Fischratgeber hinterfragt
Überfischung und Kochrezepte
Die Überfischung der Weltmeere ist längst kein Geheimnis mehr. Immer mehr Fischarten sterben durch die gnadenlose Ausbeutung ihrer Lebensräume durch uns Menschen aus.
Im Jahr essen die Deutschen pro Person 13,7 Kilo Fisch und Fischereierzeugnisse1, die Zahlen steigen weiter. Wie in jedem Jahr, hat Greenpeace vor Kurzem wieder seinen Fischratgeber2 veröffentlicht, aus dem hervorgeht, welche Fische am schlimmsten von der Überfischung betroffen sind. Allerdings wird darin nicht nur zum Verzicht aufgerufen, es werden auch uneingeschränkte Verzehrempfehlungen für verschiedene Fischarten gegeben.
Fischratgeber teilt Fisch in Kategorien ein
Die Liste ist inzwischen eingeteilt in "Wenn Fisch, dann diesen" und "Finger weg, nicht nachhaltig". Noch vor ein paar Jahren waren es die Kategorien "Noch empfehlenswert", "Empfehlenswert mit Ausnahmen", "Nicht empfehlenswert mit Ausnahmen" und den roten Bereich "Nicht empfehlenswert".
Laut der Liste sollen Aale, Makrelen und Alaska-Seelachse besser nicht gekauft werden, Karpfen dürfen jedoch bedenkenlos gegessen werden. Als Begründung gibt die Umweltschutzorganisation an, Fang und Zuchtmethoden würden einen klaren Unterschied machen. So werden Karpfen zum Beispiel von Menschenhand für den Verzehr gezüchtet. Ob das in Ordnung ist, da scheiden sich die Geister.
Was Greenpeace bei seinem Fischratgeber außerdem außen vor lässt, ist der wichtige Hinweis darauf, dass eindeutig zu viele Fische gefangen, produziert und für unseren Genuss geschlachtet werden. Das ist meines Erachtens nach jedoch ganz klar Aufgabe der Organisation.
Die pflanzlichen Alternativen fehlen
Vegane Alternativen werden nicht aufgezeigt. Dabei könnte man in diesem Kontext so schön direkt auf pflanzliche Lieferanten der in Fisch enthaltenen, lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren hinweisen. Leinsamen, Nüsse und Algen sind meiner Meinung nach sowieso wesentlich schmackhafter als Fisch, doch das nur am Rande.
Mit dem Fischratgeber möchte Greenpeace Transparenz schaffen und aufklären, die Verbraucher sollen sensibilisiert werden und bewusster einkaufen. Doch was bringt dieses bewusste Einkaufen? Nächstes Jahr stehen dann wieder weitere Fische auf der roten Liste.
Was bedeutet nachhaltig?
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen hat Greenpeace eine Methode entwickelt, bei der unter bestimmten Kriterien Wildfischerei und Fischzucht in "nachhaltig" und "nicht nachhaltig" eingeteilt werden. Ein erfülltes Negativ- Kriterium wie "Herkunft der Eier", "Überfischung" oder "Fangmethoden" führt zum Eintrag in den roten Bereich des Fischratgebers.
Kann ein Verzicht auf den Konsum weniger Fischarten, wie Greenpeace es nennt, "Druck bei den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik aufbauen", oder ist das nur Augenwischerei? Kann ein Tropfen auf den heißen Stein wirklich etwas bewegen, oder hilft da nur der komplette Verzicht auf jedes Stück Fisch?
Nur vegan kann helfen
Als Veganerin bin ich ganz klar überzeugt vom Verzicht auf alle Produkte und Lebensmittel tierischer Herkunft. Ist der Fischratgeber nun ein Anfang, ein Einstieg in die Thematik?
Führt er eventuell dazu, dass die Menschen irgendwann komplett umdenken und ihren Fischkonsum ganz einstellen? Einige vielleicht, aber was ist mit der breiten Masse? Würde ein klares "Esst keinen Fisch mehr!" da nicht mehr bringen von so einer großen Organisation, die sich inzwischen hohem Ansehen erfreut?
Massive Umweltschäden
Greenpeace Meeres-Expertin Iris Menn sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung:
"Viele Bestände sind überfischt und zahlreiche Fangmethoden verursachen massive Umweltschäden. Wer sich genau informiert, findet noch eine Auswahl, die auf den Teller darf."
Aktivistin Dörte Bremer meinte im Interview mit dem NDR:
"Wir wollen Hilfestellung geben. Dann kann der Konsument entscheiden, kaufe ich den Fisch oder nicht.".
Auch der WWF gibt einen ähnlichen Ratgeber3) heraus. Unterteilt ist er in die Kategorien "Empfohlene zertifizierte Produkte (ASC, MSC, BIO-Gütesiegel)", "Gute Wahl", "Zweite Wahl" und "Lieber nicht". Insgesamt sind nur 58 Fischarten und andere Meeresbewohner mit "lieber nicht" markiert, unter anderem auch die in Deutschland besonders beliebten Sardellen und Makrelen, aber auch Haie, Tintenfische und Garnelen. Auch Heringe standen vor einigen Jahren noch auf der roten Liste. Inzwischen können sie angeblich wieder bedenkenlos verzehrt werden. Was ich persönlich von Seiten einer Natur- und Tierschutzorganisation schon fast makaber finde, ist dass auf der Webseite des WWF sogar Fischrezepte zu finden sind.
