Soundsvegan Logo

soundsvegan.com

    1,5-Grad-Ziel nicht plausibel

    Neue Klimastudie der Uni Hamburg

    Beitrag von Anne
    02.02.2023 — Lesezeit: 4 min
    1,5-Grad-Ziel nicht plausibel

    Die Autor*innen der neuesten Klimastudie "Hamburg Climate Futures Outlook" sehen es klar: Wenn wir uns ausschließlich auf die vereinbarten Bestrebungen konzentrieren, werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen. Die Forschenden der Uni Hamburg sehen die Verantwortung bei Unternehmen, Medien sowie Konsument*innen.

    Aus der offiziellen Mitteilung1 zur Arbeit der Hochschule geht folgendes hervor:

    "Eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ist derzeit nicht plausibel"

    Das Ziel des zweiten Hamburg Climate Futures Outlook2 ist die systematische Analyse und Plausibilitätsbewertung bestimmter klar definierter Klimazukünfte auf der Grundlage des derzeitigen Wissens über soziale Treiber und physikalische Prozesse. Die Forschenden prüften dafür die Plausibilität der im Pariser Klima-Abkommen von 2015 vorgesehenen Klimazukunft: die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten (UNFCCC 2015, Artikel 2 Absatz 1a). Dabei arbeiten sie mit einem Klima-Zukunftsszenario, das Emissions- und Temperaturziele kombiniert. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss die Welt bis 2050 einen Zustand der umfassenden Dekarbonisierung erreichen.

    Zehn klimarelevante Faktoren

    Rund 60 Natur- und Sozialwissenschaftler*innen arbeiteten die gestern veröffentlichte Studie gemeinsam aus. Sie betrachteten dabei zehn gesellschaftliche, für das Klima relevante Faktoren:

    • UN-Klimapolitik
    • Klimaschutz-Gesetze
    • Proteste
    • soziale Bewegungen
    • transnationale Initiativen
    • Klagen vor Gericht
    • Konsumverhalten
    • Abzug von Investitionen aus der fossilen Wirtschaft
    • Wissensproduktion
    • Medien

    Zusammengefasst lauten die Erkenntnisse der Forschenden wie folgt:

    "Das Erreichen des Pariser Temperaturziels von 1,5 °C ist nicht plausibel. Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C kann plausibel werden, wenn wir Ambitionen, Umsetzungs- und Wissenslücken schließen.

    Keiner der zehn sozialen Treiber unterstützt eine umfassende Dekarbonisierung bis 2050. Die treibenden Kräfte der Unternehmen sowie unsere Konsummuster untergraben weiterhin die Wege zur Dekarbonisierung und machen eine umfassende Dekarbonisierung unmöglich.

    Durch die physikalischen Prozesse Permafrost-Auftauen, AMOC-Instabilität und Amazonas-Waldsterben können die Plausibilität des Erreichens der Temperaturziele des Pariser Abkommens moderat beeinträchtigt werden.

    Die Bewertungen der sozialer Treiber zeigen, dass menschliches Handeln großes Potenzial besitzt, die Entwicklung der Klimazukunft zu gestalten. Dieses wird jedoch stark von Ungerechtigkeiten und sozialen Ungleichheiten geprägt, die die soziale Dynamik hin zu einer umfassenden Dekarbonisierung bis 2050 hemmen."

    Sprich: Wenn wir nicht alle dazu bereit sind, etwas zu tun, ist es zu spät und: Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Die reichen Industrieländer die armen und die großen Konzerne und Mächtigen dieser Welt müssen mit allen gemeinsam an einem Strang ziehen.

    Faktenbasierte und sachliche Berichterstattung ist wichtig

    Die Wissenschaftler⋆innen betonen in ihrer Arbeit auch die Wichtigkeit der Medien und einer korrekten und sachlichen Berichterstattung. Heute unterstützen die Medien das Ziel mal aktiv, mal schwächen sie es. Besonders der professionelle Journalismus findet eher Lob. Mit Sorge sieht die an der Studie beteiligte Soziologin Anita Engels jedoch Fake News – vorwiegend aus dem rechten Spektrum – die vor allem in den sozialen Netzwerken großen Anklang finden. Ein Gegenbeispiel dafür ist die Entwicklung der europäischen Medienberichterstattung weg vom Ausgleichen zwischen der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft und eher am Rand angesiedelten Stimmen.

