Dave Pen BirdPen & Archive
"All Function One"
Dave Pen habe ich 2004 das erste Mal kurz nach seinem Einstieg bei Archive live auf der Bühne gesehen. Die Musik seiner beiden Projekte Archive und BirdPen fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Jede neue Platte holt mich genau da ab, wo ich mich in meinem gerade aktuellen Lebensabschnitt befinde. Beide Bands sind aus meiner Plattensammlung nicht mehr wegzudenken.
Dave Pen und Mike Bird aka BirdPen haben vor Kurzem die zweite Auskopplung ihres für März anstehenden neuen Albums "All Function One" veröffentlicht (Ihr findet sie in der Musikliste für den Februar ). Während die Spannung auf das Gesamtwerk steigt, habe ich mich mit dem Sänger und Gitarristen über die Produktion der insgesamt 12 neuen Songs, seine Erfahrungen mit BirdPen und Archive und das Musiker*innenleben während der Pandemie unterhalten.
Anne: Wie geht es Dir heute? Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Ich weiß es wirklich zu schätzen! Ich bin schon sehr gespannt, einen meiner Lieblings-Musiker*innen kennenzulernen! Die Musik von BirdPen und Archive begleitet mich schon seit langer Zeit.
Mit BirdPen habt Ihr ja gerade den zweiten Song Eures neuen Albums "All Function One" veröffentlich, das am 5. März erscheinen soll. Möchtest Du mir erzählen, warum Ihr ausgerechnet "Invisible" und "Function" als Vorauskopplungen ausgewählt habt? Repräsentieren sie das Album insgesamt am besten oder müssen wir uns auf eine große Überraschung gefasst machen, wenn es zur finalen Enthüllung der Platte kommt?
"Wir wollten unsere Fans mit einbeziehen"
Dave: Für "Function" haben wir uns entschieden, weil wir unsere Fans in den Album-Start mit einbeziehen wollten. Das ist uns auch gelungen, indem wir sie in das Video mit einbezogen haben. "Function" war eigentlich eine Art Anti-Single. Sie gibt den Ton an, um den es in dem Album geht.
"Invisible" taucht ja erst später auf der Platte auf, aber es hat uns so viel Spaß gemacht, diesen Song zu machen, dass wir ihn als Single haben wollten. Wir denken auch, dass er textlich eine gute Bedeutung hat und in diesen dunklen Zeiten etwas Hoffnung gibt.
Anne: "All Function One" – das hört sich an, als wäre da eine Story hinter diesem Album. Stimmt das? Habt Ihr ein bestimmtes Konzept verfolgt, als Ihr die Songs komponiert habt?
"Die digitale Traurigkeit hat uns inspiriert"
Dave: Ja, das haben wir tatsächlich getan. Wir haben dieses Album mit Ideen zur Isolation und Angst vor der Außenwelt angefangen. Inspiriert haben uns dabei Dinge wie digitale Traurigkeit, Deepfakes und Paranoia. Dann ging es mit COVID los und wir haben darüber geschrieben, was um uns herum passiert ist. Das war ganz schön unheimlich. Wir sind wirklich davon überzeugt, dass unsere Platte Berührungspunkte mit allem hat, was in den letzten 12 Monaten oder so passiert ist.
Anne: Wie lange hat es dann insgesamt gedauert, "All Function One" zu machen?
Dave: Wir hatten zwei Schreib- und Recording-Sessions in einer umgebauten Hütte in Brockenhurst im New Forest. Wir fangen immer von null mit einem neuen Album an. Mit dem Schreiben und Aufnehmen fangen wir zur selben Zeit an. Ich denke, wir fangen damit die Energie des Neuen auf diese Art am besten ein. Wir haben schon immer so gearbeitet und es hat schon immer gut funktioniert.
Beide Sessions haben je ungefähr zehn Tage gedauert, glaube ich. Die Drum-Aufnahmen in den Sunshine Corner Studios in Fleet, Hampshire mit eingeschlossen.
BirdPen im Lockdown
Wir haben uns dann noch ein bisschen mit der Post-Produktion beschäftigt, bevor wir das Album in Schweden, wo Mike lebt, fertig abgemischt haben. Weil der Lockdown drohte, musste Mike die Zügel alleine in die Hand nehmen. Ich habe meinen Flug aber auch gecancelt, weil ich zu viel Angst hatte, während der Pandemie zu reisen. Ein paar Tage nachdem Mike mit dem finalen Mixing angefangen hatte, wurde in den UK der komplette Lockdown verhängt. Wir mussten also mit dem Mastering noch warten, da wir nicht in die Abbey Road Studios gehen konnten! Aber alles in allem haben wir trotzdem nur circa einen Monat für die Platte gebraucht, wenn man die Tage zusammenzählt.
