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    Gender-Studien zu veganem Food-Marketing

    Wollen Cis-Männer maskulineres Essen?

    Beitrag von Anne
    10.10.2023 — Lesezeit: 4 min
    Gender-Studien zu veganem Food-Marketing

    Müssen vegane Lebensmittel "männlich" sein, damit sich Cis-Männer mehr damit beschäftigen? Eine neue Studie setzt sich damit auseinander, ob "maskulineres" Marketing, dazu führt, dass pflanzenbasierte Lebensmittel auch häufiger im Einkaufswagen von Männern landen.

    Die Wissenschaft ist sich heute flächendeckend einig, dass eine vorwiegend vegane Ernährungsweise gesünder ist – für das Klima und für uns Menschen. Unsere Prägung, Erziehung sowie Geschlechterrollen und längst überholte Stereotype stellen jedoch für viele eine erhebliche Hürde dar, sich überhaupt mit dem Thema auseinanderzusetzen.

    Das Bild vom Steak grillenden Mann

    Wir alle kennen die Bilder aus der Werbung: Maskuline Typen stehen am Grill und löschen das blutige Steak mit ihrem Bier ab, sie schlagen sich zehn Eier in den Mixer, bevor es ans Bankdrücken geht und posieren mit dem gerade gefischten 2-Meter-Hecht.

    Die Fachzeitschrift Frontiers in Communication veröffentlichte jetzt eine neue Studie1, die sich genau mit diesen Klischees auseinandersetzt. Sie untersucht die Herausforderungen und das Potenzial von Marketingtools zur Verbesserung der Wahrnehmung pflanzlicher Lebensmittel. Besonders mit dem Hintergrund, den cis-männlichen Teil der Bevölkerung zukünftig mehr für vegane Ernährung zu begeistern.

    Die traditionelle Verbindung zwischen dem Konsum tierischer Produkte und Maskulinität sorgten lange dafür, dass vegane Ernährung eher als feminin wahrgenommen wurde. Aus einer Anfang 2023 im Magazin "Sex Roles" erschienene weitere Gender-Studie2 zum Thema geht hervor, dass sich als besonders maskulin identifizierende Männer seltener dazu tendieren, ihren Fleischkonsum zu reduzieren oder auf Dauer vegan zu leben.

    Frauen neigen hingegen eher dazu, sich mit dem Leid der Tiere in der Lebensmittelindustrie zu beschäftigen und sich aus diesem Grund für die vegane Lebensweise zu entscheiden. Hochleistungssportler wie Gewichtheber Patrick Baboumian und Mixed Martial Artist James Wilks sind hier positive "Ausreißer". Aus verschiedenen Umfragen geht hervor, dass sich immer mehr Menschen ein Beispiel an ihnen nehmen könnten. Veganismus wird ihr zufolge nicht mehr per se als "für Männer ungeeignet" angesehen.

    Allerdings gibt es Belege dafür, dass Männer, anders als Frauen, bevorzugt Entscheidungen treffen, die mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen. Das führt im Umkehrschluss auch zu ihrem eher hohen Fleischkonsum. Frauen legen hingegen mehr Wert darauf, ethische und nachhaltige Entscheidungen4 zu treffen.

    Geschlechterstereotype und Fleischkonsum

    Die unter der Leitung von Alma Scholz an der Uni Würzburg durchgeführte Studie befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Männlichkeit, Geschlechterstereotypen und Fleischkonsum. Die Wissenschaftlerin, die inzwischen an der Uni Stockholm arbeitet, ist davon überzeugt, dass ein Teil der Lösung in einem Shift bei der Vermarktung veganer Lebensmittel liegt. Ein eher maskulines Marketing sollte demnach zu einer höheren Akzeptanz veganer Produkte unter cis-männlichen Personen führen und ihren Widerstand gegen eine Ernährungsumstellung verringern.

    Für ihre Studie rekrutierte Alma Scholz gemeinsam mit PhD Jan Leonhard von der Uni Bamberg online Teilnehmende, um ihr Wahrnehmung eines veränderten Marketings für vegane Lebensmittel zu untersuchen.

    Die beiden stellten den Freiwilligen Beschreibungen für verschiedene Gerichte zur Verfügung. Diese enthielten sowohl Wörter, die traditionell mit den Gerichten in Verbindung gebrachte werden, als auch solche, die eher "maskulinen" Lebensmitteln zugeschrieben werden. Anschließend baten die Forschenden sie, die Gerichte zu bewerten und ihre Eignung für Männer sowie Frauen einzuschätzen.

