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    Pferdeblut in der Pharmaindustrie

    Die grausame Realität auf den Blutfarmen

    Beitrag von Anne
    21.11.2022 — Lesezeit: 4 min
    Pferdeblut in der Pharmaindustrie
    Bild/Picture: © Wikimedia Commons

    Tierrechtsaktivist*innen berichten immer wieder von Pferdeblutfarmen in Ländern wie Uruguay und Argentinien. Dort werden trächtige Pferde grausam gequält, um an ihr Blut zu kommen. Doch die wenigsten wissen, was auf den Farmen genau passiert.

    Hinweis: Diesen Artikel habe ich bereits 2015 veröffentlicht. Weil das Thema an Brisanz nicht verloren hat und diese grausame Praxis nach wie vor praktiziert wird, habe ich ihn mit weiteren Details und neuesten Erkenntnissen angereichert und teile ihn heute erneut.

    Das Blut von trächtigen Pferden gilt in der Pharmaindustrie als wertvoller Rohstoff. Mit dem darin enthaltenen Schwangerschaftshormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) kann unter anderem die Zucht von Ferkeln beschleunigt werden.

    In einer zehnminütigen Prozedur wird den Stuten Blut entnommen. Ein Mensch steckt ihnen zuvor eine große Nadel mit einem Schlauch in den Hals. Weil die Tiere dabei so viel Blut verlieren, brechen viele von ihnen zusammen. Für die Qualen, die sie durchleiden, scheint sich jedoch keiner zu interessieren.

    Bereits 2015 filmte das Team der Tierrechtsorganisation Animal Welfare Foundation1 auf einer argentinischen Pferdeblutfarm über fünf Stunden lang eine komplette Blutentnahmesequenz. Mehreren der 350 Stuten wird während der Misshandlungen mit Holzprügeln ins Gesicht geschlagen. Allein Animal Welfare besitzt rund 30 Minuten Filmmaterial, die ausschließlich derartige Prügel-Szenen zeigen. Die Pferde werden verprügelt, um sie nach dem Abzapfen ihres Blutes wieder zu vertreiben.

    Tierausbeutung auf Blutfarmen

    Als weltmarktführendes Unternehmen für den Export von Pferdeblut-Produkten gilt die Firma Syntex. Sie hält zu diesem Zweck tausende von Stuten. Sie werden so häufig wie möglich befruchtet, denn nur, wenn sie schwanger sind, kann ihnen das wertvolle Blutserum abgezapft werden, aus dem anschließend das PMSG extrahiert wird.

    Pharmafirmen aus über 25 Ländern zählen zu den Beziehenden, sie stellen daraus vor allem Hormonpräparate für die Ferkelzucht her. Die größten Abnehmenden sitzen in den EU-Ländern – auch in Deutschland.

    Das Geschäft mit dem Stutenhormon ist mangels Gesetzen nicht kontrollierbar. Die Fohlen werden abgetrieben oder sterben durch die Anämie der Stuten während der Tragzeit. Die ausgemergelten Stuten befinden sich in einem endlosen Kreislauf aus Ausbeutung, Folter und Zwangsbefruchtung.

    Pferdehormone in der Ferkelzucht

    Dünnes Pferd
    Dünnes Pferd

    Bei der Ferkelzucht werden die PMSG-Präparate zur Brunststimulation eingesetzt. Der Zyklus der Sauen verkürzt sich durch die Gabe. Rund 95 Prozent der behandelten Schweine können dadurch kurz nach dem Wurf schon wieder brünstig und damit wesentlich schneller wieder schwanger werden.

    Es ist ein schmutziges Geschäft, das es leider bis heute nicht komplett ans Licht der Öffentlichkeit geschafft hat. In seiner Grausamkeit ist es kaum zu überbieten. Höchste Zeit, dem einen Riegel vorzuschieben und so schnell wie möglich die notwendigen Gesetze zu verabschieden.

    Den neuesten Investigationen der Animal Welfare Foundation von 2021 und 2022 zufolge, hat sich seit 2015 nichts zum Besseren bewegt. Weil Tierschutz auf den Pferdeblutfarmen keine Priorität hat und es bis heute keine Regelungen gibt, geht das grausame Geschäft hinter den Mauern dieser Einrichtungen ungebremst weiter.

