The Ocean Gründer Robin Staps
"Das neue Album ist eine Reise"
Am 25. September ist es soweit: Der zweite Teil des gefeierten Albums "Phanerozoic" von The Ocean erscheint. Wir alle haben diesen Moment sehnsüchtig erwartet. Ich hatte jetzt die Ehre, mich mit The Ocean Gründer Robin Staps über die Entstehung von "Phanerozoic" und über das in Berlin ansässige Post-Rock Label der Band Pelagic zu unterhalten.
Anne: Hallo Robin! Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst! Ich freue mich sehr, Dich kennenzulernen! Wie geht es Dir?
Robin: Sehr gut, danke schön! Es gibt viel zu tun! Das neue Album ist ja gerade fertig geworden und wir haben insgesamt über 11.000 Platten auf Vinyl gepresst. Die müssen jetzt natürlich alle verpackt werden. Natürlich gibt es dann auch immer Sachen, die dann nicht so funktionieren, wie man es sich vorgestellt hat. Wir haben halt dieses Mal zum Beispiel Fotobücher gemacht von der Tour 2019. Es besteht zum Teil aus Reisefotografie, zum Teil aus Live-Sachen. Leider wurden sie viel zu spät angeliefert und dann hatten sie auch noch einen Druckfehler und mussten nochmal gedruckt werden. Jetzt warten wir alle auf dieses letzte Puzzlestück. Es bleibt also spannend!
Anne: Das klingt nach einer Menge Arbeit! Wie ist das Jahr denn bis jetzt für Euch gelaufen?
"Wir haben die Pause für neue Projekte genutzt"
The Ocean. Bild/picture: © The Ocean Collective
Robin: Es war insgesamt bis jetzt ein sehr produktives und erfülltes Jahr für uns. Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass wir quasi umgeschaltet haben und uns auf Projekte konzentriert, für die wir sonst keine Zeit gehabt hätten. Nachdem unsere Süd-Amerika-Tour im Mai ausgefallen ist und Wacken und das Prognosis Festival im März, haben wir uns dafür entschieden, unseren Fokus anders zu setzen. Wir konnten die Zeit für Sachen nutzen, die wir schon immer machen wollten und so hatte der Ausfall am Ende für uns auch etwas Gutes.
Anne: Du hast es ja gerade schon kurz angesprochen, dass Ihr im Moment viel mit dem Verpacken der Platten beschäftigt seid. Du hast ja nicht nur ein Händchen für Musik, wenn es um The Ocean geht. Mit Pelagic hast Du ein erfolgreiches Label gegründet, bei dem einige der bekanntesten Post-Rock-Bands gesignt sind. Dann ist es dort immer noch so, dass der Gründer sich auch mit um alles kümmert? Wie groß ist denn Dein Team beim Label inzwischen?
Robin: Also da wären Paul unser Drummer und ich und inzwischen vier weitere Mitarbeiter*innen. Bis vor zwei Jahren waren es nur Paul, Steve und ich. Vor zwei Jahren sind wir dann doch überraschend schnell gewachsen. Zum Glück hatten wir viele tolle Leute aus unserem Bekanntenkreis am Start. Sie sind zuerst eingesprungen und arbeiten jetzt dauerhaft für uns. Wir haben die Aufgaben inzwischen ganz gut verteilt. Paul kümmert sich um das Digitale, ich mache überwiegend den Vertrieb und die Produktionsplanung, Dennis macht die Logistik, Chris macht Playlists und PR.
"Pelagic ist schnell gewachsen"
Mittlerweile ist das für uns alle ein Vollzeitjob. Früher habe ich, wenn wir mit The Ocean auf Tour gegangen sind, einfach weniger für das Label gemacht. Inzwischen ist das nicht mehr denkbar. Es hat sich einfach zu einem umfangreichen Apparat entwickelt.
Wir haben ja auch zum Beispiel die Vinyl-Subscribtion, bei der 250 Abonnenten jeden Monaten ihre Platten bekommen. Inzwischen müssen wir das Ganze ein bisschen ernster nehmen, als noch zu Anfang.
Anne: Um nochmal auf das Thema Artworks zurückzukommen: Eure LP-Boxsets sind auch Abseits der Musik Meisterwerke. Zuletzt habt Ihr Euren Special Editions Fossilien oder mit Holz verkleidete USB Sticks beigelegt. Ich kenne kaum Bands, die vergleichbar viel Wert darauf legen. Wie wichtig ist Euch das Artwork neben der eigentlichen Musik? Welchen Anteil am Gesamtkonzept hat es?
