Tierrechtsaktivistin Kara Schott
Teil 1/2 - Die Tiertafel Hamburg stellt sich vor
Heute möchte ich Euch eine ganz besondere Frau vorstellen. Kara ist Leiterin der Tiertafel Hamburg ( Tiertafel Hamburg e. V. ) sowie Gründerin der Tierschutzorganisation Puss in Boots Animal Rescue , die sie gemeinsam mit Ihrer Mutter führt.
Bereits seit 12 Jahren arbeitet die Tierschützerin bei der Tiertafel, die damals noch unter dem Dachverband Tiertafel Deutschland stand. Vor nunmehr drei Jahren gründete sich die Tiertafel Hamburg neu und ist seither unabhängig.
Bei der Tiertafel Hamburg ist Kara für die Futterversorgung von aktuell rund 400 Tieren zuständig. Außerdem ist sie verantwortlich für die Sicherstellung der Miete sowie alle weiteren Kosten, dazu zählen im Speziellen die Tierarztkosten, die jeden Monat vom Verein gestemmt werden müssen und sie stellt sicher, dass jede Futterausgabe personell so aufgestellt ist, dass alle Kunden versorgt werden können, damit alles reibungslos abläuft.
Alles über die Tiertafel Hamburg
Als das Teammitglied, das am längsten bei der Tiertafel Hamburg dabei ist, fungiert sie zudem auch als Hauptansprechpartnerin für die Sorgen und Nöte der Kunden. Im ersten Teil meines Interviews hat mir Kara alles über die Tiertafel Hamburg verraten. In Teil zwei haben wir uns ganz den Puss In Boots gewidmet. Doch dazu demnächst mehr. Heute dreht sich erstmal alles um die Tiertafel Hamburg.
Anne: Hallo, liebe Kara! Schön, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst!
Kara: Ja, na klar! Ich freue mich, dass wir uns kennenlernen!
Anne: Was genau kann man sich denn unter einer Tiertafel vorstellen?
Kara: Im Prinzip funktioniert eine Tiertafel genau wie eine für Menschen. Bedürftige Menschen kommen zu uns und bekommen Futter für ihre Tiere. Wir hier in Hamburg haben wir das System noch ein Stück weit ausgebaut. Bei uns sind immer auch eine Physiotherapeutin, eine Tierheilpraktikerin, ein Tierarzt oder eine Tierärztin und eine Hundefriseurin vor Ort.
Wir haben das Glück, dass sich viele für uns interessiert haben. So sind zum Beispiel auch die Tierfriseurin und die Physiotherapeutin auf uns zugekommen. Genau wie die Tierärzte, der Tierheilpraktiker und natürlich auch wir, arbeiten sie ehrenamtlich im Projekt mit. Nur so ist es möglich, dass wir das in der Form auch anbieten können.
"Nach der Futterausgabe ist vor der Futterausgabe"
Die Basis bleibt natürlich die Ernährung, im Speziellen die artgerechte Ernährung der Tiere. Es kommen zum Beispiel viele Diabetes-Katzen und Hunde mit Nierenerkrankungen zu uns. Diese Tiere sind auf Spezialfutter angewiesen. Wir versuchen allen Tieren die bestmögliche Ernährung zu bieten. Das steht und fällt natürlich immer damit, was gespendet wird. Nach der Futterausgabe ist vor der Futterausgabe. Wir müssen immer dafür arbeiten, dass wir am Ende das dringend benötigte Futter auch verteilen können. Im Endeffekt ist das eine sich ständig wiederholende Dauerschleife.
Anne: Habt Ihr dann Listen veröffentlicht, auf denen man als Spender sehen kann, was gebraucht wird?
Kara: Ja, es gibt einen Amazon-Wunschzettel* auf unserer Seite, auf dem aufgelistet wird, was gerade am dringendsten gebraucht wird. Letztendlich sind es eigentlich immer die selben Dinge. Die Basics sind eigentlich immer Nassfutter für Hunde und Katzen, Diabetes-Futter und Nierenfutter.
Anne: Kann man auch andere Dinge spenden, als Futter?