    Die Blutfarmen in Uruguay und Argentinien verletzen weiter Tiere und beuten sie bis zum letzten Blutstropfen aus. Hinzu kommt die extreme Abtreibungspraktik auf den Farmen. Sabrina Gurtner von der Animal Wellfare Foundation beschreibt das gegenüber der Eurogroup for Animals so:

    "Die Fohlen sind ungewollt, darum werden sie abgetrieben. Viele Stuten überleben die sehr spät durchgeführten und groben Abtreibungen um den 110. Tag ihrer Tragezeit nicht."

    Nachsorge für die Tiere gibt es keine. Die geschwächten und schwer verletzten Pferde werden einfach sich selbst überlassen.

    Bis zum letzten Blutstropfen

    Laut AWF werden den tragenden Pferden 12 Tage lang Blut pro Woche rund zehn Liter Blut entnommen. Anschließend werden ihre Fohlen abgetrieben, wenn die Stuten sie durch den starken Blutverlust noch nicht verloren haben. Die durchlaufen diesen Prozess pro Jahr zweimal – bis an ihr Lebensende.

    Ein kleiner Erfolg ließ sich zumindest zwischendurch in Europa verzeichnen. Neben AWD berichtete auch der Tierschutzbund Zürich2 2015 über die Blutfarmen. Einige europäische Pharmafirmen, die große Zuchtanlagen mit Pferdehormonen belieferten, stoppten daraufhin den Import aus Südamerika. Syntex versucht es jedoch weiterhin, den Markt zu erobern.

    Nachdem das Thema 2015 und erneut 2018 durch die Presse gegangen war, firmierte das Unternehmen mit seinen PMSG-Produkten kurzerhand um und gründete unter dem Namen Syn Vet-Pharma eine neue Firma mit Sitz in Irland. Das Zulassungsverfahren zur erneuten Belieferung der EU-Länder ist derzeit in vollem Gange. Irland, Deutschland, Frankreich und Spanien haben ihre Genehmigungen bereits erteilt.

    Die grausame Pferdeblut-Industrie sucht sich neue Wege

    Ein Zusammenschluss aus 14 Tierrechtsorganisationen hat sich mit der Eurogroup for Animals zusammengetan, um die EU-Kommission von einem endgültigen Pferdeblut-Bann3 zu überzeugen. In einem Statement der Organisationen heißt es:

    "Aus der heutigen Perspektive, ist PMSG ein Mittel mit der Ideologie aus den 1980er Jahren. Man hat das Hormon damals dazu eingesetzt, die Bevölkerung mit billigem Schweinefleisch zu versorgen.

    Heute sind die massiven, negativen Effekte der Massentierhaltung im Hinblick auf das Wohl der Tiere, die menschliche Gesundheit, das Klima und die Umwelt den meisten Menschen bewusst. PMSG ist ein Booster für eine fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik. Ein Ban von PMSG würde der Logik des europäischen Green Deal und seiner Farm to Fork Strategie folgen."

    Anfang des Jahres geriet auch Island als Betreiber von 119 Blutfarmen ins Visier der Aktivist*innen. Sie forderten das Land dazu auf, die grausame Tierquälerei zu beenden, bei der dort jedes Jahr mehr als 5.000 halb wild lebende Pferde ausgebeutet werden. Das Europäische Parlament unterstützte die Forderungen nach einem Verbot und die Petition an die EU-Kommission.

    Der Versuch, die EU-Kommission zu überzeugen

    Die EU hatte bereits den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika verboten, um ein schnelleres Wachstum von zur Fleischerzeugung gezüchteten Tieren zu fördern. Das Verbot trat 2006 in Kraft, wurde jedoch wegen seiner vermeintlich laschen Zugkraft kritisiert. Berichten zufolge änderten viele Landwirte einfach ihren Kurs und begannen, die weiterhin durchgeführte Verwendung von Antibiotika stattdessen als "therapeutische Maßnahme" zu bezeichnen.

    Das EU Parlament forderte die Kommission nun dazu auf, den Import und die Produktion von PMSG in der EU zu stoppen. Sabrina Gurtner von der Animal Welfare Foundation hat jedoch nur wenig Hoffnung.

    "Wie so oft scheitert der Wille des EU-Parlaments an der Untätigkeit der EU-Kommission",

    sagt sie.

    Bilder: Wikimedia Commons

    1. Blutfarm Syntax, Argentinien – "Wie hinter Mauern das Geschäft weiter läuft" – Animal Welfare Foundation, YouTube
    2. Tierschutzbund Zürich – "Hormon aus Pferdeblut für die Schweinezucht"
    3. Eurogroup for Animals – "Cruel hormone production in South America for European animal breeding farms"

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