"Musik ist unsere Meditation"
Interview mit awakened souls
Vor ein paar Tagen haben ich hier das grandiose Album "Keep The Orange Sun" von awakened souls und From Overseas vorgestellt. Jetzt hatte ich die Gelegenheit mich mit dem kalifornischen Duo awakened souls über die Platte zu unterhalten. Cynthia und James haben mir auch gleich noch verraten, was für eine großartige Überraschung uns nächstes Jahr bevorsteht.
Anne: Hi! Danke, dass Ihr Euch die Zeit nehmt! Wie geht es Euch heute? Ihr habt gerade Euer neues Album "Keep The Orange Sun" zusammen mit From Overseas aka Kévin Séry veröffentlicht. Wie ist das Feedback bis jetzt?
"Es war ein magischer Moment, als wir unsere Musik das erste Mal im Radio gehört haben"
Cynthia und James: Hi! Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns zu interviewen. Uns geht es gut! Das Feedback, das wir bis jetzt von unseren Freund*innen und der Community bekomme haben, ist positiv! Wir sind Alex Ruder und seiner Pacific Notions Show (KEXP, Hush Hush Records) für seine Unterstützung auf dem Weg zur Veröffentlichung und danach extrem dankbar. Es ist ein magischer Moment, wenn man eines Sonntags aufwacht und seinen Song im Radio hört. Jedes Mal, wenn ein Stück von uns gespielt werden sollte, haben wir mit Kévin gechattet und gespannt darauf gewartet, welchen Song er dieses Mal aussuchen würde.
Anne: Wie war es mit Kévin zu arbeiten? Wie habt Ihr Euch kennengelernt?
Cynthia: Ich habe mich kurz nachdem er 2020 sein Album "Home" veröffentlicht hatte, bei Kévin gemeldet. Ich habe ihm einfach erzählt, dass ich auch auf Guitar-Reversing stehe. Wir haben dann schnell festgestellt, dass uns unsere innige Liebe zu Radiohead miteinander verbinden und ich wusste sofort, dass es der Beginn einer guten Freundschaft war. Als James auch noch dazu kam, war klar, dass uns eine einzigartige Kollaboration bevorstand. Wir sind inzwischen eng miteinander befreundet. James und ich sind beide sehr inspiriert von der Aufmerksamkeit, die Kévin in jedes Detail steckt. Seine Passion und sein Antrieb sind faszinierend.
Anne: Wodurch unterscheidet sich das Album sich von denen, die Ihr zuvor aufgenommen habt?
"Wir haben sehr unterschiedliche musikalische Hintergründe"
James, Cynthia und Kévin
Cynthia und James: Wir haben alle drei völlig unterschiedliche musikalische Hintergründe. Es war also klar, dass diese Kooperation etwas ganz eigenes werden würde. Wir wollten mehr als nur Ambient machen. Das hat dazu geführt, dass wir IDM, Shoegaze und neoklassische Elemente mit eingebracht haben, die in unserer Musik vorher nicht vorgekommen sind. Neue Ausdrucksformen sind plötzlich und völlig natürlich aufgetaucht und wir waren bereit, uns darauf einzulassen.
Anne: Eure Kombination von Elementen aus der Electronic, Shoegaze und Ambient Welt sorgen für einen harmonischen und einzigartigen Stil. Hattet Ihr das vor, als Ihr angefangen habt, die Platte aufzunehmen? Oder ist das mehr wie ein glücklicher Zufall, dass die Genres, in denen Ihr Euch wohlfühlt, so gut zusammenpassen?
James: Wir wollten die Genres unbedingt kombinieren. Der Song "Keep The Orange Sun" wurde zu einer einzigartigen Reise. Nachdem ich mir Cynthias Gitarren-Parts und die grundlegende Gesangs-Idee angehört hatte, habe ich mich mit Shoegaze Drums und Bass Parts beschäftigt und war mir sicher, dass ich es so machen wollte. Unsere Song-Fragmente haben wir dann innerhalb einer Nacht zusammengefügt. Meiner Meinung nach gibt es eine Kreuzung zwischen Shoegaze und Ambient. Kévins Parts haben diese Verbindung mit den für ihn typischen Gitarren-Texturen und Tönen verfestigt. Ich denke, wir haben uns alle selbst damit überrascht, wie gut das Stück am Ende geworden ist. Es ist auf jeden Fall einer meiner Lieblingssongs auf der Platte.
Anne: Der Song "Certainty Of Tides" handelt von der Gewissheit, dass sich das Leben verändert. Wie seid Ihr auf dieses Thema gekommen?