"Dem Artwork widmen wir genauso viel Aufmerksamkeit wie der Musik"
The Ocean im Logo in Hamburg 2019
Robin: Das Artwork nimmt auf jeden Fall einen großen Teil des Gesamtkonzepts ein. Ich habe immer versucht, Musik, vor allem die, die ich mit The Ocean mache, relativ holistisch zu begreifen. Als ein Zusammenspiel aus Kunst im 2D- oder 3D-Sinne und Musik. Mir macht das viel Spaß. Das ganze Produktdesign-Thema fasziniert mich sehr. Ich liebe es, damit Grenzen auszureizen und Dinge zu probieren, die es noch nicht so oft gegeben hat. Die zehnjährige Zusammenarbeit von The Ocean mit dem Grafiker Martin Quamme macht mir unglaublich viel Spaß. Er hat genau wie wir Lust, Materialien, Techniken und Packaging-Ideen auszuprobieren. Das Zusammenspiel aus seinen und meinen Ideen ist immer ziemlich fruchtbar.
Ich würde sagen, dass die Kunst in Bezug auf die Zeit gleichberechtigt mit der Produktion der Musik ist. Natürlich muss erstmal geschrieben werden und die Musik wird aufgenommen. Aber danach fängt ein anderes Kapitel an, das meistens nicht weniger zeitaufwendig ist.
Anne: Wer hatte die Idee mit den Fossilien für Euer letztes Album "Phanerozoic I"?
Fossilien als Beilage zum Album
Robin: Die haben wir meinem Vater zu verdanken! Ich hatte ihm erzählt, was wir mit unserem nächsten Album so vorhaben und dann meinte er "Oh, das klingt spannend! Legt der Box doch Fossilien bei!" Ich habe zuerst gelacht, aber ziemlich schnell gedacht, dass das eine wirklich geile Idee ist! Wir haben direkt angefangen zu recherchieren und tatsächlich am Geologie-Institut in München eine sehr nette Dame gefunden, die auch Lust auf das Projekt hatte.
Sie hat uns dann geholfen, diese Fossilien in den doch recht großen Mengen zu beschaffen. Das waren ja immerhin 1.000 Boxen. Du kannst Dir vorstellen, dass das nicht einfach war. Die Dinger kann man ja nicht einfach herstellen - sie werden gefunden. Die Schwierigkeit war, dass sie alle eine ähnliche Größe, Gewichtsklasse und Preislage haben mussten. Aber zusammen und in Etappen haben wir es tatsächlich geschafft. Es gab dann halt mal 150 Trilobiten aus dem Euritium und wenn die verbraucht waren, gab es 200 Orthoceras und so weiter. Sie hat sie für uns auf verschiedenen Messen und bei Online-Anbietern zusammengetragen.
Anne: Das ist wirklich sehr aufwendig und wunderschön. Es hat schon was, wenn man sich zusammen mit der Platte einen Trilobiten ins Regal legt. Der zweite Teil des Albums "Phanerozoic II" erscheint ja am 25. September. Ein paar Stücke kann man inzwischen schon hören und ich muss sagen, sie machen ordentlich Lust auf mehr! Bist Du zufrieden mit dem Gesamtwerk?
"Die Dinge dem Zufall zu überlassen, hat sich überwältigend angefühlt"
The Ocean im Logo in Hamburg 2019
Robin: Absolut! Für uns ist das Album eine besondere Platte. Die Entstehungsgeschichte dahinter ist ganz anders, als die ihrer Vorgänger. Normalerweise habe ich schon, wenn wir ins Studio gegangen sind, eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das Album klingen wird, wie es aussehen wird und welche Songs in welcher Reihenfolge drauf sind. Die einzelnen Sounds waren immer schon sehr ausgearbeitet.
Dieses Mal haben wir einfach viel mehr Abstand von diesen extrem detaillierten Vorproduktionen genommen. Wir haben die Dinge einfach passieren lassen. Am Anfang war das ein bisschen schwierig für mich. Es hat sich ziemlich überwältigend angefühlt. Ich habe mir tatsächlich die Frage gestellt, ob das Ganze wirklich ein Album wird oder ein lose Kollektion aus Songs.
