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    Sphaèros im Interview

    "Musik besitzt eine meditative Kraft"

    Interview von Anne
    05.03.2020 — Lesezeit: 5 min
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    Sphaèros im Interview

    Liebhaber*innen pulsierender und psychedelischer Musik werden Sphaèros lieben. Mit seinem Soloprojekt kombiniert er Musik, Film und Performance auf seine ganz persönliche Art und Weise.

    Vor Kurzem habe ich hier im Blog das neueste Video von Sphaèros vorgestellt. Jetzt hat sich der Pariser Underground-Künstler zu einem Interview bereiterklärt.

    Sphaèros hat in sieben Tagen sieben Musikstücke und sieben Filme kreiert. Laut eigener Aussage möchte er die Geister durch seine Arbeit sprechen lassen. Während des kreativen Prozesses in Vorbereitung auf die Arbeit verbrachte er drei Jahre in einer nahezu klösterlichen Umgebung und konzentrierte sich dabei ganz allein auf sein Innerstes.

    Er wollte seine persönliche Vision von Magie und Realität schaffen. Befreundete Künstler unterstützten ihn am Schlagzeug sowie mit Stimme und Tanz.

    Anne: Was hat es mit der Sieben auf sich? Sieben Tage und sieben Songs mit sieben Filmen - da klingt ganz schön mysthisch.

    Sphaèros: Ich habe die sieben Songs in sieben Tagen aufgenommen - zu Beginn einer neuen Mondphase. Wie wir wissen, ist die Zahl Sieben eine besondere Zahl. Sieben Chakren. Sieben Tage für eine Mondphase. Das Auge kann bis zu sieben Elemente erfassen, bis es zwinkert. Die sieben Weltwunder. Und nicht zu vergessen: Sie ist die Zahl der Weisheit. Für mich ist die Sieben jetzt die gute Zahl - obwohl meine wahre Nummer eigentlich Trinity heißt.

    Anne: Du hast viel Zeit mit Dir selbst verbracht und Dich für das neue Projekt auf Dein Innerstes konzentriert. Insgesamt waren es drei Jahre. Für mich klingt das nach einer Menge Zeit für Meditation. Warst Du schon immer eine spirituelle Person?

    "Alles, was ich tue, ist Musik"

    Sphaèros

    Sphaèros: Also, ich habe nicht drei Jahre lang meditiert, denn alles, was ich tue, ist Musik. Dinge wie Bildhauerei und Filmen besitzen die Kraft, einen in einen meditativen Zustand zu versetzen. Natürlich bin ich ganz schön viel gereist. Auf jede erdenkliche Weise - mit Geist und Körper. Mit der Hilfe heiliger Pflanzen und Psychedelika jeder Art. Dieses mal wollte ich es stoppen. Ich wollte fühlen, wie diese Erfahrungen meinen Geist klarer gemacht haben. Experimentelle Kunst erschaffen - mit der Kraft eines klaren und erleuchteten Geistes.

    Ich sehe mich selbst nicht als spiritueller Mensch sondern viel mehr als eine Art Außenseiter. Ein Spinner, wenn Du so willst. Ich möchte einfach jede Erfahrung die es gibt machen, so lange ich auf der Erde bin. Dass es in meiner Art zu leben auch Spiritualität gibt, würde ich schon sagen. Und ja: So wurde ich geboren. Ich habe mich schon immer außerhalb vorherbestimmter Regeln bewegt. Dingen wie Religion, Gurus, traditionellen Büchern oder Meditationsriten folge ich nicht. Ich glaube an meine persönlichen Erfahrungen und vertraue auf meine Gefühle. Ich wollte immer alles über mich selbst herausfinden - mit meinen eigenen Sinnen und auf meine eigene Art.

    Anne: Glaubst Du an eine höhere Macht oder Kraft?