    Interessant ist, dass die Wissenschaftler⋆innen die fortschreitenden physikalischen Prozesse wie das Abschmelzen des ewigen Eises sowie regionale Klimaveränderungen zwar für gravierend halten, den Rückkopplungseffekt auf das Klima jedoch für geringer, als bisher angenommen. Der Mitautor der Studie Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, spricht davon, dass sie auf die globale mittlere Temperatur bis 2050 kaum mehr Einfluss hätten. So gäbe es für das Schmelzen des arktischen Meereises keinen Kipppunkt. Das Eis bilde sich neu, wenn es durch den Klimawandel wieder zu kälteren Phasen komme. Zwar entstünde durch den Schmelzprozess eine dunklere Oberfläche, die sich theoretisch stärker und schneller erwärme, das Meer würde jedoch häufig von Wolken beschattet.

    Hier ist es von großer Wichtigkeit, einen kritischen Punkt nicht zu vergessen: der soziale Wandel und unser Verhalten haben große Auswirkungen auf das Klima. Dass das Abschmelzen des Eises möglicherweise für keinen großen Rückkopplungseffekt sorgt, wird die Klimakatastrophe nicht stoppen.

    Laut Anita Engels befinden wir uns nicht mal ansatzweise auf dem richtigen Weg. Hinzu kommt, dass die staatlichen Investitionen zur Milderung der Folgen der Corona-Krise und des russischen Einmarsches in die Ukraine die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen noch verfestigt haben. Sie sagt:

    "Wenn wir unsere gesteckten Klimaziele verfehlen, ist es umso wichtiger, dass wir uns an die Folgen anpassen."

    Ihr Kollege Jochem Marotzke betont außerdem:

    "Jedes halbe Grad globaler Klimaerwärmung ist wahrnehmbar."

    Der Physiker finded, der Begriff "Kipppunkte" sei inzwischen so aufgeweicht, dass er als wissenschaftlicher Begriff kaum mehr tauge. Die Entwicklung der globalen Temperatur hänge vielmehr von den Emissionen sowie der Reaktion des Klimas ab.

    Bei dieser Art Rückkopplungen sprechen die Forschenden von Klimasensitivität. Die Angst vor dem Abtauen des Permafrostes sollte in ihren Augen nicht unsere größte sein. Unser Fokus solle viel mehr auf der erwärmten Erdatmosphäre liegen. Immer mehr von dieser Energie strahle beispielsweise auch ins All ab. Die Auswirkungen dieses Vorgangs seien 40 Mal so stark, wie der Klimaeffekt des Methans, das beim Abtauen des ewigen Eises freigesetzt werde, so die Wissenschaftler⋆innen.

    Wir alle müssen etwas tun, um die Klimakatastrophe zu stoppen

    Die Forschungsgruppe findet, es hätte sich einiges bewegt. Allerdings bremse das Verhalten der Unternehmen und Konsument⋆innen den so dringend notwendigen Klimaschutz aus. Die notwendige umfassende Dekarbonisierung verliefe nach wie vor viel zu langsam. Dekarbonisierung bedeutet die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen, erklärt Anita Engels.

    Wir alle müssen demnach unser Verhalten ändern und mit offenen Augen durchs Leben gehen. Sachliche Berichterstattung auf der Basis wissenschaftlicher Fakten und das entsprechende Handeln der Politik kann auf Dauer außerdem den entscheidenden Beitrag zur Rettung des Klimas leisten. Um das zu schaffen, sind vor allem zwei Dinge wichtig: Aufklärung unter Bereitstellung aller wichtigen Fakten, ohne die Beeinflussung durch Lobbys und persönliche Meinungen und eine laute, offene Debatte über die Klimakatastrophe und wie welche Schritte wir alle gehen müssen, um sie zu stoppen.

    1. Offizielle Mitteilung zur Studie
    2. Studie der Uni Hamburg

    © 2024 · soundsvegan.com · Anne Reis