Kara: Was auch toll wäre, sind Sachen wir Kratzbäume, Hunde- und Katzenbetten sowie Spielzeug.
Anne: Wie läuft denn eine Futterausgabe bei Euch ab?
"Wir schauen, wie es den Tieren geht"
Kara: Um 15 Uhr geht die Ausgabe los. Meistens kommen ziemlich viele Leute gleich am Anfang. Man stellt sich an, für Neukunden wird dann eine Karteikarte ausgefüllt und geprüft, ob die Aufnahme möglich ist. Alle Kunden gehen dann mit ihrer Karteikarte nacheinander zur Futterausgabe. Dort stehe ich mit meiner Kollegin und gehe genauer auf alle Fälle ein. Wir schauen, wie es den Tieren geht, ob sie alt oder jung sind, krank oder gesund und teilen nach diesen Kriterien das Futter zu. Bis zu vier Tiere pro Person sind erlaubt.
Im Anschluss können die Tierhalter mit ihren Vierbeinern dann je nach Bedarf noch der Physiotherapeutin, dem Tierarzt und dem Friseur einen Besuch abstatten.
Anne: In welchem Rythmus finden die Futterausgaben statt?
Kara: Alle 14 Tage. So lange brauchen wir auch, um das Futter zu organisieren.
Anne: Gibt es Voraussetzungen für die Futterspenden, außer, dass nichts über dem Verfallsdatum sein sollte?
Kara: Eigentlich kann jedes Futter vorbeigebracht werden. Trotzdem ist es gut, wenn man vor einer Spende Kontakt mit uns aufnimmt. Wir haben hier alle unsere Spezialfälle gelistet und wissen genau, was gebraucht wird. Wir nehmen aber durchaus auch das Futter an, das man zum Probieren gekauft hat, das dem Haustier aber einfach nicht schmecken will. Im Gegensatz zu vielen Tierschutzvereinen und Tierheimen nehme wir auch angefangene Packungen an. Wenn beispielsweise ein Hund umgestellt werden muss und es ist noch ein halber Sack Trockenfutter da, nehmen wir den gerne an. Denn auch damit bekommen wir noch viele Tiere satt.
Anne: Arbeitet Ihr mit anderen Organisationen hier in Hamburg zusammen?
"Uns ist es wichtig, Organisationen mit aufzufangen, die keine Unterstützung bekommen"
Kara: Wenn es uns möglich ist, versorgen wir auch Obdachloseneinrichtungen mit Futter. Auch den Obdachlosenbus, der zweimal im Monat hier bei Karstadt in der Mönckebergstraße hält, der auch Haustiere mit versorgt, unterstützen wir. Uns ist es wichtig, Organisationen mit aufzufangen, die keine Unterstützung bekommen.
Anne: Wie finanziert sich die Tiertafel Hamburg?
Kara: Komplett durch Spenden. Man kann wirklich sagen: Jeder Cent und jeder Krümel Futter ist gespendet.
Anne: Warum ist es schwierig, an Stammspender zu kommen. Nehmen wir beispielsweise mal eine große Supermarktkette, die auch Futter verkauft.
Kara: Das ist wirklich ein Problem. Ich finde, das kann man stellvertretend für den gesellschaftlichen Bruch sehen, der im Moment passiert. Früher haben die Geschäfte das Futter, das kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stand, uns gegeben. Heute wird so lange immer wieder reduziert, bis alles verkauft ist. Es kommt mir so vor, als würden die Menschen inzwischen versuchen, alles zu Geld zu machen und aus jedem Rest noch etwas rauszuholen.
"Es scheint rentabler zu sein, Futter wegzuwerfen, als es zu spenden"
Ein weiteres Beispiel dafür ist, dass wir früher ab und zu Ware bekommen haben, bei der die Verpackung auf dem Transportweg beschädigt worden war. Diese Bruchware ist für Händler uninteressant, da sie nicht mehr präsentiert werden kann. Heute wird sie einfach entsorgt. Es ist sehr schwierig geworden, an diese, teilweise kompletten Paletten Ware heranzukommen. Die Händler lehnen sie ab, weil sie nicht mehr schön ist und sie gehen zurück an die Hersteller und werden dort weggeschmissen. Es scheint inzwischen rentabler zu sein, Futter wegzuwerfen, als es zu spenden.