    Mit diesem Versuch beleuchteten die Forschenden, wie sehr sich die Proband*innen mit den verschiedenen Formen der Männlichkeit identifizierten. Ihrer Einstellung zu Veganismus und ihre Gründe für den Konsum tierischer Lebensmittel schenkten sie dabei besondere Aufmerksamkeit.

    Was Alma Scholz besonders auffällt, ist, dass sich vor allem Männer, die sich mit traditioneller Männlichkeit identifizieren, bei der Bewertung der Gerichte stärker von maskulinem Marketing beeinflussen ließen. Da sie dieses Ergebnis bei den meisten männlichen Teilnehmenden beobachtete, ging sie davon aus, dass eine breitere und vielfältigere Stichprobe zu anderen Ergebnissen führen würde.

    Bei ihrer Untersuchung kamen Scholz und Leonhard zu dem Ergebnis, dass sich die weiblichen Teilnehmenden eher vegan ernährten und dem Veganismus gegenüber eher eine positive Einstellung hatten, als die männlichen. Ihre Beweggründe für die Umstellung waren dabei durchweg ethische und gesundheitliche Aspekte. Es fiel außerdem auf, dass Freiwillige, die in ihrem Bekanntenkreis vegan lebende Menschen hatten, dem Veganismus gegenüber eine insgesamt positivere Einstellung hatten.

    Alma Scholz gab eine Erklärung zu ihrer Studie heraus, aus der unter anderem hervorgeht:

    "Wir haben die Wahrnehmung der geschlechtsspezifischen Eignung veganer Produkte mit einer kurzen Intervention von der Weiblichkeit hin zu einer neutralen Position verschoben."

    In der Studie äußerte sich das wie folgt:

    Die Vorlieben der männlichen Teilnehmenden für vegane Gerichte änderte sich durch veränderte Beschreibungen tatsächlich nur kaum. Ihre Wahrnehmung dafür veränderte sich jedoch messbar. Sie nahmen sie als weniger weiblich wahr, was vermutlich insgesamt für eine größere Akzeptanz sorgte.

    Traditionelle Rollen überwinden

    Insgesamt spricht also auch diese Studie mal wieder dafür, wie gut es der Menschheit täte, nicht alles immer strickt in zwei Geschlechter beziehungsweise Kategorien einzuteilen. Die Abkehr von Geschlechterrollen und Schubladendenken würde auch dem Veganismus und damit dem Tierwohl und dem Klimaschutz in die Karten spielen.

    Die Forschenden heben in ihrer Erklärung hervor, dass eine kurzfristige Intervention nicht reicht, um signifikante Veränderungen der Einstellung rund um die Ernährungsweise zu bewirken. Alma Scholz schreibt:

    "Selbst, wenn diese Verschiebung nicht bis zum Ende geht, könnten langfristige Interventionen das Potenzial für noch stärkere Verschiebungen haben, die zu einer Verbesserung der Vorliebe der Männer für vegane Gerichte führen, und sind daher eine weitere Untersuchung wert."

    Der Einfluss von Geschlechterstereotypen auf unser Leben und damit auch auf die Entscheidung, was auf unseren Tellern landet, ist auch in unserer modernen Zeit noch groß. Bleibt zu hoffen, dass sich hier allmählich etwas verändert. Die Forschenden bleiben dran und liefern uns Aufschluss über unser Verhalten. Es liegt an uns, es zu ändern und damit zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt beizutragen.

    Um das ganze final noch mal vollkommen abgekoppelt von Geschlechterrollen zu betrachten: Es bleibt die Frage, ob Menschen, die den veganen Gedanken weiterbringen möchten und somit auch diejenigen sind, die vegane Produkte entwickeln und vertreiben, generell empathischer sind und von sich aus mehr mit Aspekten wie Tierwohl, Klimaschutz und Gesundheit auseinandersetzen. Vermutlich ist es auch hier, wie so oft, ein Perspektivenwechsel. Oder, um hier mal kurz in den Marketing-Jargon zu verfallen, ein "Hineindenken in die unterschiedlichen Zielgruppen einer Brand", was langfristig zum Erfolg führt – für die Tiere, für den Planeten und für unsere Gesundheit.

    1. Frontiers in Communication: "Masculinity and veganism: the effect of linking vegan dishes with masculinity on men's attitudes toward vegan food"
    2. Sex Roles: "Masculinity Matters for Meat Consumption: An Examination of Self-Rated Gender Typicality, Meat Consumption, and Veganism in Australian Men and Women"

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