Kinder wissen oft nicht, dass sie Fleisch essen
Eine Chance für weniger Tierleid und mehr Klimaschutz
Die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen könnte uns in Sachen Tierleid-freie, nachhaltige und gesunde Ernährung einen großen Schritt voranbringen. Aus einer aktuellen Studie geht jetzt hervor, dass die meisten Kinder in den USA es nicht OK finden, Tiere zu essen. Mit dem Fleisch auf dem Teller bringen sie es jedoch nicht in Zusammenhang.
Science Direct ist sicher, dass die Erforschung kindlicher Überzeugungen Licht ins Dunkel der Beziehung zwischen unserem Essverhalten und dem Klimawandel zu bringen. Das Institut erforschte darum das Wissen von Kindern über die Herkunft pflanzlicher und tierischer Lebensmittel. Außerdem fragte es die Urteile der Kinder darüber ab, was gegessen werden dürfe und was nicht. Dabei griff es auf zwei voneinander getrennte Sortieraufgaben zurück.
Die Testgruppe bestand aus 4- bis 7-jährigen Kindern aus den USA. Das Institut deckte bei der Studie große Lücken in der Allgemeinbildung bezüglich Lebensmitteln auf.
Aus tierischen Produkten gewonnene Lebensmittel – insbesondere, aber nicht nur Fleisch – stellten sich als die Lebensmittel heraus, die Kinder am wenigsten verstehen. Bei Science Direct vermutet man nun, dass die erschütternden Ergebnisse auf ein grundlegendes Missverständnis der Kleinen über Nahrungsmittel tierischer Herkunft hindeuten.
Mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse1 legt das Institut daher Gründe dar, warum die Herkunft von Fleisch für Kinder ein so schwieriges Konzept ist. Es wirft zudem einen Blick auf die Rolle, die Kinder im Blick auf den Schutz der Umwelt und des Klimas spielen können.
Der menschliche Fleischkonsum kritisch betrachtet
Der menschliche Konsum von Produkten tierischer Herkunft ist einer der Haupttreiber der Klimakatastrophe (Vermueulen, Campbell, & Ingram, 20122). Die Tierhaltung ist für mindestens 14,5 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich (Gerber 20133).
Einer der größten Hebel, wäre es also, wenn wir alle auf eine Pflanzen-basierte Ernährung zurückgreifen würden (Hedenus, Wirsenius, Daniel, & Johansson, 20144, IPCC 20205, Stehfest 20096). Das bedeutet global gesehen, wenn der Konsum tierischer Produkte unverändert bleibt, wird die Klimaerwärmung schnell ein Level von zwei Grad erreicht haben. Menschliches Leid und Tod wären die Folge (Kim, Neff, Santo, & Vignorito 20157).
Science Direct zitiert an dieser Stelle den Autor des Buchs "Tiere essen" Jonathan Safran Foer:
"Die Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten wird allein nicht ausreichen, um den Planeten zu retten, aber wir können den Planeten nicht retten, ohne unsere Ernährungsgewohnheiten zu ändern."
Warum verzichten so wenige auf Fleisch?
Das Institut fragt sich, warum sich in diese Richtung bis jetzt nur so wenig geändert hat:
"Trotz der überzeugenden wissenschaftlichen Belege dafür, dass die Einschränkung des Konsums tierischer Produkte ein entscheidender Faktor ist, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, zögern die Menschen, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern."
Es stellt fest:
"In mancher Hinsicht kann die Weigerung, den Verzehr von tierischen Lebensmitteln einzuschränken, auf die fehlende Erkenntnis zurückgeführt werden, dass der Fleischkonsum mit der globalen Erwärmung zusammenhängt (de Boer, de Witt, & Aiking 20168, Macdiarmid, Douglas, & Campbell 20169)."
Weiter heißt es:
"Der Verzehr von Fleisch ist jedoch selbst bei Personen weit verbreitet, die sich der Umweltkosten einer tierischen Ernährung bewusst sind (Scott, Kallis, & Zografos 201910, Šedová, Slovák, & Ježková 201611)."
Wir verdrängen das ungute Gefühl beim Fleischverzehr
Science Direct kam zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um eine psychologisch komplexes Verhalten handelt, obwohl der Verzehr von Fleisch weit verbreitet ist. Einige Forschende vermuten, dass viele Menschen Unbehagen empfinden, wenn sie Fleisch essen.
