Felix Gebhard im Interview
"Eine Band wie Zahn habe ich mir schon immer gewünscht"
Zahn ist das großartige Instrumental (Noise) Projekt von Chris Breuer (ehem. The Ocean, Heads.), Nic Stockmann (Heads., ehem. Eisenvater) und Felix Gebhard (live Einstürzende Neubauten).
Chris habe ich über die Pressearbeit, die er für diverse Bands macht, kennengelernt. Er hat für mich jetzt ein Interview mit Gitarrist Felix organisiert.
Die Musik von Zahn ist geprägt von Einflüssen aus Sludge und Post-Rock mit Anleihen aus der Avantgarde-Ecke. Mit ihren fantasievollen Riffs und Grooves und einem unglaublichen Gespür für abstrakte Muster und ein perfektes rhythmisches Zusammenspiel machen Chris, Nic und Felix daraus ihr ganz eigenes Ding. Knochenharte Drums und psychedelische Sequenzen streuen Zucker drüber und perfektionieren ihre überaus spannende Sound-Welt.
Zahn liefern ein grandioses Debüt
Das großartige gleichnamige Debütalbum ist am 20. August erschienen. Ich hatte auch schon im Vorfeld die Ehre, es hören zu dürfen und tue es nach wie vor ausgiebig. Denn: Es ist ziemlich genial. Soviel kann ich Euch schon mal verraten. Im Anschluss an das Interview findet Ihr unten eine Hörprobe.
"Zahn" – das Debütalbum von Zahn
Der Song "Pavian" ist laut der Band eine Studie der männlichen Spezies, Mensch und/oder Anthropoide. Die seltsamen Riten der alpha-männlichen Freizeitaktivitäten und/oder Sportarten. Das treibende, Rhythmus-getriebene Stück ist mit seinem wiederkehrenden Takt ein einprägsamer Ansporn, Euch den Rest des Albums gleich auch noch anzuhören. Ihr findet es bei den bekannten Streaming-Diensten und könnt es auch auf Vinyl erwerben.
Eine neue Supergroup
Peter Voigtmann (The Ocean) hat Zahn bei "Pavian" an Schlagzeug und Tamburin unterstützt. Die zusätzlichen Gitarren und Synthesizer stammen von Fabian Bremer (AUA, Radare). Was soll man sagen? Zahn ist eine Supergroup, wie sie im Buche steht.
Anne: Wie habt Ihr Euch gefunden?
Felix: Im Dezember 2019 lud die Band Radare Chris und Nick mit Heads. und mich mit meinem damaligen Soloprogramm zu einem gemeinsamen Konzert nach Leipzig ein. Weil Heads. Damals eine kleine Pause bis zu ihrer Plattenveröffentlichung im April 2020 machten (die dann Pandemie-bedingt natürlich viel länger als geplant ausfiel), luden mich die beiden zum gemeinsamen Musikmachen in ihren Proberaum ein. Das funktionierte auf Anhieb so gut, dass wir beschlossen, dieses merkwürdige Jahr 2020 dafür zu nutzen, zusammen ein Album zu schreiben und aufzunehmen.
"Wir haben die Pandemie genutzt, um gemeinsam eine Platte zu machen"
Anne: Um was geht es Euch konkret bei Eurem Projekt? Gibt es ein Konzept? Wie seid Ihr auf den Namen gekommen?
Felix: Ein konkretes Konzept haben wir nicht ausformuliert. Es ist Instrumentalmusik. Ist das schon ein Konzept? Ich denke mal, es war ausschlaggebend, dass wir alle drei Musik machen wollen, die uns begeistert. Leute zu finden, mit denen zusammen das so schnell und problemlos hinhaut und die irgendwie auf einer ähnlichen Wellenlänge, oder gar derselben, unterwegs sind, passiert einem ja nicht alle Tage. Darum ist man gut beraten, sich diese Menschen warmzuhalten. Mir schwebte eine Band wie Zahn schon seit Ewigkeiten vor, aber es hat sich einfach nie jemand gefunden, mit dem ich sie hätte machen können. Dann gabelten mich diese zwei Typen auf und hatten sogar schon zahlreiche Songideen parat!