"Das Album durchläuft verschiedene Phasen"
Am Ende hat es aber sehr gut geklappt. Die Dinge haben sich ergeben. Aus der Spontanität heraus ist etwas sehr Schönes entstanden, das es in der Form sicher sonst nicht gegeben hätte. Das Album ist eine Reise geworden, die an einem Punkt anfängt und einem ganz anderen aufhört. Man kann nicht vorausahnen, was einen erwartet, wenn man den ersten Song anhört und das gefällt mir sehr gut. Es sind nicht nur wahllos aneinandergereihte Songs.
Es durchläuft verschiedene Phasen und entwickelt sich von einer Phase in die nächste - von Song zu Song. Insgesamt ist es sehr vielfältig und breit gefächert - noch viel mehr als der erste Teil des Albums. Ich finde, der Sound ist der Wahnsinn. Ich glaube, dass es das beste The Ocean Album ist, das es bisher gibt. Es kommt der Vorstellung, die ich davon hatte, was ich machen möchte am nächsten. Auch mit dem Artwort und dem Packaging bin ich sehr zufrieden. Wir haben ja auch wieder sehr viel Zeit hineingesteckt.
"Die Platten sehen genial aus"
The Ocean im Logo in Hamburg 2019
Anne: Wie war es, Euer Werk das erste Mal in den Händen zu halten?
Robin: Als das Vinyl letzte Woche angeliefert wurde, hat es mir die Haare zurückgeweht. Ich muss sagen, sie sehen einfach genial aus. Wir haben ein ganz besonderes Papier benutzt, mit dem wir ganz viele Tests machen mussten. Es muss ja auch geklebt und zu Gatefolds gefaltet werden. Da darf nichts aufgehen oder reißen. Es besitzt eine ganz besondere Struktur und ist einfach wunderschön. Wir waren ein Jahr lang mit dem Presswerk und verschiedenen Herstellern beschäftigt deswegen. Wenn man es dann in der Hand hält, ist ein Kapitel mit durchweg positiven Seiten abgeschlossen. Man hat das Gefühl, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.
Anne: Dann ist "Phanerozoic II" nicht zusammen mit dem ersten Teil entstanden, sondern es war ein ganz eigener Prozess?
"Die Songs sind 2016 und 2017 entstanden"
Robin: Die Songs sind alle mehr oder weniger zur selben Zeit entstanden. Das war 2016 und 2017. Es gibt ja auch immer eine gewisse Latenz zwischen Writing und Release. Vor allem, wenn es ein Doppelalbum ist. Anfang 2018 haben wir dann mit den Drums-Aufnahmen für beide Alben begonnen. Die Songs waren zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend da - nur eben unterschiedlich ausgearbeitet. Die für den ersten Teil waren schon ziemlich fertig und die für den zweiten befanden sich zum Teil noch im Rohzustand. Nach den Aufnahmen der Drumparts haben wir dann den ersten Teil fertig gemacht. 2019 waren wir dann das ganze Jahr über damit auf Tour.
Parallel dazu haben wir den zweiten Teil finalisiert. Die Bass-Aufnahmen habe ich teilweise noch auf der Tour mit Leprous, die wir im November gemacht haben mit Matthias zusammen aufgenommen. Für den Gesang habe ich im Sommer drei Sessions mit Loïc gemacht. Das lief quasi zwischen den Festivals und dem Touren. Das Album wurde on the road fertiggestellt - eingebettet in die Tour und die Produktion des ersten Teils.
"Ich habe Geographie studiert"
Bild/Picture: © The Ocean Collective
Anne: Insgesamt steht Ihr ja ziemlich auf Konzeptalben. Mal dreht es sich um Tonleitern, mal um Tiefenzonen von Gewässern und mal um Zeitalter.
Mit dem neuen Album "Phanerozoic II" verfolgt Ihr das Konzept weiter, das 2018 mit dem ersten Teil "Phanerozoic I" losging. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, dem Phanerozoikum ein Album zu widmen? Oder zuvor auch schon dem Präkambrium1?
Robin: Die Idee ist schon relativ alt. "Precambrian" haben wir 2007 veröffentlicht. Damals habe ich mich viel mit dem geologischen Zeitalter beschäftigt. Die Verbindung mit dem Album ist daraus entstanden, dass ich zu dieser Zeit Geografie studiert habe. Ich habe versucht, mir die Musik von "Precambrian" bildlich vorzustellen. Vor meinem inneren Auge habe ich prähistorische Szenen und Landschaften gesehen. Irgendwie war das alles sehr passend. Die Thematik ergänzt die archaische und monumentale Musik gut. Nach "Precambrian" haben wir dann erstmal ganz andere Sachen gemacht. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass da irgendwo noch so eine Lücke ist, die wir füllen müssen. Sowohl vom Konzept her als auch musikalisch. Was fehlte, war das Phanerozoikum. Die Zeit, in der wir heute noch leben und die vor 550 Millionen Jahren bereits begonnen hat.
