The Kompressor Experiment
"Die alternative Musik-Szene verdient mehr Aufmerksamkeit"
The Kompressor Experiment ist ein progressives Musik-Projekt aus der Schweiz. Ich habe mich jetzt mit ihnen über ihr aktuelles Album "Ebb & Flow" unterhalten, das meiner Meinung nach vor allem Fans von Bands wie The Ocean und Russian Circles ansprechen wird.
Der düstere, wunderbar harte und vielseitige Sound der Band berührt mich sehr. Auf der Platte faszinieren mich die plötzlichen Stimmungswechsel besonders. Sie passen perfekt zum Titel des Albums: Sound-Wellen türmen sich phasenweise auf, um sich wieder zurückzuziehen und schließlich und endlich mit voller Kraft über einen wunderschönen Strand der Melodien zu rollen. Lasst uns über "Ebb & Flow" und einige weitere Kompressor Experiment Themen sprechen.
Anne: Hi! Danke, dass Ihr Euch die Zeit für das Interview nehmt! Wie geht es Euch? Gratulation zu Eurem großartigen Album "Ebb & Flow"! Es ist fantastisch! Bei mir läuft es nach wie vor hoch und runter. Ihr seid sicher ziemlich zufrieden mit Eurer Arbeit, oder?
TKE: Hi und danke auch Dir! Ja, wir sind wirklich ziemlich stolz auf die Platte. Als wir die Songs geschrieben haben, hätten wir uns niemals eine so professionelle Audio-Produktion erhofft. Das Feedback ist bisher insgesamt auch sehr gut.
Anne: Was ist die Geschichte von "Ebb & Flow"? Das Album ist ganz schön progressiv und vielschichtig. Ich muss mir die Stücke einfach jedes Mal hintereinander anhören und sie projizieren immer wieder neue bewegte Bilder in meinen Kopf — was übrigens ziemlich schön ist. Was ist also Euer "Ebb & Flow" Film? Ich bin mir sicher, es gibt einen?
"'2001: A Space Odyssey' und 'Twin Peaks' haben uns inspiriert"
The Kompressor Experiment – "Ebb & Flow"
TKE: Unser letztes Album haben wir auf einem neuen Soundtrack für "2001: A Space Odyssey" basiert. Dieses Mal haben wir uns ein abstrakteres Thema gewünscht und haben uns erst für ein finales Konzept entschieden, nachdem wir einen Großteil der Songs schon geschrieben hatten.
Grob gesagt geht es auf "Ebb & Flow" um die Geschichte der Menschheit von ihren bescheidenen Anfängen bis heute. Die Songs handeln von den unterschiedlichsten Dingen, wie den frühen Kämpfen unserer Zivilisation, Expansion, Krieg, Schöpfung, Zerstörung, Widerstandsfähigkeit und so weiter.
Ich denke , der perfekte Film wäre wohl eine Zeitraffer-Aufnahme der Erde von der Vorgeschichte bis heute. Ein distanzierter und unvoreingenommener Blick auf unsere Entwicklung, zum Guten und zum Schlechten. Das oder irgendein surrealistischer Scheiß: ein hervorragendes konkretes Beispiel wäre die fantastische achte Episode von "Twin Peaks": Die Rückkehr", die perfekt zum Ambiente von "Castle Bravo II" passt.
Anne: Ich bin mehr als neugierig, um was es im zweiten Song auf der Platte geht: "Riss-Würm". Das klingt wunderbar abstrakt, wie ein Ding aus einem Science-Fiction-Film aus den 1980er-Jahren. Gibt es dafür eine Übersetzung? Wovon handelt dieses Stück?
TKE: Es handelt sich dabei um den Namen einer intergalaktischen Periode (vor 130.000 Jahren). Bei dem Song haben wir an kleine Stämme von Menschen gedacht, die mühsam die Erde durchstreifen und unter extrem schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben – das verleiht dem Stück seine düstere Stimmung. Aber wir wollen nicht lügen. Wir haben uns auch für diesen Namen entschieden, weil er unglaublich cool klingt.
Anne: Heute erscheint Eure Live-Version von "Ebb & Flow". Ich teile sie zusammen mit diesem Interview mit meinen Leser*innen. Wann habt Ihr die Songs aufgenommen und wo kann man sie außer bei YouTube noch anhören?
TKE: Wir haben die Live-Session Ende 2021 hier in einer Location namens "Le Port Franc" aufgenommen. Sie wird schon bald auch auf allen bekannten Streaming-Plattformen verfügbar sein. Natürlich kann man auch die Studio-Version überall anhören.