Anne: Genau wie bei Lebensmitteln. Das kann man ja vor Supermärkten jeden Abend beobachten.
Kara: Ja, genau. Das ist wirklich schlimm. Einwandfreie Lebensmittel werden weggeworfen und es ist verboten, sie sich aus dem Container zu fischen, wenn man Hunger hat. Dieser Abwärtstrend zieht sich leider auch bis zur Tiernahrung durch.
Anne: Habt Ihr bei den Spenden mit saisonalen Schwankungen zu tun? Wird zum Beispiel um die Weihnachtszeit viel gespendet und während der Sommerferien wenig?
"Man darf sich auf nichts verlassen"
Kara: Man muss ganz klar sagen: Man darf sich auf nichts verlassen. Man muss immer bei der Sache bleiben und die Menschen daran erinnern, dass man noch da ist. Am besten hält man permanent Kontakt. Anfragen per Mail oder E-Mail beantworten wir zum Beispiel immer extrem schnell, damit wir uns auf keinen Fall eine Spende entgehen lassen.
Viele spenden gerne in der Weihnachtszeit, das gehört auch zur Tradition. Aber es ist und bleibt eben ein Trugschluss, dass die Empfänger der Spenden davon ein ganzes Jahr lang leben können. Viele denken sich auch kurz vor den Feiertagen "Oh je, ich habe das ganze Jahr noch nichts gespendet, jetzt muss ich aber mal was machen." Man sollte auf jeden Fall versuchen, das ganze Jahr über zumindest ab und zu an Bedürftige zu denken.
Anne: Seit wann gibt es die Tiertafel Hamburg?
Kara: Seit über 12 Jahren jetzt schon und wir sind wirklich stolz darauf!
Anne: Wie viele Kollegen seit Ihr insgesamt?
Kara: Man muss unterscheiden zwischen der Anzahl der Leute, die bei der Futterausgabe mit arbeiten und denen, die auch in der Zwischenzeit mit dabei sind. Die Ausgabe macht sehr viel Spaß. Es ist sehr viel Gefühl dabei. Die Arbeit ist sehr energetisch. Es tut sich viel und wir können damit aktiv Tieren und Menschen helfen. Dementsprechend sind auch immer viele Leute zum Helfen vor Ort.
Natürlich muss aber in der Zeit zwischen den Ausgaben auch viel gearbeitet werden. Es muss aufgeräumt und vorbereitet werden. Die Futterausgabe ist nur ein geringer Teil unserer Arbeit. Das Futter muss als erstes mal organisiert, abgeholt und abgefüllt werden. Viele der Helfer haben einfach auch nicht so viel Zeit und daher ist die Anzahl der aktiven Mitarbeiter in diesen Phasen schon etwas geringer.
Anne: Wie kann man die Tiertafel Hamburg unterstützen?
"Wir freuen uns über jede Form der Unterstützung"
Kara: Vorrangig natürlich durch Futterspenden*. Dazu kann man sich zum Beispiel im Vorfeld über den Wunschzettel auf unserer Homepage schlau machen, wie eben erwähnt. Außerdem kann man zur Ausgabe kommen und helfen oder Geld spenden: Zum Beispiel für Tierarztkosten, indem man einfach bei seiner Überweisung in den Betreff "Tierarztkosten" schreibt. Das gilt auch für Spezialfutter. Wenn man unter dem Betreff "Diabetesfutter" spendet, werden wir das Geld auch für Dieabetesfutter ausgeben. Außerdem suchen wir auch Mietpaten, natürlich bleibt uns das Zahlen der Miete auch nicht erspart (lacht). Wir freuen uns auf jeden Fall über jede Form der Unterstützung.
Anne: Gibt es auch in anderen Städten Tiertafeln?
Kara: Leider nicht mehr so viele, wie noch vor ein paar Jahren, aber dennoch einige, ja. Wenn man seine Tiertafel vor Ort unterstützen möchte, schaut man am besten online nach. Sie freuen sich alle über Hilfe und Futter.