"Die Idee für die Zusammenarbeit mit Katatonia entstand 2009"
Zwischen den Alben "Precambrian" und "Heliocentric", die für uns auf unterschiedliche Weise wegweisend waren hat auch musikalisch etwas gefehlt. Mit "Precambrian" haben wir damals unseren Sound gefunden. "Heliocentric" war hingegen mit Loïcs Gesang ein kompletter Neuanfang, der vielleicht viele Leute zunächst mal vor den Kopf gestoßen hat. Ich wollte diese Lücke mit "Phanerozoic I" und "Phanerozoic II" schließen. Ich glaube, das hat gut funktioniert. Die beiden Platten sind nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern zeigen auch, wo wir als Band im Jahr 2020 stehen.
Anne: Ihr habt für beide Teile jeweils für einen Song mit Katatonia zusammengearbeitet. Wie ist die Zusammenarbeit mit Jonas Renzke entstanden? Habt Ihr beide Songs in einer Session aufgenommen?
Robin: Das geht auch auf "Precambrian" Zeiten zurück. Ich habe damals mit ihm Kontakt aufgenommen. Katatonia waren gerade im Studio und haben "Great Cold Distance" aufgenommen und wir waren im Studio und haben unser Album gemacht. Jonas gefiel unser Material und wir haben damals schon über eine Kollaboration gesprochen. Leider hat es aber aus Zeitgründen nicht geklappt. Wir waren fast fertig und Jonas war mit Katatonia im Studio. Zehn Jahre später haben wir dann mit Katatonia in Rumänien gespielt, als sie ihre 10 Years Anniversary Show zu "Great Cold Distance" gespielt haben. Wir wurden dazu eingeladen. Wir haben den Gedanken wieder aufgegriffen.
"Devonian" haben wir nochmal komplett neu arrangiert"
The Ocean im Logo in Hamburg 2019Ich habe Jonas dann den Song "Devonian" vom ersten Teil von "Phanerozoic" geschickt, weil ich mir sehr gut vorstellen konnte, dass er dazu singt. Es hat ihm sofort gut gefallen. Kurz darauf hat er uns Demos geschickt, die im Prinzip genau so auf dem Album gelandet sind. Weil es so gut funktioniert hat, haben wir das für den zweiten Teil gleich nochmal aufgegriffen. Das war sehr spontan. Eigentlich gab es für den Part schon Gesang von Loïc und auch die Gitarren waren schon aufgenommen. Dann hat Peter die Synths auf eine ziemlich geniale Art komplett umgebaut und irgendwie passte es nicht mehr zum Rest. Wir waren schon auf Tour mit Leprous und hatten keine Zeit. Irgendjemand meinte dann "Schick doch den neuen Part mal an Jonas" und plötzlich ging alles seinen Gang.
Anne: Du hast ja vorhin schon gesagt, dass sich für Euch mit Loïcs Einstig einiges geändert hat. Für mich passt seine Mix aus Gesang und Shouting perfekt zu Eurem Spiel aus brachialen und melodischen Parts. Wie habt Ihr Euch gefunden?
"Loïc ist der perfekte Sänger"
Robin: 2009 hörte unser damaliger Sänger Mike Pilat auf. Während der Tour mit Opeth 2008 hatte er sich entschieden zu gehen. Gleichzeitig befand ich mich an einem Punkt, an dem ich musikalisch andere Sachen ausprobieren wollte. Wir haben viel rumprobiert und uns viel Zeit gelassen, jemand Neues zu finden. Loïc kam dann über unseren damaligen Soundmann Julien aus der Schweiz, der auch heute noch für uns die Drums dazu aufnimmt. Er kennt ihn über Loïcs ehemalige Band. Er hat uns Demos für alte Songs eingesungen. Wir haben ihm damals unter anderem "Firmament", den ersten Track von "Heliocentric" geschickt.
