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    "Wir proben in völliger Dunkelheit"

    Interview mit Solár Drummer Aron zum Album "Atlas"

    Interview von Anne
    31.08.2022 — Lesezeit: 6 min
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    "Wir proben in völliger Dunkelheit"
    Bild/Picture: © Solár

    Solár ist ein junges Post-Rock-Projekt aus Schweden, das ich vor einiger Zeit kennenlernen durfte. Die Band war so freundlich, mir ihr erstes Album "Atlas" zuzusenden und ich verliebte mich sofort in ihre Musik. Ihre Songs könnte man als anspruchsvollen, künstlerischen Post-Rock mit einem Touch DIY und einem Hauch Prog beschreiben. Mir war sofort klar, dass ich mehr über Solár erfahren wollte. Gut für Euch: viel Spaß meinem Interview mit Drummer Aron.

    Aber, das Wichtigste zuerst! "Atlas" wird am 9. September auf allen Streaming-Plattformen erscheinen. Ihr könnt Euch die vorab veröffentlichte Single "Nomad" unter diesem Artikel anhören.

    Anne: Hi! Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst! Wie geht es Dir heute? Ihr steht kurz vor der Veröffentlichung Eures ersten Albums "Atlas", das übrigens fantastisch geworden ist. Seid Ihr zufrieden mit Eurer Arbeit?

    "Wir wollen Gefühle hervorrufen"

    Aron: Hi Anne, danke für die Einladung! Wir freuen uns darauf, "Atlas" endlich zu veröffentlichen und sind sehr zufrieden mit dem Gesamtwerk. Wenn wir über unsere Musik reden, sagen wir oft, dass wir unsere Zuhörer*innen mit auf eine Reise nehmen und starke Gefühle hervorrufen möchten. Das haben wir im Studio versucht, einzufangen. Als Musiker*innen sind wir natürlich selbst unsere größten Kritiker*innen und wir haben uns diese Songs immer wieder und in den unterschiedlichsten Versionen angehört. Und was soll man sagen? Sie nehmen uns mit auf eine Reise und rufen starke Gefühle in uns hervor.

    Anne: Wie ist das Feedback zur Vorauskopplung "Nomad" bis jetzt?

    Aron: Ziemlich gut! Wir haben massenhaft Nachrichten von Leuten bekommen und es sind einige sehr positive Rückmeldungen dabei! Auf dem heutigen Musikmarkt ist es vermutlich das Dümmste, was man tun kann, eine 22-minütige Single zu veröffentlichen. Für uns ist dieser Song jedoch etwas Besonderes, weil er der Erste ist, den wir zusammen geschrieben haben. Außerdem repräsentiert er alle Elemente des Albums. Von unterschiedlichen Dynamiken über Build-ups bis hin zu freien Zwischenspielen und einem gloriosen Höhepunkt ist alles mit dabei.

    Solár – "Nomad"
    Solár – "Nomad"

    Anne: Wird es die Möglichkeit geben, diese sechs epischen Songs auf "Atlas" live zu erleben?

    Aron: Ja! Wir haben auf jeden Fall ein Release-Konzert am 10. September hier in Stockholm geplant. Es wird super laut (lacht). Im Oktober wollen wir zudem bei 1000Mods hier in Schweden spielen und für 2023 es gibt es auch Pläne für Festivals in anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland.

    Anne: Die Songs heißen "Nomad", "Sam Francis" (Der Maler?), "Swarm", "Mesmer" (Geht es um den Entdecker des Mesmerismus?), "Breach" und "Samarkand" (Ich glaube, das ist der Name einer Stadt in Usbekistan?). Das klingt ganz danach, als gäbe es eine Geschichte, die sie alle zusammenführt. Stimmt das? Möchtest Du sie mit mir teilen?

    Solar – "Atlas" oder: ein Nomade im Dünenmeer

    Aron: Ich kann vermutlich endlos über die Bedeutung der Songs und das Gesamtkonzept der Platte sprechen. Es geht, wie zuvor erwähnt, um eine Reise und die Erforschung der Gedankenwelt. Der Titel "Nomad" ist uns eingefallen, als wir die Bridge in der Mitte des Songs beschreiben wollten – die Toms sind an dieser Stelle sehr prominent. Wir haben dabei an einen Nomaden gedacht, der durch ein Meer aus Dünen wandert, also haben wir den Song "Nomad" genannt.

