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    Of the Vine

    "Auf der Bühne leben wir unsere Kindheitsträume"

    Interview von Anne
    28.05.2020 — Lesezeit: 6 min
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    Of the Vine

    Of the Vine sind eine von mir hoch geschätzte Post-Rock-Band. Ich hatte jetzt die Gelegenheit, Gitarrist Samuel Laubscher zu interviewen.

    Normalerweise wären Of the Vine beim DUNK! Festival 2020 aufgetreten, das ja leider Corona-bedingt abgesagt wurde. Den Song "Even If I Never See You In This Life..." kennt Ihr schon aus meiner DUNK! 2020 Musikliste. Er ist 2015 auf dem Album "East The Water" erschienen.

    Inzwischen ist das neue Album "Left Alone" da. Die sechs Titel darauf laufen bei mir im Moment auf Rotation und das Vinyl befindet sich auf dem Weg zu mir. Mit Sam habe ich mich über die neue Platte, die Geschichte der Band und ihre Pläne zu unterhalten.

    Kleine Sensation am Rande: Eine meiner Fragen hat die Band aus Atlanta, Georgia im Anschluss an das Interview zu einer Playlist inspiriert, die ich in ein paar Tagen hier im Blog mit Euch teilen werde. Es lohnt sich also dranzubleiben

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    Anne: Hi! Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst! Ich bin so gespannt, Dich kennenzulernen! Wie geht es Dir heute?

    Sam: Mir geht es soweit gut. Ich habe im Moment nicht viel zu tun - wie die meisten von uns. Ich habe so viel Zeit wie möglich drin verbracht und zu Hause aufgeräumt, um mir die Zeit zu vertreiben.

    "Wir haben die Aufnahmen sehr genossen"

    Anne: Ihr habt gerade Euer neues Album "Left Alone" veröffentlicht. Gratulation an dieser Stelle! Ich finde es ziemlich großartig! Haben Euch die Aufnahmen Spaß gemacht?

    Sam: Danke! Ja, wir haben es sehr genossen. Oder sagen wir: so viel wir konnten. Ich persönlich finde Aufnehmen sehr anstrengend. Für so lange Zeit auf so viele kleine Details achten zu müsse, kann für mich ziemlich stressig sein. Aber ich denke, wir tun unser Bestes, die Emotionen nicht zu kurz kommen zu lassen, wenn wir im Studio sind. Wir spielen die meisten Parts in einem straffen Take ein. Wir sind keine Fans von Copy/Paste.

    Anne: Euer letztes Album "East The Water" habt Ihr 2015 veröffentlicht. Ich habe auf Eurer Bandcamp Seite gelesen, dass Ihr Euch seitdem eine kreative Auszeit genommen habt. Das Ergebnis ist mehr als klasse. Wie habt Ihr die fünf Jahre in Vorbereitung für "Left Alone" verbracht?

    Sam: Nun, es sieht so aus, als hätten wir einen Großteil der Zeit mit der Suche nach den passenden Bandenmitgliedern verbracht. Die Leute ziehen ständig um. Es scheint, als würde es eine Weile dauern, bis man mit neuen Bandkollegen entspannt schreiben kann. Jeder ist nervös, etwas Falsches zu spielen. Als wir das überwunden hatten, schien plötzlich alles ziemlich schnell zu gehen. Insgesamt haben wir das Album in ziemlich genau einem Jahr fertiggestellt. Einige der Parts, an denen ich gearbeitet habe, konnte ich sogar aufheben. Ich werde sie dann rausholen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

    "Wir haben uns als Menschen verändert"

    Anne: Was hat sich seit "East The Water" verändert?

    Sam: Neben unserer Besetzung würde ich sagen, wir als Menschen. Wir haben einen Teil unserer Naivität hinter uns gelassen und vielleicht auch etwas Zeit damit verbraucht, uns selbst zu entdecken. Ich selbst habe das Gefühl, eine komplett andere Person zu sein, als in der Zeit von "East The Water". Damals habe ich tatsächlich eine ziemlich düstere und harte Phase durchlebt. Das ist lustig, denn eigentlich klingt ja "Left Alone" düsterer, als "East The Water". Aber ich glaube, dass ich mich inzwischen selbst besser kenne. Ergibt das Sinn?

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    Anne: Was ist die Geschichte hinter "Left Alone"? Ich bin mir sicher, die Platte erzählt eine? Ich habe ein paar Hinweise auf England gefunden?

    Sam: Ich möchte ein paar davon für Interpretationen offen lassen. Aber das Album insgesamt handelt von Verlusten. Dem Verlust der Identität Deines einstigen Ichs, dem Verlust eines geliebten Menschen und dem Umgang mit Trauer und Schmerz.

    "Ich hatte das Gefühl, es nur mit Gesang ausdrücken zu können"

    Anne: Ihr habt nicht immer gesungen auf Euren Platten. Wann habt Ihr herausgefunden, dass es auf dem neuen Album auch Lyrics geben wird?

    Sam: Ich denke, dass ist sehr vielschichtig. Ein Aspekt war, dass ich instrumentale Musik geschrieben habe, seit ich Musiker geworden bin. Es war also ein Hang dazu da, etwas Neues auszuprobieren und das klanglich zu erforschen. Genauso, wie wir es auch mit den anderen Instrumenten auf der Platte getan haben. Ein weiterer war, dass es dieses Mal bestimmte Dinge gab, die ich zum Ausdruck bringen wollte. Ich hatte das Gefühl, der Gesang könnte die einzige Möglichkeit sein, sie auf die von uns gewünschte Weise zu transportieren. Es ist immer noch neu für uns und wir erforschen es nach wie vor. Ich bin mir nicht sicher, wo es uns hinführen wird und ob es auf die Stücke, die wir in Zukunft schreiben werden, überhaupt einen Einfluss hat. Wer weiß, vielleicht klingen wir auf unserem nächsten Album ja wie Coldplay. Scherz (lacht)!