Foer und auch Loughnan, Bastian, & Haslam 12 bezeichnen dieses Phänomen als das Fleischparadoxon. Auch Melanie Joy ("Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen") erwähnte den Begriff bereits.
Die Verzerrung zwischen dem Fleischkonsum und der tief verankerten Überzeugung, dass man Tieren keinen Schaden zufügen darf, ist sowohl in den Kulturen dokumentiert, in denen Fleischessen die Regel ist, als auch in jenen, in denen er kaum bis gar nicht stattfindet.
Ist es ein Unterschied, welche Tiere wir essen?
Beachtlich ist, dass immer mehr Belege darauf hindeuten, dass es immer mehr und wirkungsvollere Methoden gibt, um den Fleischessenden den Stress beim Verzehr von Tieren möglichst zu ersparen. Der Fleischkonsum wird dadurch als "natürlich", "normal", "notwendig" und "maßvoll" wahrgenommen. Zudem schreiben Menschen Tieren wie Hühnern, die häufig auf dem Teller landen, weniger geistige Fähigkeiten zu, als jeden, die in der Regel nicht als Nahrungsquellen dienen – also Katzen, Hunden, Löwenn, Delfinen und so weiter.
Das wurde sogar bereits mehrfach mit Versuchen und Demonstrationen belegt. Ein Mensch bekommt zum Beispiel in der Fußgängerzone Katzenmilch angeboten (in Wirklichkeit handelt es sich um Kuhmilch) und er ekelt sich davor, obwohl er beteuert, jeden Tag Kuhmilch zu sich zu nehmen. Ähnliche Versuche gab es auch schon mit verschiedenen Fleischsorten.
Ein weiterer spannender Versuch zeigte die Echtzeitwirkung menschlicher Schutzmechanismen: Eine Testgruppe wurde nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Gruppe A bekam Nüsse zu essen, Gruppe B Rindfleisch. Die Rindfleisch-Gruppe äußerte weniger moralische Bedenken gegenüber dem Verzehr von Tieren, als die Nuss-Gruppe (Loughnan, Haslam, & Bastian 201013).
Ist der Appetit stärker als der Wille?
Die menschlichen Strategien, negative Gefühle beim Fleischverzehr zu unterdrücken, sind vielfältig und effektiv. Die weltweite Nachfrage nach Fleisch und anderen Produkten tierischer Herkunft hat sich, Stand heute, nicht verlangsamt.
Ein möglicher Grund könnte sein, dass der Appetit stärker ist, als der Wille zur Verhaltensänderung – obwohl es zu weniger Tierleid und mehr aktivem Umweltschutz führen würde.
Besonders für Erwachsene ist es schwer, die eigenen Essgewohnheiten dauerhaft zu verändern. Das hängt mit fest etablierten Gewohnheiten und kulturellen Überzeugungen zusammen. Noch heute verbinden viele den Konsum hartnäckig mit Wohlstand, Status oder sogar Männlichkeit.
Kinder könnten der Schlüssel sein
Die Daten aus der Untersuchung der Kinder liefern einen einzigartigen Blickwinkel auf das Geschehen. Sie helfen dabei, den starken Widerstand erwachsener Menschen gegenüber dem Verzicht auf Fleisch und tierische Nahrungsmittel besser zu verstehen.
Auf der einen Seite sind Kinder noch damit beschäftigt, ein vollständiges Verständnis der kulturellen Werte gegenüber Fleisch zu entwickeln. Auf der anderen Seite verfügen sie möglicherweise noch nicht über die Strategien, die ihre Eltern und Großeltern anwenden, um ihr Unbehagen beim Fleischverzehr zu ersticken.
Außerdem erwerben und verfeinern sie gerade ihr konzeptionelles Wissen über die Herkunft von Lebensmitteln. Dazu zählen die Ursprünge und die Prozesse, die dafür sorgen, dass Rohprodukte zu Lebensmittel werden, die anschließend verzehrt werden.
Das Wissen von Kindern über die Herstellungsprozesse von Lebensmitteln scheint erstaunlich gering zu sein. Rund ein Drittel der Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren weiß zum Beispiel nicht, woraus Brot, Käse oder Nudeln hergestellt werden. Das geht aus einer groß angelegten Umfrage in der UK hervor (British Nutrition Foundation, 201314).
Die Kinder wussten nicht, woher die Chicken Nuggets kommen
Die Ergebnisse der Umfrage stimmen mit den Befragungsdaten aus den USA überein. Daraus geht hervor, dass amerikanische Schüler*innen in der dritten Schulklasse nur eine sehr ungenaue Vorstellung davon haben, wie Lebensmittel hergestellt werden.