    "Sam Francis" haben wir nach dem expressionistischen Künstler Sam Francis benannt. Leon Olas Rosén, der einer unserer Keyboard-Spieler ist, stammt aus einer Künstlerfamilie. Er hat sich eine frühe Version des Songs angehört, als er gerade an einem Bild saß. Als abstrakter Maler konnte er eine gute Verbindung zwischen der Musik und den Farben, die er verwendete, herstellen.

    "Swarm" und "Breach" haben ihre Namen von Visionen und Gefühlen. Wenn Dich der Bass beim Intro und Outro von "Swarm" voll erwischt, bekommst Du das Gefühl von einem Schwarm ergriffen zu werden. Die Rede im Song stammt vom späten Olof Palme – er ist ein ehemaliger schwedischer Premierminister. Er spricht darüber, wie unsere Spezies unsere Zukunft zerstört – vor allem in der westlichen Welt. Vom Angriff auf den Wunsch zu überleben.

    Mit "Mesmer" wollten wir zwischen all dem Chaos eine Atempause schaffen. Henrik Wenne unterstützt und darin mit seinem Gesang. Er ist ein großartiger Sänger und Lyriker. Er erforscht die Gefühle, die uns am meisten verletzen und beängstigen, um die Hörer⋆innen anschließend mit einem Overload an mentalen Impressionen aus der Hypnose zu wecken.

    "Samarkand" soll die Hörer⋆innen weit weit weg transporieren. Stell Dir vor, Du stehst inmitten eines endlosen Feldes oder Tales, wo Du ewig wanderst und all Deine Energie verbrauchst, während Du versuchst, Dich wieder in Sicherheit zu bringen. Wir wissen nicht, ob Du es schaffen wirst, denn die Geschichte endet an dieser Stelle.

    Anne: Ihr habt mit Sofar Stockholm zusammengearbeitet. Die kümmern sich um Studios und Live-Locations, wenn ich richtig informiert bin? Was verbindet Euch mit diesem wundervollen Verein?

    "Wir haben 2019 schon in Stockholm gespielt"

    Aron: Sofar Sounds ist eine globale Organisation, die weltweit in mehr als 350 Städten Auftritte an einzigartigen Orten wie Geschäften und Wohnungen organisiert. Die Bands treten jedes Mal woanders auf, also ist jeder Auftritt einzigartig. Und ja, ich buche Künstler⋆innen für Sofar Stockholm. Solár hatten vor dem Beginn der Pandemie im Dezember 2019 die Möglichkeit, mit Sofar Stockholm zu spielen.

    Anne: Ihr seid zu viert, oder? Zwei Personen an den Tasten, eine an Gitarre und Gesang und eine am Schlagzeug? Wer spielt welche Instrumente? Ist Solár eine Art Kollektiv, wie zum Beispiel The Ocean, die immer mal wieder in etwas unterschiedlichen Konstellationen zusammenkommen, oder seid Ihr eine feste Band?

    Aron: Solár besteht aus Martin Sundgren (Tasten/Bass), David Sundström (Gitarre), Leon Olas Rosén (Tasten/Bass) und mir, Aron Stén am Schlagzeug. Mit Projekten wie The Ocean kann man uns glaube ich wegen der Instrumente nicht vergleichen. Obwohl Martin und Leon sich bei der Bass-Rolle manchmal abwechseln, da sie beide Gitarre und Keyboards spielen. Martins Hauptinstrument ist der Bass, also haben wir angefangen, eine Bassgitarre in unsere neuesten Songs zu integrieren. Außerdem haben wir mit Henrik Wenne einen Gast auf unserem Album. Er ist ein enger Freund von uns und ein großartiger Sänger!

    Anne: Wie würdest Du die schwedische Post-Rock Szene beschreiben?

    Aron: Wir haben einige großartige Bands wie Lights and Motion, Oh Hiroshima, pg.lost und Immanu El. Sie alle machen geniale Musik. Die Livemusik-Szene für Post-Rock ist jedoch sehr klein. Wir verlassen uns für Auftrittsmöglichkeiten also auf Bands wie uns. Unser Zielt mit Solár ist es, auch andere Länder anzusprechen, besonders in Europa. Ich glaube, dort gibt es für Bands in unserem Genre ein viel größeres Potenzial.

    Solár – "Atlas"
    Solár – "Atlas"

    Anne: Wo liegen Eure größten Einflüsse?

