Seide ist nicht vegan
Das steckt hinter der Seidenindustrie
Seide ist nicht vegan – sie wird aus dem Garn der Seidenraupen gewonnen und der Prozess ist alles andere als tierfreundlich. Doch was genau steckt hinter der Seidenindustrie? Was wird bei der Seidengewinnung gemacht? Ich habe mal ein paar Fakten für Euch zusammengetragen.
Laut Online-Enzyklopädie versteht man unter Seide einen Faserstoff tierischer Herkunft. Der Name Seide stammt vom mittellateinischen Wort "seta". Der Stoff wird aus den Kokons von Seidenraupen, also Seidenspinner-Larven gewonnen. Seide gilt als die einzige bekannte, in der Natur vorkommende textile Endlos-Faser. Daher ist sie seit Generationen besonders in der hochklassigen Mode sehr beliebt. Im Moment erlebt der feine Stoff, der auch immer wieder Basis für Geschichten ist, ein ziemliches Revival – besonders auch unter Freund*innen nachhaltiger Kleidung. Genau aus diesem Grund halte ich es für besonders wichtig, mal ein paar Punkte festzuhalten.
Seide ist nicht vegan – eine Faser tierischer Herkunft
Seide ist also eine Faser, die Menschen aus den Larven von Seidenraupen gewinnen. Vegan kann sie also schon mal nicht sein. So weit, so gut. Die Faser besteht zum größten Teil aus Protein. Ursprünglich wurde sie in China produziert und über die Seidenstraße nach Europa transportiert. Auch heute kommt der größte Teil der weltweit verarbeiteten Seide nach wie vor aus China und auch in Indien und Japan wird Seidenbau betrieben.
Blusen, Hemden, Kleider, Schals, Tücher, Bettwäsche und zuletzt auch Atemschutzmasken werden aus Seide hergestellt. Die Fashion Industrie denkt sich immer wieder neue Möglichkeiten aus, um den fließenden Stoff in Szene zu setzen.
Dass vegan zu leben nicht "nur" bedeutet, sich von pflanzlichen Lebensmitteln zu ernähren, sollte den meisten inzwischen bewusst sein. Dass Veganer*innen keinen Pelz tragen, ist offensichtlich. Einen kleinen Exkurs in Wolle habe ich Euch hier im Blog ja schon gegeben und auch zu Leder findet Ihr einen Artikel. Doch auch Seide kommt nicht infrage, wenn man keine tierischen Produkte in seinen Alltag einbeziehen möchte.
Die Seidenraupen können ihre natürliche Metamorphose nicht erleben
Zwar wissen viele, dass Seide nicht vegan ist, allerdings wird eher selten darüber berichtet, wie sie genau gewonnen wird. Seidenraupen sind die Raupen einer bestimmten Mottenart. Die Chance, ihre von der Natur vorgesehene Metamorphose zu durchleben, wird ihnen jedoch in der Seidenherstellung von den Menschen genommen.
Auf Seidenfarmen werden die Raupen gezüchtet und in ihren Kokons steckend in riesigen Mengen bei lebendigem Leib gekocht und getötet. Dieses Verfahren ist Teil des üblichen Seidengewinnungs-Prozesses.
Wenn die Seidenraupen ein Alter von 35 Tagen erreicht haben, beginnen sie, ihre Kokons zu spinnen, die die Form von Eiern haben. In diesem Stadium ihrer Verwandlung zur Motte, sondern sie aus zwei Drüsen an ihrem Kopf eine Flüssigkeit ab. Dabei handelt es sich um flüssige Seide.
Die Seidenspinner-Kokons werden gekocht
In der Natur würden die Raupen nach 16 Tagen aus ihren Kokons ausschlüpfen und ihr Leben als Motten (Seidenspinner) weiterführen. Doch auf den Seidenfarmen kommt es nicht so weit.
Seidenraupen im Kochtopf. Bild: Glady, pixabay
Die verpuppten Seidenspinner werden in kochendes Wasser geschüttet und gekocht. Bei diesem Vorgang platzen die Puppen auf und aus jeder von ihnen wird ein langer Seidenfaden, der im Anschluss zu Stoff gesponnen wird.
Neben der Kochmethode gibt es auch andere klassische Seidengewinnungs-Optionen. Alle von ihnen enden für die Raupen tödlich. Sie werden gebacken, mit heißem Dampf besprüht, gefroren oder vergast, um die Seidenfasern freizusetzen.