Er hat frei improvisiert und uns hat es so gut gefallen, dass die Gesangslinien direkt auf dem Album gelandet sind. Loïc hatte noch nie in einer Band geschrien, sondern immer clean gesungen. Zusätzlich zu seiner geübten und vielseitigen Stimme konnte er auch ultrabrutal schreien. Er brachte einfach alles mit, was wir uns gewünscht hatten. Er konnte einfach alles. Wir haben dann ziemlich sofort mit der Aufnahme für "Heliocentric" angefangen. Loïc stammt aus dem französischen Teil der Schweiz und sprach damals noch kaum Englisch. Daher mussten wir anfangs sehr viel auf die Aussprache achten, was ein bisschen Zeit gekostet hat, aber letztendlich hat alles perfekt funktioniert. Seit 2009 gehört er fest zur Band dazu.
"Es gibt viel mehr Bandmitglieder, als die Personen auf der Bühne"
The Ocean im Logo in Hamburg 2019
Anne: Ihr habt als Bandkollektiv begonnen. Kannst Du kurz beschreiben, was es damit genau auf sich hat? Würdet Ihr Euch immer noch so bezeichnen? Immerhin seid Ihr ja jetzt schon seit einiger Zeit in mehr oder weniger unveränderter Besetzung.
Robin: In jüngster Zeit haben wir ja auch wieder unter dem Namen "The Ocean Collective" aufgenommen und ihn zum Beispiel auch auf Plakate gedruckt. Wir waren bei unserer Gründung einfach eine lose organisierter Verbund aus Musiker*innen. Es gab viel mehr Bandmitglieder, als Personen, die nachher bei den Auftritten auf der Bühne standen. Zwischenzeitig gehörten bis zu 20 Personen zum The Ocean Collective. Es gab zum Beispiel drei bis vier Gitarrist*innen, obwohl wir meistens nur mit zweien bis dreien live gespielt haben. Das entschied sich danach, wer gerade Zeit und Lust hatte. Eine Zeitlang funktionierte das sehr gut. Irgendwann haben wir dann aber gemerkt, dass wir auf diese Art sehr viel Zeit im Proberaum verbracht haben. Irgendwann hatte sich dieses Konzept einfach ausgereizt.
Gleichzeitig war es schon immer so, dass wir mehr waren, als die Musiker⋆innen, die man auf der Bühne sehen kann. Wir hatten schon immer diesen Pool an Menschen um uns herum, die dazu gehört haben. Da ist zum Beispiel wie bereits erwähnt Martin Quamme, mit dem wir schon seit 2006 zusammenarbeiten, Craig Murray, der unsere Videos macht, unsere Crew-Leute Chris und Jean, die den Sound und das Licht für uns machen. Sie kennen jeden Song auswendig. Jean spielt im Prinzip auf dem Lichtpult Keyboard. Sie alle stehen nicht mit uns auf der Bühne, sind aber extrem wichtig für das, was wir machen. Um sie zu ehren, findet der Kollektivgedanke nach wie vor Gebrauch.
Anne: Euch gibt es jetzt seit sage und schreibe 20 Jahren. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum an dieser Stelle! Was würdest Du sagen, hat sich seit den Anfängen von The Ocean für Euch als Band verändert?
"Wir blicken auf eine bewegte Zeit zurück"
Robin: Es hat sich enorm viel verändert. Es fühlt sich fast schon absurd an, wenn ich bedenke, dass ich vor 20 Jahren mit diesem Traum angefangen habe. Wenn ich hier gerade die Straße runterschaue. Unser erster Proberaum war in der Görlitzer Straße auf der anderen Seite vom Görlitzer Park. Inzwischen wohne ich auf der anderen Seite. Hier ging damals alles los. In der Zwischenzeit hat sich so viel getan. Die Besetzungswechsel natürlich und die Einflüsse, die die verschiedenen Leute in die Band mit eingebracht haben.
Ich bin einerseits sehr dankbar, dass wir jetzt seit einigen Jahren ein festes Line-up haben, auf das ich mich immer verlassen kann. Wie wären mit der Band sonst auch nicht dort, wo wir uns jetzt befinden. Andererseits war es natürlich auch spannend, diese ganzen Veränderungen miterleben zu dürfen. Jeder hat sich uns seine Ideen und Inspiration mit eingebracht. Wir blicken auf eine coole und bewegte Zeit zurück.