Zucht ist nicht die Lösung
Was die Zucht bringt, kann man am Beispiel Shrimpszucht sehr plastisch belegen. Ganze Landstriche sind durch sogenannte Shrimpsfarmen unbewohnbar geworden. Den dortigen Bauern wurde durch die Umstellung von Reisanbau auf Shrimpszucht eine goldene Zukunft versprochen. Sie fluteten ihre Felder mit Salzwasser um die Meeresbewohner dort "anzubauen". Das Ergebnis ist ein für immer vergifteter Boden, Hunger und Elend. Und die Deutschen essen weiter Shrimps.
Natürlich gibt es bei Fischen auch andere Zuchtmöglichkeiten wie Offshore-Becken für Salzwasserfische und Teiche und Wasserbecken für Süßwasserfische. Doch was gibt uns das Recht so in die Natur einzugreifen, Lebewesen auszubeuten und für unseren Genuss zu schlachten?
Auch Siegel wie MSC (Marine Stewardship Council für Wildfischerei), ASC (Aquaculture Stewardship Council für Aquakulturen) und FOTS (Friends Of The Sea) kennzeichnen Fische, die scheinbar bedenkenlos verzehrt werden können, doch sie erfüllen noch weitaus geringere Kriterien als die von Greenpeace und WWF veröffentlichten Listen.
Umleitung des Konsums
Bei der Albert Schweitzer Stiftung4 spricht man von einer Umleitung des Konsums der Verbraucher von den 85 Prozent der überfischten beziehungsweise bedrohten Fischbestände zu den verbleibenden 15 Prozent. Das ist leider wahr und eine Konzentration auf die letzten, bis jetzt nicht von der Überfischung betroffenen Fische hätte eine verheerende Wirkung.
Zum Widerspruch um Fischratgeber, Listen und Fangquoten kommt die erschreckende Tatsache hinzu, dass viele Millionen Tonnen Fisch auf hoher See entsorgt werden und somit in keiner Statistik auftauchen. Das Nachrichtenmagazin Frontal21 berichtete. Jeder vierte Fisch geht dabei über Bord und landet nicht auf dem Teller sondern wird tot in seinen Lebensraum zurückbefördert.
Fischereibiologin rät zu veganen Alternativen
Wir essen Fisch, weil man uns beigebracht hat, dass er Nährstoffe, Vitamin D, Jod, Selen, Eisen und die mehrfach gesättigten Fettsäuren EPA und DHA enthält. Sie sind besonders wichtig für die Entwicklung des Nervensystems und das Sehvermögen. Besonders für Schwangere, Stillende und Kinder ist eine gute Versorgung mit EPA und DHA daher sehr wichtig. Die Fischereibiologin Dr. Rini Kulke rät jedoch zu veganen Alternativen.
"Im Fisch stecken zahlreiche Schadstoffe. Sie sind deshalb so gefährlich, weil sie nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden können. Sie reichern sich im Körper in hohem Maße an und sind toxisch. Die Anreicherung ist bei räuberischen Arten wie Lachs, Hai und Thunfisch besonders stark."
Fische sterben qualvoll
Die Verhaltensforscherin und wissenschaftliche Koordinatoren der FishEthnoBase5 Dr. Jenny Volstorf gibt einen weiteren Denkanstoß.
"Fische haben unterschiedliche Persönlichkeiten. Sie lernen, planen, kooperieren und können Freude und Schmerz empfinden. Sie werden in den Fangnetzen zerquetscht und sterben langsam und qualvoll durch Ersticken. Wir können dieses millionenfache Leid vermeiden."
Die Forscherin Lynne Sneddon von der Universität Liverpool fand gemeinsam mit ihrem Team bei der Regenbogenforelle vergleichbare Hirnstrukturen wie beim Menschen. Sie weisen auf ein ähnliches Schmerzempfinden hin.
Ich habe mich für vegan entschieden
Ich für meinen Teil habe mich für vegan entschieden. Wer immer noch Zweifel hat, dem rate ich dazu, ganz schnell den Krimi "Rotes Gold" zu lesen. Er spielt im Milieu der Fischhändler, ist sehr gut recherchiert und öffnet einem die Augen.
Der Roman von Tom Hillenbrand ist nicht nur die Geschichte eines Luxemburger Kochs mit einer Ader für Detektivarbeit, er zeigt auch die dunkle Seite des Sushikonsums und soll schon einigen den Appetit auf Meerestiere genommen haben. Das Buch ist für 9,99 Euro als Taschenbuch zu haben, das Geld ist im Buchladen besser investiert, als an der Fischtheke.
Ein trauriges Thema
Roth Cartoons (siehe Bild) versucht das Ganze mit Humor zu sehen. Fast könnte man beim Tipp, den Kleinen doch in Zukunft am besten Silberfischfilet oder Silberfischstäbchen zu servieren, ein bisschen schmunzeln, wenn das Thema nicht so unglaublich traurig wäre.
Fische sind Lebewesen genau wie Hunde, Katzen, Schweine und Kühe. Sie können Schmerzen und Angst empfinden und haben ein Recht auf ihr Leben - genau wie wir.