Anne: Wie kommt das, dass es eher weniger Tiertafeln werden, als mehr? Liegt das nur daran, dass weniger gespendet wird?
Kara: Zum einen das, zum anderen ist es auch sehr schwierig, Menschen zu finden, die wirklich unermüdlich bei der Sache bleiben, Futter beschaffen und auf die Futtertafel aufmerksam machen. Ich persönlich habe auch lange gezögert, bis ich mich dafür entschieden habe, mal einen Merchandise-Stand zu machen. Aber man trifft nach inzwischen mehr als 12 Jahren immer noch Leute die sagen "Ihr macht einen tollen Job! Ich wusste gar nicht, dass es Euch gibt!" Das sagt mir in erster Linie eins: Es ist sehr wichtig, immer am Ball bleiben und sich auf allen Kanälen zu präsentieren. Wir haben zum Beispiel eine App, nutzen Facebook und Instagram. Man muss mit der Presse zusammenarbeiten mit dem Fernsehen und die sozialen Medien nutzen.
"Stillstand ist Rückstand"
Viele Tiertafler möchten im Grunde ihres Herzens einfach nur für die bedürftigen Menschen und Tiere da sein. Wir haben für uns entschieden, dass wir auf die Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten können. Und ich muss sagen, wir machen sie auch wirklich gerne. Weil wir einfach merken, was für eine große Resonanz und für ein positives Feedback sie mit sich bringt. Es sorgt dafür, dass Bewegung reinkommt, wenn man in Fernseh- oder Zeitungsberichten erwähnt wird oder seinen Instagram-Kanal pflegt. Wie mein ehemaliger Chef immer sagte: Stillstand ist Rückstand. Wir profitieren sehr von der Vielfältigkeit unseres Teams. Jeder kann seine Erfahrungen, sein berufliches Fachwissen und seine Talente mit einbringen.
Anne: Was steht denn als nächstes auf dem Programm in Sachen Tiertafel?
Kara: Am 13. Dezember findet unsere Weihnachtsausgabe statt. Wir machen einmal im Jahr eine Weihnachtsausgabe in der Kirche zum "Zum guten Hirten" im Försterweg in Hamburg Langenfelde. Für viele unserer Kunden gibt es keinen Grund, Weihnachten als Fest der Liebe zu feiern.
"Die Futterausgabe vor Weihnachten ist extrem wichtig"
Die Futterausgabe vor Weihnachten ist für unsere Kunden und uns extrem wichtig. Wir möchten ihnen gerne etwas zurückgeben. Es ist zum Beispiel auch ein Pastor vor Ort, der die Tiere segnet und es gibt eine Andacht. Das Ganze ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Dieses Fest zeigt einfach vielen, dass sie es im Leben nicht leicht haben. Häufig wendet sich ja auch der Freundeskreis und die Familie ab. Kinder lassen ihre Eltern im Stich, Eltern ihre Kinder. Das wird bei unserer Weihnachtsausgabe sehr deutlich.
Ich denke, dass Weihnachten generell sehr an Bedeutung verloren hat. Es geht vielen einfach nur noch um den Konsum. Wir versuchen da einen anderen Weg zu gehen und einfach mal wieder auf die Nächstenliebe einzugehen, um die es ja einfach in dieser Zeit gehen sollte.
Hier entlang geht es zur Homepage der Tiertafel Hamburg.
Gespendet werden kann über Paypal. Die Paypal E-Mail-Adresse lautet kontak@tiertafelhamburg.de.
Natürlich könnt Ihr überweisen. Sendet Euer Geld bitte an folgendes Konto
tiertafelhamburg e.v. GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE95 4306 0967 2053 0658 00 BIC: GENODEM1GLS
Den Amazon-Wunschzettel sowie alle Infos, wie Ihr mit Sachspenden am besten verfahrt und wie Ihr sonst noch helfen könnt, wird unter diesem Link genau erklärt.
Hier geht's zu Teil 2/2 des Interviews
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Kara Schott