"Wir sind gute Freunde"
Es gab auch schwierige Zeiten. Loïc und ich hatten zum Beispiel immer mal wieder sehr unterschiedliche Vorstellungen. Mittlerweile sind wir aber wirklich gute Freunde. Alle in der Band wissen es wahnsinnig zu schätzen, was wir an der Band haben. Sie ermöglicht es uns, Konzerte zwischen Rumänien und Kasachstan zu spielen und dafür im besten Fall auch noch bezahlt zu werden. Wir haben ein unglaubliches Privileg und mit Ende 30 bis Anfang 40 sind wir denke ich alle an dem Punkt, an dem wir über den kleinen Streitereien, die wir in unseren Zwanzigern ausgelebt habe, drüber stehen. Jeder versteht, wann es auch mal Zeit ist, die Fresse zu halten. Auf Tour hat jeder mal einen schlechten Tag. Letzten Endes sind wir alle super Kumpels und machen das, was wir machen, unglaublich gerne.
Insofern ist da auch kein Ende in Sicht. Ganz im Gegenteil Früher war noch vieles abhängig von der Tagesform. Heute ist vieles viel solider. Jeder liefert ab und wir müssen nicht mehr so viel proben. Jeder lernt seine Parts zu Hause und wenn wir uns dann treffen, können wir die Songs. Wir arbeiten dann nur noch an Details. Dadurch müssen wir nicht mehr so viel Zeit im Proberaum verbringen. Wir arbeiten viel effektiver. Ich denke aber auch, dass das eine ganz normale Begleiterscheinung des Älterwerdens ist. Man muss seine Erfahrungen machen und ich möchte sie nicht missen.
"Wir wollen endlich wieder live spielen!"
Anne: Ihr seid ja normalerweise viel unterwegs. Auch für dieses Jahr waren Festivals und Konzerte geplant. Vermisst Ihr das Touren inzwischen?
Robin: Inzwischen ganz massiv. Erst war ich ja wie gesagt ganz dankbar, dass wir mal ein Jahr lang Pause haben, weil das letzte Jahr auch wirklich extrem intensiv war. Wir waren eigentlich 2019 komplett auf Tour. Im Januar in Indien, dann Australien und Neuseeland, danach die große Europa-Tour, dann den ganzen Sommer Festivals und die Russland-Japan-Kasachstan-Tour und danach die Tour mit Leprous. Danach hängt man gerne mal zu Hause ab und widmet sich anderen Dingen.
Allerdings ist es jetzt auch gut. Ich habe mich heute gerade mit Paul darüber unterhalten, dass es uns so langsam reicht und es wieder losgehen sollte. Es juckt uns in den Fingern, endlich mal wieder live zu spielen!
Anne: Und wann geht es wieder los?
Robin: Wir haben jetzt ein Konzert im November auf dem Gloomaar Festival geplant. Das wird eine kleine Nummer werden, vermutlich sogar ein bestuhltes Konzert. Trotzdem freuen wir uns schon sehr darauf!
"2021 wird es eine Tour geben!"
Anne: Ich freue mich auch schon sehr darauf, das neue Album hoffentlich bald mal live erleben zu können! Wie geht Ihr denn mit Euren Plänen für die Tour im Januar um?
Robin: Es wird auf jeden Fall passieren! Es ist nur eine Frage der Zeit! Die Tour im Januar ist sicher ein mutiges Unterfangen. Wir müssen die Lage im Prinzip Woche für Woche neu beurteilen. Wenn es nicht klappen sollte, haben wir schon ein Backup-Routing für Juni mit denselben Städten und Shows geplant und die Tickets werden auf jeden Fall ihre Gültigkeit behalten oder können zurückgegeben werden. Eines ist auf jeden Fall sicher: Wir werden in der ersten Hälfte des Jahres 2021 eine Tour spielen. Da gebe ich die Hoffnung nicht auf!
Anne: Ich drücke Euch die Daumen und wünsche Euch alles Gute für den Start des neuen Albums! Ich bin schon sehr gespannt!
Robin: Danke für Deine Zeit!
Als Vorgeschmack auf das neue The Ocean Album "Phanerozoic II" hier schon mal der vorausgekoppelte fünfte Track der Platte
The Ocean Collective - "Oligocene"
- Das Phanerozoikum ist das jüngste Äon bzw. Äonothem der Erdgeschichte. Es umfasst den Zeitraum von vor 541 Millionen Jahren bis zur Gegenwart. Das Präkambrium umfasst den Zeitraum von der Entstehung der Erde vor etwa 4,56 Milliarden Jahren bis zur Entwicklung der Tierwelt zu Beginn des Kambriums vor rund 540 Millionen Jahren.↩