) veranstaltet ihre Eisparty seit 1983 – Zeit, das Traditionsevent endlich mal ordentlich aufzumischen und den Menschen zu präsentieren, wie lecker, tierleidfrei, klimaschonend und gesund schmeckt, dachte sich Oatly.
Die Aktion war ein voller Erfolg. Zahlreiche Neugierige versammelten sich vor dem Foodtruck und das vegane Eis erfreute sich großer Beliebtheit. Die Nachricht verbreitete sich zudem natürlich wie ein Lauffeuer und Oatly konnte damit sicher zahlreiche neue Fans gewinnen.
Klimaschutz durch Hafermilch
Mit dem Eis-Truck sollte vordergründig eine breitere Diskussion über die Klimakrise und die Rolle, die unter anderem die Milchlobby darin spielt, angestoßen werden. Experiment gelungen, könnte man sagen – in den USA berichteten am Tag danach zahlreiche Nachrichteoutlets von dem ungebetenen Gast mit dem "anderen Eis".
Oatly Public Affairs Managerin Pearson Croney-Clark fand gegenüber der Presse folgende Worte zur Guerilla-Aktion:
"Wir sind auf den Capitol Hill gegangen, um den jahrzehntelangen Einfluss von Big Dairy auf unsere Regierung und damit auf das amerikanische Volk aufzudecken"
Auf dem grellgelben Truck mit der riesigen Eistüte auf dem Dach prangten in den typischen breiten Oatly-Lettern die provokativen Worte "Dairy Deprogramming Zone – Delicious Liberation from Dairy Propaganda!" (Molkerei–Deprogrammierungs-Zone – die leckere Befreiung von der Milchpropaganda). Die Stände der IDFA-Party mit ihren Fähnchen rückten vor dem Anblick dieses Paradiesvogels von einem Eiswagen in den Hintergrund. Dem Wunsch veganer Aktivist*innen, endlich eine kritische Einordnung des Einflusses der Milchindustrie auf die Entscheidungen der Regierungen von Industriestaaten und die öffentliche Wahrnehmung zu verbreiten, könnte uns die Aktion einen bedeutenden Schritt näher gebracht haben. Direkt vor dem Regierungssitz der USA, mit Fernsehteams in jeder Ecke, lässt sich ein derartiger Einsatz einfach ziemlich schlecht in den Hintergrund schieben.
Geld fließt in die Milchindustrie statt in den Klimaschutz
Oatly. Bild/Picture: © C. Can Pack Swire
Einer der Hauptgründe für den steigenden Unmut in der veganen Klimaschutzbewegung ist die Tatsache, dass nach wie vor Geld in die Milchindustrie gesteckt wird. So gab etwa das sogenannte Dairy Checkoff-Programm in den USA zwischen 2016 und 2022 rund 1,6 Milliarden Dollar für Marketing aus. Bei dem Programm handelt es sich um einen USA-weiten Zusammenschluss von Milchprodukten, Ernährungserziehung(!) und Forschung.
Durch die schier unfassbaren Summen an Geld, die nach wie vor (auch bei uns!) in die Milchindustrie und ihren Erfolg fließen, wurde über die Jahrzehnte auch die öffentliche Meinung und das Verständnis im Umgang mit Milchprodukten geprägt. Wissenschaftliche Fakten, wie die Tatsache, dass sie der Gesundheit nicht zuträglich sind, für ihre Gewinnung täglich massenhaft Tiere ausgebeutet werden und wir unsere Klimaziele nicht erreichen können, wenn weiter Geld in derartige Industrien fließen, werden hingegen weiterhin erfolgreich verdrängt.
Oatly möchte auf Missstände hinweisen
Oatly möchte da nicht mitmachen. Pearson Croney-Clark äußerte sich wie folgt zur Klimathematik:
"Der negative Einfluss, den die Milchindustrie auf unser Klima hat, darf nicht ignoriert werden. Die Wissenschaft hat klar bewiesen, dass wir die Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen aus dem Pariser Klimaabkommen nur erreichen können, wenn wir aufhören, Produkte wie Fleisch und Milch zu konsumieren."
Statements auf dem Oatly Ice Cream Truck verdeutlichten diese Worte. So stand dort unter anderem:
"Für die Herstellung einer Gallone Milch in den USA werden 144 Gallonen Wasser benötigt, wobei mehr als 93 Prozent dieses Wassers für den Anbau von Futtermitteln für Milchvieh verwendet werden. Zum Vergleich: Für die Herstellung der Pflanzendrink von Oatly werden 80 Prozent weniger Wasser benötigt."
"Wir wollen die Belastung der Erde durch Milch beenden!"
Oatly im Regal bei Ikea.
Oatly setzt sich seit seiner Gründung für einen klimaschonenden Umgang mit Lebensmitteln ein. Auch Pearson Croney-Clark ist überzeugt:
"Der Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte ist eine der einfachsten Möglichkeiten unsere Klimabilanz als Individuen. zu verbessern. Da jedoch die Milchlobby die Auswirkungen ihrer Produkte nicht transparent macht, verstehen viele Menschen nicht die wahre Rolle, der Branche in unserer Klimakrise."
Oatly möchte Hafermilchmarke daher nicht ausschließlich seine Produkte weltweit bekannt zu machen – auch, wenn Aktionen, wie die mit dem Eis-Truck, natürlich dazu beitragen. Das Klima und die Umwelt bleiben dabei immer im Fokus und das erklärte Ziel lautet, die Belastung des Planeten durch Milch in den nächsten zehn Jahren zu beenden. Einen guten Anfang hat die schwedische Hafermilchbrand auf jeden Fall gemacht und wir dürfen gespannt sein, was als Nächstes kommt. Ich lasse mir jetzt auf jeden Fall erst mal meinen Iced Latte mit Haferdrink schmecken – hm, ist der cremig! 😍
- In wissenschaftlichen Studien haben Forschende herausgefunden, dass Milch den Knochen auf Dauer Kalzium entzieht. Besonders im Alter ist das gefährlich und steigert unter anderem das Osteoporose-Risiko (Es ist in den Ländern, mit den größten Milchkonsum am höchsten). Das hängt unter anderem mit dem tierischen Protein zusammen, das zu Übersäuerung führen kann – der Körper versucht das mit Kalzium auszugleichen und es kann zu Karies, brüchigen Knochen, Muskelübersäuerung und sogar zu Herzrythmusstörungen und Herzmuskelproblemmen kommen. BMJ Research: "Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies"↩