    Anne: Ich liebe den Song "Ilfracombe". Ich war schon ein paar Mal dort und ich mag dieses Flecken Erde sehr. Was ist Deine Verbindung zu diesem Ort?

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    Sam: Echt? Du warst dort? Es ist hübsch da. Wie Du bereits erwähnt hast, sind einige der Songs nach Orten an der englischen Westküste benannt. Ein paar meiner Familienmitglieder leben dort. Ich fühle mich dort am friedlichsten und zurückgezogensten. Eine Menge der Songs sind aus den Interpretationen dessen entstanden, was ich erlebt habe, als ich dort war. Ich hatte dort eine Menge Zeit, in mich zu gehen und nachzudenken.

    "Stille inspiriert mich"

    Anne: Was inspiriert Dich am meisten, wenn Du an neuer Musik arbeitest?

    Sam: Stille. Ruhe. In etwa das, was ich vor einer Weile bekommen habe. Landschaften, vor allem die kalten, sprechen mich an. Ich versuche, die Emotionen, die daraus entstehen, so gut wie möglich in Musikstücke zu übertragen.

    Anne: Ihr seid aus Atlanta, Georgia. Die Musikszene in Eurer Stadt ist sehr vielseitig. Ihr habt Mastodon, Deerhunter, Arrested Development, John Mayer, Outkast und die Black Crows. Um nur ein paar zu nennen. Das sind eine ganze Menge verschiedene Stilrichtungen. Eure Musik ist auch ziemlich komplex. Würdest Du sagen, dass die Musikszene von Atlanta Euch als Musiker und Eure Passion für die Musik geformt hat?

    Sam: Auf jeden Fall! Eine Menge unglaubliche musikalische Künstler*innen kommen aus dieser Stadt! Um ehrlich zu sein: Die meisten Leute, die unsere Musik hören, sind aus dem Ausland. Ich glaube, sie waren ihrer Zeit voraus, als es darum ging, zu erkennen, dass man Instrumentalmusik durchaus als "echte Musik" anerkennen kann. Ich erinnere mich noch genau daran, als wir angefangen haben, Musik zu machen. Also eigentlich bis zur Veröffentlichung von "East The Water". Es kam immer wieder zu Verwirrungen. Ständig wurden wir gefragt "Wo ist Euer*e Sänger*in?" Ich glaube, etwa zehn verschiedene Leute haben uns gefragt, ob sie als Sänger⋆in bei uns einsteigen können. Wir haben immer höflich abgelehnt.

    Die DIY-Musikszene ist es, die uns und all unsere Freunde in dieser Art Bands geprägt hat. Es ist wirklich nett hier meistens. Bands helfen anderen Bands aus.

    "Wir hören sehr viel Musik"

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    Anne: Was sind Eure Lieblingsbands? Welche Musik hört Ihr am liebsten? Wo liegen Eure Wurzeln?

    Sam : Das ist eine schwierige Frage! Hm, also, unsere Wurzeln liegen wohl im amerikanischen Post-Rock. Besonders "Those Who Tell The Truth Shall Die..." von Explosions In The Sky hat uns wohl alle nachhaltig beeindruckt. Damit habe ich die emotionale Kraft textloser Rockmusik kennengelernt. Wir hören alle so viel Musik, dass es nicht leicht ist, einen bestimmten Einfluss herauszustellen.

    Anne: Ich hätte Euch beim diesjährigen DUNK! Festival live auf der Bühne erlebt. Leider konnte es ja wegen Corona nicht stattfinden. Treffen wir Euch dort nächstes Jahr?

    Sam: Das ist der Plan!

    "Wir werden bald neue Videos veröffentlichen"

    Anne: Corona ist im Moment überall Thema. Wir allen sollen so viel wie möglich Zeit zu Hause verbringen. Wie wirklich sich das auf Eure Arbeit in der Band aus? Neben der Tatsache, dass Ihr gerade nicht auf Tour sein könnt.

    Sam: Es ist definitiv schwierig. Wir haben an ein paar Social Distancing Videos gearbeitet, die hoffentlich bald soweit sein werden, dass wir sie teilen können. Außerdem gibt es im Moment leider nicht viel zu tun, als zu Hause unsere Instrumente zu spielen und in Übung zu bleiben.

    Anne: Ihr werdet "die hübscheste Doom Band aller Zeiten" genannt. Was bedeutet das?

    Sam: Ich glaube, wir werden wegen unserer langsamen, manchmal harten Songstrukturen gespart mit unseren zarten Gitarren so genannt (grinst). Keine Ahnung. Ich weiß wirklich nicht, ob wir jemals auf den Playlists echter Doom Bands auftauchen würden (lacht).

    "Sobald es wieder möglich ist, werden wir auf Tour gehen"

    Anne: Was habt Ihr als nächstes geplant? Plant Ihr schon, auf Tour zu gehen, wenn der Lockdown vorbei ist?

    Sam: Auf jeden Fall! Sobald es wieder ohne Risiko möglich ist und wir das durchgestanden haben, werden wir wieder auf Tour sein. Wir sind ehrlich gesagt im Herzen einfach eine Liveband. Jedes Mal, wenn wir auf der Bühne stehen, leben wir unsere Kindheitsträume. Wir vermissen es also wirklich sehr und sobald wir wieder live spielen können, werden wir es tun.

    Anne: Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um meine Fragen zu beantworten! Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen! Alles Gute für Euch!

    Sam: Danke schön!

    Klickt Euch bald wieder rein! In Kürze erscheint hier im Blog die exklusiv von Of the Vine zusammengestellte Playlist!

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