Vegane Leder-Alternative aus Pilzen
Ein Wegbereiter für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie
Das kalifornische Unternehmen MycoWorks ist ein Vorreiter in Sachen nachhaltige Mode: Es stellt eine vegane Leder-Alternative aus Pilzen her. Das Material setzt sich inzwischen weltweit immer mehr durch – nicht nur im High Fashion Bereich.
Vegane Alternativen zu tierischem Leder sind nicht nur angesagt und gefragt. Sie können in Zukunft das Leben zahlloser Tiere retten. Die Forschenden, denen es gelungen ist, Leder aus Pilzen herzustellen, gehen davon aus, dass herkömmliches Leder auf dem Modemarkt schon bald von moderneren Varianten abgelöst wird.
Sie haben es inzwischen geschafft, auf der Basis von Myzel – so heißt das Pilzleder im Fachjargon – Stoffe zu erschaffen, die Kalbs- und Schafhaut zum Verwechseln ähnlich sehen und sie fühlen sich sogar an, wie die tierischen Vorbilder.
Leder aus Pilzen ist mehr als nur ein Fashion Hype
Das sogenannte Fine Mycelium wurde vor einiger Zeit zum Patent angemeldet. Es kann in Schalen innerhalb weniger Wochen gezüchtet werden – ganz ohne Tierleid. An Haltbarkeit und Festigkeit übertrifft es klassisches Tierleder schon heute.
Nicht nur aus diesem Grund werden immer mehr Modelabels auf den tollen Stoff aufmerksam. Erst vor Kurzem stellte Hermès die erst Pilzleder-Handtasche vor. Sogar der Guardian1 berichtet inzwischen über veganes Leder auf Pilzbasis.
Im Interview mit der britischen Zeitung im Vorfeld der Business of Fashion Voices2 Konferenz in Oxfordshire stellte MycoWorks CEO Dr. Matt Scullin in Aussicht, dass Pilzleder einen Wendepunkt in Sachen nachhaltiger Bekleidung darstellt:
"Es ist uns gelungen, die Zukunft des Designs zu eröffnen, das beim Material anfängt und nicht beim Objekt. Pilzleder kann die gleiche emotionale Reaktion hervorrufen, wie Tierleder. In der Hand fühlt es sich wie etwas Besonderes an",
sagte er in dem Gespräch. Er ist glaubt, dass seine Denkweise und Technologie auf einem Planeten, auf dem die Ressourcen endlich sind, revolutionär sein könnten. Ein direkter Einfluss auf den Modezirkus lässt sich jetzt schon beobachten. Unter anderen arbeitet auch Sustainability Designerin Stella McCartney mit Pilzleder.
Pilzleder kann die Modewelt verändern
Im Rahmen der Fashion Voices Konferenz, an der auch Größen, wie die britische Modeikone Vivienne Westwood und Tommy Hilfiger teilnahmen, meldete sich auch der Autor von "Entangled Lives – How Fungi Make Our Worlds, Change Our Minds, and Shape Our Futures" ("Verstricktes Leben – Wie Pilze unsere Welten gestalten, unser Denken verändern und unsere Zukunft formen") Merlin Sheldrake zu Wort. Ihm war es laut eigener Aussage wichtig, bei der Veranstaltung anwesend zu sein
"weil es mich interessiert, mit Menschen aus der Kreativbranche darüber zu sprechen, wie die Möglichkeiten von Pilzen dazu beitragen können, den Geist für neue Ideen zu öffnen. Ich freue mich darauf, die Modewelt in ihren Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen. In Pilzen steckt so viel Potenzial, um einige der Probleme zu lösen, mit denen wir konfrontiert sind."
Der Forscher ist davon überzeugt, dass die Arbeit mit Pilzen die Kreativität und nachhaltiges Denken fördert.
Neben dem Verzicht auf Tierleid und die haptischen Besonderheiten des neuen Materials hat Pilzleder einen weiteren Vorteil gegenüber herkömmlichem Leder. Es kann in Stücken gezüchtet werden, die exakt die Form und Größe besitzen, die ein*e Designer*in oder Schneider*in benötigt, um ein Stück anzufertigen. Es fallen also keine Reste an. Es handelt sich also um veganes Zero Waste Leder.
Vom Luxussektor auf den breiten Markt
Aus dem Higg Materials Sustainability Index3 geht hervor, dass Rinderleder vor allem aufgrund der mit der Tierhaltung verbundenen Abholzung und Treibhausgas-Emissionen für mehr Umweltschäden verantwortlich ist, als jedes andere Material – Kunststoffe eingeschlossen.
Laut Statista4 machen Lederwaren 15 Prozent des Luxusmarktes aus. Nachhaltige Alternativen sind also dringend nötig.
Aus dem Geschäft im Luxussektor versprechen sich Firmen wie MycoWorks einen großen Einfluss und gute PR für alle Bereiche der Mode. Die Vorreiterrolle sei wichtig, um irgendwann auch im breiten Markt Fuß zu fassen, so MycoWorks CEO Scullin. Partnerschaften mit Marken aus dem Massenmarkt hat er dabei wohl durchaus schon ins Auge gefasst.
Kein Wunder: Das Geschäft mit dem Pilzleder scheint gut zu laufen. MycoWorks eröffnet in den USA bald eine zweite Fabrik. Vielleicht gibt es also schon bald Sitzbezüge und Turnschuhe aus dem nachhaltigen Stoff?
Nachhaltige Mode muss ganzheitlich sein
Die Forschenden warnen unterdessen davor, dass unsensibles Design einige wertvolle umweltfreundliche Eigenschaften ihrer Erfindung untergraben könnte: Werden zum Beispiel Klebstoffe, Beschläge oder Verschlüsse aus Material verarbeitet, die nicht biologisch abbaubar sind, fällt doch wieder Abfall an. Scullin kommentiert das so:
"Wir sind dazu in der Lage, ein biologisch abbaubares Material zu liefern. Allerdings könnten wir vor einem Problem stehen, wenn die Industrie anfängt, über ein fertiges Produkt nachzudenken."
Sheldrake glaubt, dass eine der übergreifenden Lehren aus dem Studium der Pilze darin besteht, die Art und Weise, in der wir mit Abfall umgehen, zu reformieren. Er ist davon überzeugt, dass der Einfluss von Pilzleder weit über einen neuen It-Bag hinausgehen könnte:
"Wenn die Pilze nicht das täten, was sie tun, wäre unser Planet meterhoch mit Tier- und Pflanzenkörpern angefüllt. Als Verbraucher⋆innen sind wir zu geradlinigem Denken erzogen worden. Wir kaufen etwas, benutzen es und werfen es weg. Pilze können unser Modebewusstsein auf vielen Ebenen beeinflussen. Ich spreche von Materialinnovation, aber auch von der Kultur, endlos weiter neue Dinge herzustellen. Wir können so viel lernen, wenn wir stattdessen anfangen, in den Begriffen der Natur und ihrer Zyklen zu denken."
Bild/Picture: MycoWorks