Die Band sollte einen kurzen prägnanten Namen haben. Sie hieß ungefähr eine Woche lang Kran, dann kam Chris mit Zahn und wir fanden, das klingt besser.
"Es war großartig, in der Mühle aufzunehmen"
Anne: Ihr habt Euer Album "Zahn" am 20. August veröffentlicht. Gratulation dazu! Ihr habt es in den "Die Mühle" Studios aufgenommen, wo auch Bands wie The Ocean immer wieder vor Ort sind. Ich habe ein paar Bilder von dieser Location gesehen. Es muss ziemlich beeindruckend sein. Wie war es, dort zu arbeiten?
Felix Gebhard: "Es war großartig in der Mühle aufzunehmen"
Felix: Das war großartig! Peter Voigtmann ist einer der entspanntesten Menschen der Welt und er hat sofort gewusst, wie er unseren Sound am besten einfängt. Der Klang im Aufnahmeraum in der Mühle ist fantastisch. Ich habe noch bevor die Platte gemischt wurde, von mehreren Seiten Komplimente bekommen, wie mächtig die Drums schon im Rohmix klangen. Die Atmosphäre in der Mühle ist toll, sie liegt in der Natur, in Aufnahmepausen kannst du aus der Tür auf die Wiese treten und Pferde streicheln.
Anne: Das klingt wirklich traumhaft. Was plant Ihr so alles rund um den Release? Wird es Konzerte geben?
Felix: Wir spielen im Oktober und November einige Konzerte:
- November Winterthur, Gaswerk, Hathors Noise Fest
- November Z-Bau mit MIIRA, Nürnberg
- November Leipzig, Mörtelwerk w/Delving
- November Berlin, Urban Spree w/Delving
Anne: Ihr habt für das Album mit einer ganzen Menge Gastmusiker*innen gearbeitet. Die elektronischen Parts für "Gyhum" und das Piano für "Staub" hat Felix Gebhard ( live Einstürzende Neubauten) eingespielt. Peter Voigtmann war für zusätzliche Percussion mit dabei und Fabian Bremer ("Pavian", "Staub") hat Gitarrensound und Synthesizer beigetragen. Genauso wie Wolfgang Möstl ("Zerrung"). Von Alexander Hacke stammt der Synthesizer Sound in "Lochsonne Schwarz" und "Tseudo". Das Saxofon für "Gyhum" und "Akroyd" stammt von Sofia Salvo. Das klingt nach einer gigantischen Jam Session! Muss man sich Zahn wie eine Art musikalisches Kollektiv vorstellen? Ähnlich wie bei The Ocean?
"Wir sind ein Trio"
Felix: Nein, eine Jam Session war das nicht. Zahn ist ein Trio. Es gab, nachdem wir die Songs aufgenommen hatten, hier und da Stellen, die wir noch mit Sound füllen wollten und da wir so viele begabte Freundinnen und Freunde mit jeweils interessanten Klangvorstellungen haben, haben wir die gefragt, ob sie nicht etwas beitragen wollen. Zum Glück wollten alle!
Anne: Eure Musik ist ziemlich vielseitig. Ihr haltet Euch zwischen Sludge, Post-Punk, Avantgarde und Prog auf. Das klingt, als hätten alle ihren persönlichen Lieblings-Sound beigesteuert. Ist das so?
Felix: Ich glaube, jede Art von Musik setzt sich irgendwie aus den unterschiedlichen Stilen zusammen, die ein musizierender Mensch im Laufe seines Lebens aufgesogen hat. Da wir drei diverse Arten schwerer Rockmusik, wenn man das so ausdrücken möchte, mögen, liegt hier sicherlich eine gewisse Schnittmenge im Sound von Zahn. Darüber hinaus hören wir alle aber auch völlig andere Sachen, die nicht notwendigerweise wie Zahn klingen oder umgekehrt.