Um etwa 500 Gramm Seide zu gewinnen, sind um die 3.000 Seidenspinner-Kokons nötig. Man kann sich damit ungefähr ausrechnen, wie viele von ihnen für ein Abendkleid nötig sind. Man schätzt, dass in der Seidenindustrie ungefähr 1,2 Billionen Raupen jährlich getötet werden.
Empfinden wirbellose Lebewesen Schmerzen?
Der Gedanke, lebendig gekocht oder eingefroren zu werden ist schrecklich. Dennoch gibt es vielleicht Menschen, die denken, Seidenraupen würden keinen Schmerz empfinden.
Es stimmt zwar, dass Seidenraupen ein anderes Nervensystem besitzen, als Menschen, Schweine oder Affen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Schmerzen fühlen können.
Darüber, ob wirbellose Tiere wie Motten dazu in der Lage sind, Dinge wie wir zu empfinden, kann man diskutieren. Allerdings kann auch niemand sicher sagen, dass es nicht so ist. Zahlreiche Wissenschaftler*innen sind sich heute darüber einig, dass es möglich ist, dass Insekten die Fähigkeit besitzen, zumindest etwas Ähnliches wie Schmerz bei Säugetieren zu fühlen.
Studien zum Schmerzempfinden von Seidenraupen scheint es noch keine zu geben. Allerdings geht aus einer in der Zeitschrift Science Advances veröffentlichten Studie hervor, dass zum Beispiel Fruchtfliegen chronische und lang anhaltende Schmerzen empfinden können.
Ist Seide nachhaltig?
Immer häufiger findet man heute auch im Fair Fashion Bereich Kleidung mit den Labels "aus kontrolliert biologischer Seide", "aus kontrolliert biologischem Anbau" oder "aus nachhaltiger Seide". Das ist meistens höchstens ein Hinweis darauf, dass die Maulbeerbäume, von deren Blättern sich die Seidenraupen ernähren, biologisch angebaut werden. Den weiteren Verarbeitungsprozess, wie zum Beispiel den Färbungsvorgang, sollte man sich, wie bei allen anderen Textilien auch, genau anschauen.
Entgegen der Behauptung einiger Beführworter⋆innen einer neuen und angeblich "aus Tiersicht vertretbaren" Seidengewinnungs-Variante, bei der die Motten kurz vor dem Schlupf aus ihren Kokons geschnitten werden, gibt es keine Tierleid-freie Seide. Auch bei diesem Vorgehen werden Tiere verletzt und getötet. Außerdem handelt es sich auch hier natürlich (ich wiederhole mich) um ein tierisches Produkt. Das wäre auch dann der Fall, würde man die Puppen der Falter nach dem Ausschlüpfen vom Boden aufsammeln und verarbeiten. Die Tiere müssten auch hierfür gezüchtet werden, was einen menschlichen Eingriff in die Natur bedeutet. Die Seidenstränge hingegen sind nach dem natürlichen Schlüpfen oder Aufschneiden der Puppen außerdem wesentlich kürzer. Dadurch sinkt die Qualität und die Seide verkauft sich schlechter.
Hinter der "Leid-freien" Gewinnungsmethode steckt in erster Linie auch nicht etwa der Gedanke, den Tieren kein Leid zuzufügen, sondern genügend Nachkommen für die weitere Produktion zu erhalten, Zeit für die Nachzucht zu sparen und permanent Seide liefern zu können.
Alle Tiere verdienen es, ihr Leben zu leben
Ich fasse also nochmal zusammen. Fakt ist: Seide ist eine tierische Faser. Die Seidenspinner werden bei der klassischen Seidenproduktion noch vor ihrer Entpuppung und der vollständigen Entwicklung zum Falter getötet. Die Seidenindustrie sorgt dafür, dass lediglich ein paar wenige Tiere überleben. Diese sind dann für die Nachzucht verantwortlich. Der Nachwuchs erlebt ebenfalls das hier beschriebene Schicksal.
Abgesehen von den Schmerzen, welche die Seidenraupen vermutlich erleiden, bleibt natürlich immer noch die Tatsache, dass sie für die Seidengewinnung gezüchtet und von ihrem schützenden Kokon getrennt, sprich, (in den meisten Fällen) getötet werden. Im Hinblick auf die Tierethik ist und bleibt das fragwürdig. Auch, wenn die Tiere möglicherweise keine Schmerzen haben (was noch nicht bewiesen wurde), sind sie immer noch Lebewesen, die es verdienen, ihr Leben vom Anfang bis zum Ende zu erleben. Für mich steht auf jeden Fall fest, dass ich auch weiterhin gut ohne Seide leben kann.
Quellen: Surge Activism, Science Advances, Wikipedia