Anne: Gab es in den Zeiten der Pandemie sonst noch Punkte, in denen sich die Produktion des Albums von der seiner Vorgänger unterschieden hat?
"Wir lieben die Abbey Road Studios"
Dave: Wir hatten wirklich Glück, dass wir vor dem Lockdown mit dem Recording fertig geworden sind. Dadurch mussten wir nicht remote arbeiten. Wir mussten nur noch warten, bis die Abbey Road Studios wieder aufmachen und konnten nicht in unsere Mastering-Session mit Frank Arkwright gehen, was eine Schande ist. Wir gehen immer dorthin. Es ist einfach fantastisch dort. Das Café ist großartig. Die Abbey Road Studios sind ein ganz besonderer Ort. Es fühlt sich so toll an, diese Treppen hinaufzugehen und dort tatsächlich zu arbeiten. Alles andere haben wir nur online gemacht, als die Releases arrangieren und so weiter.
Anne: Als Musiker mit Erfahrung: Gibt es etwas, das Du jungen Bands für die Aufnahme ihrer ersten Platte empfehlen würdest?
Dave: Tut immer das, was Ihr tun wollt und tut es für Euch selbst. Dieses erste Album ist immer ein Statement. Ihr solltet darum etwas machen, mit dem Ihr selbst glücklich seid. Es gehört Euch und es entsteht in Euren Köpfen also bleibt frei!
Anne: Als aktive und Gründungs-Mitglieder in beiden Bands, BirdPen und Archive: Welche der beiden würdest Du persönlich als Deine Basis bezeichnen? Würdest Du sagen, eine ist das Herz und eine der Kopf?
"Archive ist wie Familie"
Dave: Ich denke, dass es ein echtes Privileg ist, Teil zweier so wundervollen Projekte zu sein. Archive ist für mich Familie. Das ist jetzt schon seit vielen Jahren so. Mike und ich haben beide mit Darius und Danny so viel gelernt und gestaltet. Wir waren schon Freunde, bevor wir damit begonnen haben, also haben wir eine besondere Verbindung.
BirdPen kommt etwas direkter und aus zwei Köpfen. Vielleicht ist unsere Musik auch ein bisschen organischer, als die von Archive. Auf eine Art gibt es einfach nicht so viel, das man bedenken muss. BirdPen ist einfacher und mehr Gitarren- und Lyrik-getrieben während Archive wesentlich komplexer ist. Beide Projekte stehen für sich, ergänzen sich aber auch, jedenfalls bei den Songs, die ich singe.
Anne: Wir leben in verrückten Zeiten. Wir alle müssen im Moment Abstand von den Dingen nehmen, die wir lieben. Besonders Live-Musik scheint so weit weg zu sein. Wie gehst Du damit um? Vermisst Du das Touren?
"Es ist hart, das Album nicht auf einer Tour promoten zu können"
Dave: Es war sehr komisch. Wir hatten das große Glück, vor Ende 2019 eine große Tour mit Archive zu machen. Es stand für uns also ohnehin eine kurze Pause für uns an. Es ist hart, nicht dazu in der Lage zu sein, mit dem neuen BirdPen Album auf Tour zu gehen. In dem Moment, in dem Du mit einem Album auf Tour gehst, erwacht normalerweise alles zu Leben. Mit unseren Konzerten verdienen wir das Geld, von dem wir leben. Es ist also ganz schön beunruhigend, nicht zu wissen, wann wir wieder da raus können. Die Pandemie hat so viele Menschen in so vielen Branchen und Geschäften auf der ganzen Welt in eine schwierige finanzielle Lage gebracht.
Ich habe es geschafft, mich in den letzten zehn Monaten aufs Musikmachen zu konzentrieren. Ich habe an Remixes gearbeitet und an einem Soloalbum. Das hat mir wirklich geholfen. Ich laufe auch sehr viel. Für mich ist das eine weitere Möglichkeit, meinen Kopf freizukriegen. Durch die Lockdowns hatte ich außerdem auch die Möglichkeit so viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Meine Kinder waren während der ganzen Zeit so toll. Das Homeschooling hat einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch genommen. Aber es war auch sehr erfüllend. Ich habe so viel Zeit drinnen verbracht, es fühlt sich ein bisschen so an, als wäre ich daheim eingewiesen. Vielleicht bin ich zu der Person geworden, um die es in unserem Album geht?
Anne: Als Fan bin ich sehr neugierig auf Eure Einflüsse – musikalisch und insgesamt. Möchtest Du mir ein paar davon verraten?