"Es fließen auch immer wieder Sachen mit ein, die nicht permanent griffbereit neben dem Plattenspieler liegen"
Anne: Welche Musik hat Euch im Besonderen beeinflusst, als Ihr mit dem Schreiben Eurer Songs beschäftigt wart? Vielleicht kannst Du ein paar Bands nennen?
Felix: Da kann ich nicht für uns drei sprechen. Ich persönlich könnte Dir keine Bands und Musiker*innen nennen, die in diesem Fall ein spezieller Einfluss gewesen wären oder die bewusst als Vorlage für mein Zutun gedient hätten. Wie gesagt, alles, was man kreiert, speist sich meiner Ansicht nach aus Sachen, die man selbst irgendwann mal rezipiert hat. Da fließen dann Sachen ein, die nicht unbedingt jetzt gerade ständig auf meinem Plattenspieler liegen.
Ich habe 2020 viel Television gehört, wenn ich mich recht erinnere und die letzte Soloplatte von Sam Prekop. Ich habe The Replacements für mich wiederentdeckt und arbeite mich nach und nach durch das Gesamtwerk von Alice und John Coltrane, da gibt es noch eine Menge Alben, die ich nicht kenne. Das hat alles nicht offensichtlich mit Zahn zu tun, aber irgendeine Haltung oder ein Ausdruck findet dann vielleicht seinen Weg aus dieser Musik in die Art, wie ich bei Zahn Gitarre spiele.
Zahn in der Vinyl-Edition
Anne: Du hast ja auch permanent mit Musik zu tun und triffst die unterschiedlichsten Künstler*innen. Wie siehst Du das mit den unzähligen Genres, in die Musik heutzutage eingeordnet wird. Ist das sinnvoll? Jonas von Dimwind meinte neulich zu mir "Es scheint von essenzieller Wichtigkeit zu sein, Deinem Sound einer Marke zuzuordnen, um ein bestimmtes Publikum zu erreichen". Ich selbst habe mich noch nie einem bestimmten Genre zugehörig gefühlt, finde das aber ziemlich einleuchtend. Wenn man bestimmte Leute erreichen möchte, muss man seinem Sound einen Namen geben. Siehst Du das ähnlich? Oder sollte es besser überhaupt keine Genres geben?
"Die Genre-Bezeichnungen der Streaming-Dienste können irreführend sein"
Felix: Ich denke, es kann mitunter schon sinnvoll sein, Musik in Genres zu beschreiben. Wenn ich jemandem erklären möchte, was Zahn für Musik machen, dann beschreibt "instrumentale Rockmusik" das zwar nur ungefähr, aber mein Gegenüber kann zumindest schonmal davon ausgehen, dass wir wahrscheinlich keinen Ska-Song und keine Powerrock-Ballade im Repertoire haben. Weitere Details lassen sich von da aus erklären. Die Genre-Bezeichnungen irgendwelcher Streaming-Dienste, die diese nutzen, um ihre Algorithmen zur Programmgestaltung ihrer Nutzer auf den richtigen Weg zu schicken, sind natürlich oftmals irreführend und hanebüchen.
Anne: Eine letzte Frage: Wer ist auf die Idee mit dem skurrilen Milchkännchen auf dem Cover gekommen? Hat es eine besondere Bedeutung?
Felix: Die Idee stammt von Chris. Über eine besondere Bedeutung ist mir nichts bekannt. Ein bisschen Mysterium muss bleiben.
Felix Gebhard ist seit 2014 Tour-Keyboarder bei Einstürzende Neubauten. Er war gemeinsam mit Jürgen Vogel, Marcus Wiebusch (Kettcar), Thees Uhrmann (Tomte) und Max Schröder (Tomte, Olli Schulz und der Hund Marie) Mitglied der fiktiven Hansen-Band und machte sich unter anderem mit Home of the Lame (Grand Hotel van Cleef) einen Namen. Außerdem hat er diverse Solo-Werke veröffentlicht.