    "Wir lieben Mogwai und Sigur Sigur Rós"

    Aron: Wir ziehen unsere Einflüsse aus einer Vielzahl unterschiedlicher Genres und Stile. Es können aber auch Gefühle oder Stimmungen sein, wie Panik oder Hoffnungslosigkeit. Oder ein bestimmter Modus. Wir nutzen unter anderem regelmäßig den Phrygian Modus. Aber ich glaube, unsere größten Einflüsse in Bezug auf Bands sind wohl GY!BE, Swans, Pink Floyd, Cult of Luna, Mogwai und Sigur Rós.

    Anne: Wolltet Ihr schon immer Post-Music machen?

    Aron: Wir haben alle studiert, um freie Musiker zu werden. Die natürliche Entwicklung auf einer derartigen Laufbahn ist hier in Schweden die Zusammenarbeit mit Pop-Künstler⋆innen. Daraus ergibt sich natürlich nicht immer 100-prozentige künstlerische Freiheit. Außerdem kann das Genre gelegentlich etwas generisch sein und nicht sehr einzigartig. Wir haben den Drang gespürt, etwas weitab des Mainstreams und der Charts zu machen, also haben wir angefangen gemeinsam zu proben, das Licht ausgeknipst und stundenlang in kompletter Dunkelheit gejammt. Die Eliminierung des Sehsinns zwingt uns dazu, unser Gehör zu verbessern und einander zuzuhören. Wir spielen heute noch so, weil wir so das Maximum an Gefühlen rausholen können.

    Anne: Habt Ihr noch andere Projekte oder Bands, in denen Ihr vor Solár gespielt habt, die Du erwähnen möchtest?

    Aron: Ich spiele noch in einem vor Kurzem gegründeten sehr wütenden Hardcore Projekt. Wir haben bis jetzt noch keinen Namen. Leon spielt mit vielen unterschiedlichen Künstler⋆innen, einige davon kommen von Swedish Idol. Er hat auch ein Lo-Fi Duo namens nap.head.

    Anne: Ihr beschreibt Eure Musik als düster und atmosphärisch, was es ziemlich genau in Worte fasst. All diese hellen und schweren Momente, plötzlichen Veränderungen und emotionalen Paraphrasierungen – spiegeln sie das Leben wider?

    Aron: Ich würde sagen, es ist einer der Aspekte des Lebens. Jeder Mensch kommt mit einer Hintergrundgeschichte und trägt ein "Päckchen" mit sich, das wir zunächst nicht sehen können. Außerdem weiß man nie, was als Nächstes passieren wird, weil das Leben unfair und unvorhersehbar ist.

    Anne: Ist "Atlas" die erste Platte, die Ihr gemacht habt?

    Aron: Wir haben alle mit unseren früheren Projekten schon kürzere Alben oder EPs gemacht. Ich glaube aber, es ist unser erstes Album, mit mehr als einer Stunde Spielzeit.

    Anne: Hattet Ihr Spaß dabei, "Atlas" aufzunehmen und zu produzieren?

    "Wir haben die Zusammenarbeit mit Jonas Lindström sehr genossen"

    Aron: Auf jeden Fall! Wir haben es sehr genossen! Das Album wurde in Stockholm bei Durango Recording aufgenommen. Jonas Lindström war unser Recording- und Mixing-Engineer. Es ist ein fantastisches Studio und Jonas hat das Ganze für uns zu einem unvergesslichen Erlebnis für uns gemacht. Kai Blankenberg hat sich dann in der Skyline Tonfabrik in Düsseldorf um das Mastering gekümmert. Er hat auch einen großartigen Job gemacht.

    Anne: Was steht nach der Veröffentlichung von "Atlas" als Nächstes an für Solár?

    Aron: Wir werden am 10. September unseren Release-Gig spielen. Dann werden wir das 1000Mods hier in Schweden eröffnen. Nächstes Jahr werden wir dann auf deutschen Festivals spielen, was großartig wird. Nach der Pandemie, die uns zwei Jahre lang ausgebremst hat, möchten wir unbedingt live spielen, vor allem außerhalb Schwedens. Wer also Interesse hat: Meldet Euch bei uns! Wir kommen vorbei und spielen!

    Anne: Danke, dass Du meine Fragen beantwortet hast! Ich wünsche Euch alles Gute für Eure Pläne und natürlich für den Release!

    Aron: Die Freude ist ganz meinerseits! Danke!

    Solar – "Nomad"

    Solár – "Atlas"
    Solár

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