"Tierleid vom Fließband"
Greift die Tierrechtsdoku zu kurz?
In der Mediathek des Fernsehsenders ARTE gibt es seit Kurzem eine neue Tierrechtsdoku: "Tierleid vom Fließband". Im Film geht es darum, dass weltweit jährlich 70 Milliarden Tiere für den Verzehr geschlachtet werden – und wie es den 80 Prozent davon ergeht, die in der Massentierhaltung aufgezogen werden. Die Tierrechtsorganisation Animal Equality freut sich über eine Dokumentation dieser Art im Fernsehen. Sie warnt jedoch auch davor, dass sie zu kurz greift.
Gedreht hat ARTE France die Doku 2022 unter der Regie von Caroline Du Saint. Das Filmteam warf dabei bewusst einen Blick hinter die Kulissen der Großbetriebe, in denen die Tiere in überfüllten Stallungen zusammengepfercht, gemästet und geschlachtet werden – ohne dabei jemals das Tageslicht zu sehen. Auch die Erfolgsgeschichte der industriellen Landwirtschaft, in der Tiere zur Ware wurden und unvorstellbares Leid erleben, beleuchtet ARTE.
Tiere als Ware
Die Regisseurin stellte sich bei ihrer Arbeit die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Menschheit "Nutztiere" heute nicht mehr als Lebewesen sieht. Nur mit dieser Voraussetzung konnte es überhaupt erst dazu kommen, dass heute in Deutschland rund 750 Millionen und in Frankreich etwa eine Milliarde Tiere für unseren Konsum getötet werden – Tiere wurden zum Rohstoff und damit zu einem entmenschlichten Teil unseres Wirtschaftssystems.
Für den Film recherchierte und filmte ARTE unter anderem in Deutschland, Polen, den USA und Vietnam und ging dem System hinter der Fleischindustrie auf den Grund. Ziel der Reportage war es nicht nur, Licht ins Dunkel zu bringen, sondern auch den Verantwortlichen auf den Zahn zu fühlen.
Das sagt Animal Equality zur Doku "Tierleid vom Fließband"
Die Tierrechtsorganisation Animal Equality freut sich über die neue Doku im deutschen Fernsehen, betrachtet die Inhalte des Films jedoch auch kritisch. In einem aktuellen Newsletter schreibt Sophie Lemcke, Communications Manager bei Animal Equality Deutschland:
"Die neue ARTE-Dokumentation 'Tierleid vom Fließband' zeigt ungeschminkt die Geschichte und Zustände in der heutigen Tierhaltungsindustrie. Sie zieht daraus jedoch die falschen Schlüsse."
Sie lobt, dass es dem Team von "Tierleid vom Fließband" gelungen ist, ein detailgenaues Bild der Geschichte und der gegenwärtigen Tierhaltung-Standards zu zeichnen. Die katastrophalen Haltungsbedingungen, die Grausamkeit den Tieren gegenüber, das Wegsehen der Politik und Aufsichtsbehörden, die Auswirkungen von Qualzucht sowie die grausame Automatisierung der Abläufe kommen im Film nicht zu kurz.
Sophie Lemcke sieht das so:
"Mit der Darstellung dieser Umstände geht die Dokumentation der Frage auf den Grund, welche gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dazu geführt haben, dass Tiere nicht als empfindungsfähige Wesen, sondern als Ware gesehen werden. Wir finden es sehr gut, dass solche Bilder einem so großen Publikum gezeigt werden können. Die Dokumentation greift mit der Schlussfolgerung jedoch leider zu kurz."
Damit spricht die Kommunikation-Managerin den Punkt an, dass ARTE im Film die Ausbeutung von Tieren nicht grundsätzlich ablehnt. Sie beschränkt sich vor allem darauf, Tiere bis zu ihrer Schlachtung nicht leiden zu lassen, sie aber dennoch für den menschlichen Verzehr auszubeuten und zu töten. Sie findet:
"Die Dokumentation 'Tierleid vom Fließband'1 leistet gute Arbeit, indem sie zeigt, in welche schreckliche Richtung sich die Tierhaltungsindustrie entwickelt hat. Sie klärt auf, was dort geschieht, aber sie zieht daraus die falschen Schlüsse.
Die Doku geht davon aus, dass Dinge wie verbesserte Haltungsbedingungen, größere Ställe, kleinere Betriebe und Hausschlachtungen ausreichend seid. Die Rede ist hier auch von der Entwicklung "zurück zu eher bäuerlichen Strukturen". Als problematisch sieht sie lediglich die Industrialisierung des Systems.
Der Großteil der Tierrechts- und Tierethik-Aktivist*innen und Veganer*innen dürfte das anders sehen. So auch Animal Equality2:
"Das stimmt so nicht! Krankheiten und Verletzungen sind in kleineren Bio-Betrieben nicht unbedingt seltener, den Tieren geht es dort nicht grundsätzlich besser als in den riesigen Fabrikhallen.
Und auch wenn solche Bedingungen für die Tiere besser wären. Macht sie das zu richtigen Bedingungen? Nein, denn es ist nicht notwendig, Tiere zu töten, wenn wir nicht darauf angewiesen sind. Und wir sind nicht darauf angewiesen, weil eine pflanzenbasierte Ernährung wunderbar funktioniert, in jeder Lebensphase. Das ist auch die einzig ethisch richtige Entscheidung.
schreibt Sophie Lemcke.
Kennt Ihr schon die ARTE Dokumentationsreihe "Wen dürfen wir essen?" Zum Thema Nutztierhaltung? Auch sie bekam von Animal Equality das Prädikat "absolut sehenswert. Sie kommt zu der für das deutsche Fernsehen sehr deutlichen Schlussfolgerung: "Die Tierhaltungsindustrie muss abgeschafft werden".
Was meint Ihr? Seht Ihr es wie Sophie und ich? Findet Ihr auch, dass die Doku zu kurz greift? Unter dem Link unten könnt Ihr Euch die Doku anschauen.