    Sphaèros: Es fällt mir nicht leicht, auf diese Frage zu antworten. Weil wir nicht wissen, woher wir stammen, kann wohl keiner sie wirklich beantworten. Ich glaube an kosmische Energie, Träume, die Realität und die Kraft der natürlichen Elemente. Ich liebe das Konzept des menschlichen Gehirns. Es erlaubt uns, jede Art von Realität zu erschaffen und zu verändern. Ich glaube, dass jedes lebende Wesen auf seine Art Gott ist. Ich glaube an Chaos, Feuer, die Unendlichkeit, alte Seelen, Raumfahrt und Liebe.

    Anne: Was hilft Dir dabei, kreativ zu sein und neue Kunst zu erschaffen?

    "Nicht mal in einer Zelle würde ich aufhören kreativ zu sein"

    Sphaèros: Alleine zu sein. Und mein Kopf! Ich bin immer in Bewegung. Ich habe diese Sache, über die Menschen ständig reden, nie verstanden. Diese sprichwörtliche weiße Seite. Der Mangel an kreativen Ideen. Mein Kopf hält niemals an. Ich gestalte die ganze Zeit Dinge. Nicht mal, wenn ich in einer Zelle sitzen würde, würde ich aufhören, Dinge zu gestalten. Ich bin sehr dankbar und glücklich über diese Tatsache.

    Ich glaube, dass wir das gesamte Universum in uns haben und unsere eigenen Meister sind. Mit unserem Geist können wir alles erschaffen. Es wir niemals aufhören. Am liebsten würde ich 500 Jahre leben, um alles zu erschaffen und zu entwicklen, was ich in mir trage. Mir ist bewusst, dass ich nicht viel Zeit habe, also verbringe ich den größten Teil meiner Zeit in meinem Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert. Meiner Untergrundwelt, in der ich Dinge erschaffe.

    Anne: Wie lange machst Du schon Musik?

    Sphaèros: Ich mache seit meiner Kindheit Kunst. Ich denke, dass alles, was ich mache, also Bildhauerei, Musik, Filmen, Fotografie, eine Art Sprache ist. Wirklich gelernt habe ich nie etwas. Ich habe immer alles direkt erforscht. Freie Kunst. Ohne Tradition, Technik oder Schule. Nur meine inneren Emotionen und Gefühle. Ich mag es, die Dinge einfach, klar und direkt zu halten.

    Anne: Welche Künstler*innen haben Dich während Deiner persönlichen Entwicklung am meisten beeinflusst?

    "Am meisten beeinflusst mich die Natur"

    Sphaèros

    Sphaèros: Oh, es gibt einige, die mich wirklich schwer beeindruckt haben: HP Lovecraft, Salvador Dali, Hieronymous Bosch, Tod Browning, Aubrey Bearsley, Alejandro Jodorowski, Kenneth Anger, Roman Polanski, Pierre Clementi, Beaudelaire, Antonin Artaud, Isidore Ducasse,Bela Lugosi, Hans Bellmer, Bruegel... Ich könnte immer weiter aufzählen. Was mich persönlich tatsächlich am allermeisten beeinflusst hat, ist das Beobachten der Natur - Insekten, Säugetiere, Pflanzen. Ich mag es, ihnen bei ihrer Entwicklung und beim Wachsen zuzusehen. Ihr Leben, ihre Formen, Geräusche und ihre Art miteinander zu kommunizieren. Ich versuche schon immer, das auf meine Art zu reproduzieren und in meinem Hexenkessel einen Mix daraus zu erschaffen.

    Anne: Ich meine, Einflüsse aus den 1970er Jahren in Deiner Kunst zu erkennen. Würdest Du sagen, dass Dich dieses Jahrzehnt besonders beeindruck hat?

    Sphaèros: Also ich wurde 1970 geboren. Ich liebe die Tatsache, dass die Menschen in den 1970ern viel ausprobiert haben. Insbesondere ihre Freiheit. Aber noch mehr fasziniert mich die Zeit zwischen 1880 und 1920. Die Mittelalterzeit. Das Cro-Magnon. Die Neandertaler und die Zeit der Dinosaurier.