Anne: Ich freue mich schon sehr darauf, "Ebb & Flow" irgendwann komplett live zu hören. Wie hat es sich angefühlt, all diese großartigen Songs komplett live und an einem Stück aufzunehmen?
TKE: Tatsächlich mussten wir jeden Song zwischen vier und fünfmal aufnehmen, um genügend Video-Material zu bekommen und uns die besten Takes aussuchen zu können. Wir haben das alles an einem Tag gemacht – was in unseren Augen ein Fehler war, denn es war unglaublich anstrengend.
Man kann sehen, wie uns in den letzten zehn Minuten der Session die Lebenskraft verlässt. Für ähnliche Projekte in der Zukunft werden wir die Aufnahmen definitiv über zwei oder drei Tage verteilen. Am Ende finden wir alle, dass es sich trotz allem gelohnt hat. Die Lightshow ist atemberaubend, die Songs klingen hervorragend und der Schnitt ist sehr dynamisch geworden. Für eine zu 100 Prozent selbstfinanzierte Produktion sieht alles ziemlich professionell aus. Wir hoffen, dass es den Leuten gefällt und sie unser Album aus einem neuen Blickwinkel wieder entdecken. Ein kleines Spiel für die ganz aufmerksamen Zuschauer*innen: irgendwo in diesen 45 Minuten Live-Session ist ein unterschwelliges Bild zu sehen. Sagt uns Bescheid, wenn Ihr es entdeckt!
Anne: Eure erste Platte habt Ihr 2016 veröffentlicht. War das auch Euer Gründungsjahr?
TKE: Ich schätze, unser Gründungsjahr war 2014, denn da haben wir angefangen, bei Konzerten strukturierte Songs zu spielen. Am Anfang waren wir eher eine Jam-Band. Unsere Gründungsmitglieder haben sich erst 2011 kennengelernt. Aber wir klangen nicht so wie heute (lacht).
Anne:: Habt ihr Euch schon immer für bedeutsame und progressive dunkle Post-Musik interessiert? Wo liegen Eure Einflüsse?
"Wir wollten wie von Jazz inspirierte Pink Floyd klingen"
TKE: Am Anfang wollten wir wie Pink Floyd mit Jazz-Einflüssen klingen, aber wir haben schnell gemerkt, dass wir keinen Jazz spielen können, und das hat sich nicht geändert. Ungefähr zu dieser Zeit entdeckten wir das selbst betitelte Album von Long Distance Calling (2011), das für uns einen echten Wendepunkt darstellte. Wir wollten eine Instrumentalband sein, die Stoner-, Post- und Prog-Elemente mischt. Unsere ersten Songs waren alberner, und wir bewegten uns langsam in Post-Rock-Gefilde und in letzter Zeit in Richtung Post-Metal und Prog-Metal. Unsere offensichtlichsten Einflüsse sind Bands wie Russian Circles, Cult of Luna und The Ocean. Indirekt sind wir auch immer von Stoner-Musik inspiriert. Unter anderem hat uns die letzte Platte von DVNE in letzter Zeit sehr beeindruckt, auch wenn sie kein direkter Einfluss für uns ist.
Anne: Was habt Ihr nach Eurer Live-Veröffentlichung als Nächstes geplant?
TKE: Wir arbeiten bereits an unserer nächsten Veröffentlichung. Wir können noch nicht viel darüber sagen, aber im Vergleich mit "Ebb & Flow" werden wir die Komplexität unserer Kompositionen zurückschrauben. Wir planen außerdem, das Album live aufzunehmen und die Aufnahmesession zu filmen. Dabei werden wir Video-Mapping einsetzen, um dem Ganzen einen spannenden Look zu geben.
Anne: Wo können wir Euch live erleben?
TKE: Wir buchen gerade eine kleine Europa-Tour für Frühling 2023. Im Moment können wir noch nicht viel darüber sagen. Am besten checkt Ihr ab und zu unsere Social Media Accounts, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Wir werden dort auf jeden Fall bekannt geben, wenn die ersten Konzerttermine feststehen.
Anne: Wenn es etwas auf der Welt geben würde, dass Ihr ändern könntet. Was wäre es und warum?
TKE: Wir sind überzeugt, dass die alternative Musik-Szene viel mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient. Ich kenne die Situation in anderen Ländern nicht, aber es ist eine internationale Angelegenheit, bei der großartige Bands wie TesseracT oder Anathema darum kämpfen, von ihrer Musik leben zu können.
Anne: Danke für das Interview!