"Ich habe zuletzt viel Swans gehört"
Dave: Bei "All Function One" haben wir uns sehr von Bobby Krlics MidSummer Soundtrack inspirieren lassen. Ich habe mir auch sehr viel Swans angehört im letzten Jahr. Ich glaube, sie hatten einen sehr positiven Einfluss auf mich. Es gibt so viele Bands, die wir mögen, es ist unmöglich, sie alle aufzulisten.
Anne: Gibt es so etwas wie "Das beste Album aller Zeiten"? Falls ja: Welches ist es für Dich?
Dave: Das ist unmöglich! Es gibt einige Alben, die einen großen Einfluss auf mein Leben hatten. Hier sind ein paar davon:
- "Angel Dust" - Faith No More
- "Dark Side Of The Moon" and "Animals" - Pink Floyd
- "Feed Me Weird Things" - Squarepusher
- "Mighty Joe Moon" - Grant Lee Buffalo
- "A Northern Soul" - The Verve
- "Abbey Road" - The Beatles
- "Music Has The Right To Children" - Boards Of Canada
- "Deserters Songs" - Mercury Rev
- "Spirit Of Eden" - Talk Talk
Anne: Was inspiriert Euch beim Schreiben neuer Songs?
"Beim Schreiben kann alles inspirierend sein"
Dave: Alles, was uns in den Sinn kommt. Es gibt überall interessante Dinge zu entdecken. Schau Dich einfach um: Du könntest sogar ein Album über die aktuellen schreiben.
Anne: Ihr habt BirdPen 2003 gegründet. Was hat sich seitdem verändert?
Dave: Unsere Haare und die Anzahl der Gitarren, die wir über die Jahre erworben haben! Wir haben auch einige brillante Leute kennengelernt und live mit einigen tollen Leuten gearbeitet, mit denen wir innige Freundschaften geschlossen haben. Wir haben immer ein ziemlich kleines Setup. Das macht es auf eine Art sehr persönlich, was uns gefällt. Die BirdPen Fans sind großartig und wir haben so viele tolle Charaktere kennengelernt, während wir auf Tour waren.
Anne: Ihr habt so viele Platten uns Songs zusammen gemacht und so viel Zeit zusammen verbracht. Würdest Du Sagen, dass Ihr über die Jahre zu einem guten Team geworden seid? Ich kann mir vorstellen, dass einen diese Vielzahl von gemeinsamen Erfahrungen unzertrennlich machen können. Seit Ihr mehr wie beste Freunde oder wie Kollegen?
"Mike und ich machen schon seit 26 Jahren zusammen Musik"
Dave: Mike und ich sind schon seit 1995 zusammen in Bands! Seitdem haben wir richtig viel Spaß. Wir haben beide sehr hart an dem gearbeitet, was wir tun, und wir müssen immer noch hart weiterarbeiten. Bis jetzt war es eine tolle Fahrt! Ich glaube nicht, dass wir so lange durchgehalten hätten, wenn wir uns nicht gut verstehen würden.
Anne: Bevor wir auflegen, möchte ich Dir gerne noch eine allgemeine Frage stellen. Beantworte sie einfach nach Lust und Laune: Wenn Du die Möglichkeit hättest, etwas auf der Welt zu verändern. Was wäre es?
Dave: Niemandem auf der Welt sollte der Zugang zu Essen und Wasser verweigert werden. Es ist furchtbar, dass immer noch Menschen hungern müssen und kein frisches Wasser oder vollwertiges Essen haben, während wir es sprichwörtlich wegwerfen und so viel Mist in uns reinstopfen. Es ist entsetzlich.
Anne: Was steht als Nächstes an für BirdPen? Ihr freut Euch wahrscheinlich tierisch auf die Veröffentlichung "All Function One" nehme ich an? Wie geht es nach dem 5. März weiter?
"Wir sehen uns alle unter den Lichtern wieder"
Dave: Wir sind wirklich glücklich, dass wir dieses Album veröffentlichen können und sehr froh darüber, dass die Zeit es so gut mit uns gemeint hat. Wir sind uns nicht sicher, wann wir mit der Platte auf Tour gehen können. Aber wir sagen uns immer wieder, dass es etwas ganz Besonderes sein wird, wenn es passiert. Wir werden uns alle wiedersehen. Unter den Lichtern. Sehr bald. Eines Tages. x
PS: Während dem ersten Lockdown haben wir mit BirdPen eine vollständige halb-akustische Show aufgezeichnet. Die Aufnahme trägt den Namen "The Lockdown Sessions". Es hat uns sehr viel Spaß gemacht und das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Gemeinsam mit unseren Fans, die alle zu Hause eingesperrt waren.