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    Der Golfstrom steht vor dem Kipppunkt

    Beschleunigt sich die Klimakatastrophe?

    Beitrag von Anne
    06.08.2021 — Lesezeit: 3 min
    Der Golfstrom steht vor dem Kipppunkt
    Bild/Picture: © Dassel, pixabay

    Die Klimaforscher*innen warnen schon lange davor, jetzt passiert es vor unseren eigenen Augen: Der Golfstrom steht vor dem Kipppunkt. Die Meeresströmungen im Atlantik schwächen sich ab. Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass die gefürchtete Kettenreaktion nicht mehr weit entfernt ist. Wenn es so weit ist, wird das extreme Folgen haben.

    Im letzten Jahrhundert hat die natürliche Zirkulation im Atlantik nachgelassen. Sie ist längst nicht mehr so stabil, wie einst. Inzwischen ist es durch die Klimaerwärmung sogar so weit gekommen, dass wir vermutlich schon kurz vor dem Kipppunkt stehen – vor diesem Szenario hatten die Wissenschaftler*innen schon immer gewarnt. Es würde bedeuten, dass die Erwärmung ab diesem Punkt deutlich schneller voranschreitet, als in den Berechnungen.

    Niklas Boers vom PIK belegt: Der Golfstrom steht vor dem Kipppunkt

    Herausgefunden hat das der Klimaforscher Niklas Boers1 vom Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Potsdam2. Seine Studie wurde auf der Seite des Nature Magazins3 veröffentlicht.

    Der Golfstrom sorgt dafür, dass das Klima in Europa so ist, wie es ist. Er bestimmt die Jahreszeiten und sorgt dafür, dass es bei uns warm wird. Das funktioniert so:

    Der Strom gehört zur Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC), die warmes Salzwasser an der Oberfläche des Meeres richtig Norden spült. Das kühlere Wasser bleibt in der Tiefe. Diese natürliche Umwelzbewegung kann laut den Forscher*innen in zwei Richtungen umschlagen. Sie kann zu einer starken Kreisbewegung werden, oder zu einer schwachen. Das wird im Moment ziemlich genau beobachtet.

    Es kommt jetzt schon weltweit zu Wetterphänomenen

    Es kommt auf der ganzen Welt zu Wetterphänomenen, weil AMOC Wärme weitergibt. Wenn jetzt plötzlich ein Wechsel vom einen ins andere Extrem stattfindet (also von schnell nach langsam), kommt es zur Katastrophe. Rund um den Atlantik würde es immer mehr Wirbelstürme geben. In Europa würde es vermutlich sehr kalt werden. Tropenstürme würden immer stärker zunehmen, was zu Erdrutschen führen würde. In manchen Bereichen würde das Wasser sehr schnell stark ansteigen (Beispiel: Malediven), in anderen Bereichen würde es immer heißer werden – die Waldbrände, die wir jetzt schon an vielen Orten auf der Erde erleben, würden weiter zunehmen.

    Wenn das ewige Eis auf Grönland abtaut, wird die Zirkulationsbewegung ausgebremst – Man spricht hier von einem Kipppunkt. Das PIK hat schon vor einigen Monaten festgestellt, dass die Bewegung immer schwächer wird. Das Eis taut unaufhaltsam weiter. Im Moment arbeiten die Wissenschaftler⋆innen fieberhaft daran, herauszufinden, ob eine Umkehrung noch möglich ist oder ob es schon zu spät ist. Die Frage lautet also: Hört das Eis wieder auf zu tauen und wird die Zirkulation dadurch wieder stärker?

    Der Golfstrom verlangsamt sich zunehmend

    Die Strömung wird inzwischen seit über 20 Jahren gemessen. Das ist leider noch nicht lange genug, um eine wirklich genaue Klima-Vorhersage zu machen. Es ist trotzdem klar erkennbar, dass eine Veränderung stattfindet. Das sehen die Forscher⋆innen außer an der Wassertemperatur auch am Salzgehalt.

    Niklas Boers schreibt in seiner Studie:

    "Meine Analyse zeigt, dass AMOC im Verlauf des letzten Jahrhunderts von relativ stabilen Verhältnissen an einen Punkt gelangt ist, welcher der kritischen Schwelle (dem Kipppunkt) sehr nahe ist."

    Er hat also den klaren Beweis erstellt, dass etwas passiert. Wann genau der Kipppunkt erreicht ist, kann auch er heute noch nicht klar sagen. Seine Kolleg⋆innen und er vermuten, dass dabei zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. Sie sehen das Abtauen des Grönland-Eises jedoch als besonders treibenden Faktor.

    Der Meeresspiegel steigt

    Weil das Süßwasser leichter ist, als das Salzwasser, bleibt es an der Oberfläche, statt in die Tiefe des Meeres abzusinken. Das wirkt wie eine Bremse für die Zirkulationsbewegung. Der Anstieg der Niederschlagsmengen und die größere Menge an Süßwasser, die dadurch über die Flüsse ins Meer geleitet wird, ist ein weiterer Treiber.

    In seiner Studie schreibt Niklas Boers:

    "Die Umwälzzirkulation AMOC hat ihre Geschwindigkeit fast vollständig verloren."

    Das sollte uns auf jeden Fall zu denken geben. Im Moment befinden sie sich bereits am langsamsten Punkt seit 1.600 Jahren.

    Hochwasser und Waldbrände sind Zeichen der drohenden Klimakatastrophe

    Wenn der Golfstrom stoppt, droht der Kollaps. Länder wie Südamerika, Indien und Westafrika würden durch Dürre Hungersnot drohen und auch der Regenwald im Amazons-Gebiet wäre in Gefahr. Hochwasser auf der einen Seite, Waldbrände auf der anderen Seite – ganze Länder könnten dadurch unbewohnbar werden.

    Boers berichtet:

    "Ich hätte die bereits sichtbaren Anzeichen einer Destabilisierung nicht so schnell erwartet. Ich finde das sehr beängstigend. Das ist etwas, wobei man einfach nicht tatenlos zusehen darf."

    Den Forscher⋆innen ist nicht bekannt, wie viel CO2 in Summe bei einem kompletten Stillstand freigesetzt würde. Boers rät daher dazu, unsere Emissionen auf einem so niedrigen Level wie möglich zu halten:

    "Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses extrem folgenschwere Ereignis eintritt, steigt mit jedem Gramm CO2, das wir in die Atmosphäre einbringen."

    Möglicherweise haben wir in der Vergangenheit bereits einige Kipppunkte erlebt. Das geht aus einer wissenschaftlichen Analyse aus dem Jahr 2019 hervor. Darin steht auch, dass wir dadurch vermutlich vor einer existentiellen Bedrohung der Zivilisation stehen. Am Montag soll der Bericht des internationalen Klima-Ausschusses unsere tatsächliche Bedrohung durch die Klimakatastrophe belegen.

    Mehr über die Kipppunkte erfahrt Ihr unter anderem auch im Buch "Handeln statt hoffen" von Carola Rackete.

    Bild/Picture: Schmelzender Eisberg vor Grönland/Melting iceberg off Greenland Dassel, pixabay

    1. Climate Change
    2. Niklas Boers, PIK
    3. Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Potsdam

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