Die Gewissheit, dass sich das Leben verändert
Cynthia: Als wir anfingen, uns über das Gesamtkonzept des Albums zu unterhalten, musste ich an Joseph Campell's Heldenreise denken. Uns wurde bewusst, dass KTOS unsere persönliche Interpretation der vielen Phasen sind, die wir als Menschen durchlaufen. Ich habe während dieser Zeit Maya Angelou gelesen und ihr klassisches Gedicht "Still I Rise" wurde zum Arbeitstitel des Stücks.
"Just like moons and like suns
With the certainty of tides
Just like hopes springing high
Still I'll rise."("Genau wie Monde und Sonnen
Mit der Gewissheit der Gezeiten
Wie die aufkeimende Hoffnung
Stehe ich weiter auf.")
Diese Passage wurde während einer unsicheren Zeit für mich zu einer Art Trostspender. Dieses Gedicht hatte definitiv auch Einfluss auf unseren Song "Rise".
Anne: Einige der Songs sind sehr meditativ. Meditiert Ihr? Ist Musik Eure persönliche Art herunterzufahren?
"Ich komponiere Musik, um dazu zu meditieren"
James: Musik hat mir schon immer beim Runterfahren geholfen. Als ich in den frühen 1990ern mit dem Komponieren angefangen habe, habe ich ein paar harte Phasen durchlebt. Die Musik wurde zu meiner einzigen Möglichkeit, sie zu überstehen. Ich habe dann Songs geschrieben und sie in Dauerschleife angehört, um meine Gedanken zu beruhigen und einschlafen zu können. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Viele der Musiker*innen, die ich kenne, mögen es nicht, ihre eigene Musik zu hören. Für mich ist das der Grund, sie zu machen. Sie zu hören und dazu zu meditieren.
Cynthia: Ja, ich meditiere. Ich mache das nicht jeden Tag zur selben Zeit. Aber ich finde immer einen Moment, um die Gegenwart zu genießen. Entweder auf meinem Kissen oder in der Natur. Mal lege ich mich bewusst hin und höre mir eine geführte Meditation an, mal mache ich einen Achtsamkeitsspaziergang. Musik zu erschaffen ist für mich ein weiterer Weg, mich direkt mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Ich tauche komplett ein und die Zeit steht still. Es ist so ein schöner Kontrast, in dieses Land der Gestaltung zu gehen, während der Rest meines Lebens sich vor allem darum dreht, für meine große Familie dazu sein. Das kann mitunter ganz schön hektisch werden und die unterschiedlichsten Emotionen hervorrufen.
Anne: Wann habt Ihr awakened souls gegründet? Wolltet Ihr schon immer Musik zusammen machen?
"Wir wollten sofort zusammen jammen"
Cynthia: James und ich haben uns 2014 online kennengelernt. In unserem ersten Chat hat er mich gefragt, ob ich "irgendwann mal Bock hätte zu jammen". Ich habe sofort gemerkt, dass er ein schräger Vogel ist und weil ich das auch bin, haben wir uns einen Tag später zum Jammen getroffen. Unsere erste EP war nach sechs Wochen fertig. Wir haben uns damals den Namen Syntillas gegeben und mehr so etwas in die Indie und Electronic Richtung gemacht. Ich habe unser erstes Album "Sparks" ein bisschen von der Öffentlichkeit ferngehalten. Ich mochte die Tonhöhenkorrektur, die James an manchen Stellen an meiner Stimme vorgenommen hat, nicht. Dennoch gibt es einige Songs auf der Platte, die ich liebe. Ich bin im Moment dabei, sie als Teil unseres musikalischen Weges zu akzeptieren. Danach haben wir eine Single mit dem Namen "For You" aufgenommen. Ich finde, sie klingt tatsächlich sehr ähnlich wie "Any Of Those Lies".
Unseren Bandnamen awakened souls haben wir seit 2017. Er hat mit unserer Verbindung zum buddhistischen Gedanken, insbesondere den Lehren von Pema Chödron, die häufig vom Pfad des Erwachens handeln, zu tun. Wir wussten damals, dass dieses Projekt ein direkter Weg für uns war, Musik zu erschaffen, die dabei hilft, zu heilen und zu verarbeiten.
Anne: Was plant Ihr als Nächstes? Wird es eine Tour geben? Arbeitet Ihr schon an neuen Songs?
Cynthia und James: Wir haben jede Menge spannende Projekte für die nächsten Monate geplant. In der ersten Jahreshälfte 2022 wird es unter anderem ein Album auf Past Inside The Present geben. Wir machen außerdem beide unsere Solo-Alben fertig und schauen, wie es 2022 mit der Veröffentlichung weiter geht. Unser Ziel ist es auch, nächstes Jahr hier und da ein paar Shows zu spielen! Es wäre auch ein Traum, mit Kévin aufzutreten!
Anne: Vielen Dank für das sympathische Interview!
Hier könnt Ihr meine Review zu "Keep The Orange Sun" lesen.
Hier geht's zum Interview mit Kévin Séry.