Insgesamt wurden 176 Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren (Altersdurchschnitt 5,83 Jahre), aus den Ballungsgebieten im Südosten der Vereinigten Staaten befragt. Fast die Hälfte konnte auf die Frage "Wie wird Käse gemacht?" keine Antwort geben. 31 Prozent der Kinder wussten nicht, woher das Brot kommt und 40 Prozent konnten nicht erklären, woraus ein Hamburger besteht.
Die Forschenden stellten fest, dass die Kinder am wenigsten über Lebensmittel wussten, die während des Produktionsprozesses starke Veränderungen erfahren – also zum Beispiel Brot – insbesondere über solche, die außerhalb des Alltags der Kinder hergestellt werden (Käse, Burger).
Obwohl die Forschung in diesem Feld noch am Anfang steht, deutet alles darauf hin, dass Kinder lediglich ein begrenztes Verständnis für die Herkunft gängiger Lebensmittel haben.
Immer weniger Menschen kennen die landwirtschaftlichen Prozesse
Ein Grund dafür liegt darin, dass viele nur wenig mit den Lebensmittelquellen in Berührung kommen – also zum Beispiel dem Anbau von Getreide. Da in den USA immer weniger und vor allem ältere Menschen Landwirtschaft betreiben, ist die Zahl der auf dem Land lebenden Kinder stark zurückgegangen.
Mit unseren heutigen stark industrialisierten Lebensmittelsystem entfernen sich jedoch nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen immer weiter von den Pflanzen und Tieren, die sie zu sich nehmen.
Obwohl Lebensmittel in der frühkindlichen Bildung ein großes Thema sind, konzentriert sich der Lehrplan im Moment in der Regel darauf, was man essen sollte und nicht auf die Herkunft der einzelnen Lebensmittel.
Das führt im Umkehrschluss natürlich auch zu Umfrage-Ergebnissen, wie bei der US-Studie. Die Kinder wurden unter anderem gefragt, welche Lebensmittel pflanzlicher und welche tierischer Herkunft sind. Mindestens 30 Prozent der Kinder ordneten mit Ausnahme der Kuhmilch alle Lebensmittel in die Kategorie "Pflanzliche Herkunft" ein. Mehr als ein Drittel der Kinder (38 Prozent) hielten sogar Chicken Nuggets für pflanzlich – obwohl das Huhn sogar im Namen vorkommt.
Kinder entscheiden sich von alleine, keine Tiere zu essen
Die Kleinen sollten außerdem Tiere und verschiedene Dinge in die Kategorien "Darf man essen" und "Darf man nicht essen" einteilen. Mehr als zwei Dritten der Kinder, fanden, dass man Hühner, Kühe und Schweine nicht essen dürfe.
In den Studienpapieren heißt es:
"Die Kindheit stellt möglicherweise ein einzigartiges Zeitfenster dar, in dem Menschen sich leichter auf eine lebenslange, pflanzliche Ernährung einstellen können, als im späteren Leben."
Die Forschenden empfehlen Eltern daher, das Lebensmittelsystem für Ihre Kinder transparent zu machen und mehr pflanzliche Lebensmittel anstelle von tierischen Produkten zu servieren.
"Angesichts der kindlichen Neigung, Tiere vor Schaden bewahren zu wollen, könnten sie auf natürliche Weise zu pflanzlichen Lebensmitteln finden, wenn sie Zugang dazu haben. Das könnte dazu beitragen, die Symptome des von den früheren Generationen verursachten Klimanotstands zu bekämpfen der unweigerlich an die Kinder weitergegeben wird"
heißt es weiter.
Bild/Picture: filinecek, pixabay
- Science Direct Studie zum kindlichen Wissen über Lebensmittel und ihre Herkunft↩
- Vermeulen 2012↩
- Gerber 2013↩
- Hedenus, Wirsenius, Daniel, & Johansson, 2014↩
- IPCC 2020↩
- Stehfest 2009↩
- Kim, Neff, Santo, & Vignorito 2015↩
- de Boer, de Witt, & Aiking 2016↩
- Macdiarmid, Douglas, & Campbell 2016↩
- Scott, Kallis, & Zografos 2019↩
- Šedová, Slovák, & Ježková 2016↩
- Loughnan, Bastian, & Haslam↩
- Loughnan, Haslam, & Bastian 2010↩
- Umfrage der British Nutrition Foundation↩