    Anne: Du kommst aus Paris und Du bis dort als Künstler groß geworden. Was ist das Besondere an der Pariser Kunstszene?

    "Paris hat eine besondere Atmosphäre"

    Sphaèros: Ich gehöre nicht zu einer "Szene", also kann ich Dir das nicht genau sagen. Ich liebe Paris für seine Geschichte, seine Museen, seine Architektur und seine besondere Atmosphäre. Ich denke, dass die Pariser Musikszene wirklich schlecht ist. Also bis auf die gute alte Zeit mit Barbara, Edith Piaf and Serge Gainsbourg.

    Anne: Du hast mir erzählt, dass Du ein kreativer Mensch bist. Dein Kopf hält nie an. Was würdest Du Künstler*innen, die sich in einer Schaffenskrise befinden und es nicht schaffen, ihre Werke fertigzustellen, raten?

    "Wenn man etwas erschaffen möchte, muss man loslassen können"

    Sphaèros: Ich würde ihnen raten loszulassen. Nimm Dir eine Auszeit. Genieße das Leben. Denk gar einfach gar nicht an Kunst und sie wird zurückkommen. Keine Eile und kein Druck.

    Anne: Wodurch unterscheidet sich die Arbeit an Deinem neuen Projekt von der mit Aqua Nebula Oscillator?

    Sphaèros: Sie ist anders, weil ich das komplette Projekt selbst gestaltet habe. Von vorne bis hinten - ganz ohne Druck. Mein komplette kreative Essenz steckt darin. Es ist wie eine Sphaèros Sphäre. Alle Bilder, die Musik, Poesie, die Skulpturen und Filme - sogar das Plattencover - sind ein Teil von mir. Ich wollte Spaß haben und alles rausholen, was ich kann, bevor ich mir das Resultat ansehe. Es war eine schöne Herausforderung für mich. Ich habe lediglich einen Drummer (Adrian Bang) gefragt, ob er für die Aufnahme für spielen würde. Außerdem haben drei Leute ein Gedicht vorgetragen (Stephanie Swanquills, Machiavel Machina, Sylvia Shoshinski) und ein paar befreundete Tänzer⋆innen (Holly Carlson, Symphonie Monoton) haben in meinen Videos getanzt. Ich habe meine ganz eigene Kunst geschaffen - als wäre es ein Buch oder ein Gemälde.

    "Aqua Nebula Oscillator gibt es nicht mehr"

    Bei Aqua Nebula Oscillator waren viel mehr Menschen involviert. Wir hatten fünf verschiedene Formationen, die sich immer richtig angefühlt haben. Nach den Aufnahmen, hatte ich das Gefühl, davon geblendet zu sein.

    Anne: Wird es Zukunft neue Musik von Aqua Nebula Oscillator geben?

    Sphaèros: Nein, Sphaèros ist jetzt das Aqua Nebula Oscillator.

    Anne: Deine neuen Stücke sind Gesamtkunstwerke - Performance inklusive. Wo können wir Dich dieses Jahr live auf der Bühne sehen?

    Sphaèros: Im Moment bin ich mit der Ausarbeitung des Live-Teils beschäftigt. Ich setze mich dabei selbst nicht unter Druck. Ich möchte von selbst in den Flow kommen. Ihr werdet schon bald von mir hören.

    Anne Arbeitest Du auch bereits an neuen Stücken?

    Sphaèros: Ja. Wie ich es gesagt habe: Mein Leben ist Kreation. Ich werde niemals aufhören - bis es eines Tages Zeit für den Sarg wird. Und nichtmal da bin ich mir sicher. Vielen Dank!

    Sphaeros’ aktuelles Stück trägt den Namen "Possession". Es handelt sich dabei um die zweite Vorauskopplung des gleichnamigen Albums. Es wird ab morgen (6. März 2020) in den Plattenläden und auf iTunes und Spotify erhältlich sein.

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