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    Align in Time

    "Meine Musik ist biografisch"

    Interview von Anne
    10.05.2021 — Lesezeit: 4 min
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    Align in Time

    Align in Time ist ein One-Person Post-Rock-Projekt aus Providence, Rhode Island. Gründer ist der Multiinstrumentalist John Boles. Am 7. Mai veröffentlichte einige seiner Songs als Akustikversionen auf der EP "Men Without Chests & I Go Too" neu. Zeit, ihm ein paar Fragen zu stellen.

    Anne: Hi John! Erstmal vielen Dank, dass Du Dich bei mir gemeldet hast und mir Deine Musik vorgestellt hast. Deine letzte Platte "On A Spiral" ist wirklich großartig. Wie geht es Dir zurzeit?

    John: Danke Dir! Mir geht es gut. Bei dem warmen Wetter hier in Providence draußen sein zu können, fühlt sich fantastisch an.

    Anne: Was hat Dich inspiriert, als Du "On A Spiral" aufgenommen hast?

    John: Meine Alben sind beide biografisch – wenn auch nicht wörtlich. Ich glaube, viele Menschen haben Momente, die herausstechen, wenn sie auf ihr Leben zurückdenken. Diese Momente als Teil einer Geschichte zu interpretieren, hilft ihnen dabei, Dinge zu verarbeiten und einen Sinn darin zu sehen, was einen zu dem Menschen gemacht hat, der man heute ist.

    Anne: Es ist Deine erste Platte seit Deinem Debütalbum "Me & My Arrow" im Jahr 2011. Was hat sich seither verändert?

    "Ich verliere meinen Optimismus"

    Align in Time – "Men Without Chests & I Go Too" (Acoustic)
    Align in Time – "Men Without Chests & I Go Too" (Acoustic)John: Ganz schön viel! Ich habe geheiratet, bin einmal quer durchs Land und wieder zurück gezogen und mein erstes Kind ist zur Welt gekommen. Die Welt befindet sich in einer prekäreren Lage als jemals zuvor und je älter ich werde, desto mehr verliere ich meinen Optimismus, wo uns das noch alles hinführen wird. Auch aus musikalischer Sicht hat sich so viel verändert. Als ich "Me & My Arrow" veröffentlicht habe, steckte das Streaming ja quasi noch in den Kinderschuhen!

    Anne: Ist Align in Time ein One-Person-Projekt? Oder arbeitest Du mit anderen Musiker*innen zusammen? Gibt es welche, die Du gerne erwähnen würdest?

    "Ich habe mit Bryan Russel und Mike Kalajian zusammengearbeitet"

    John: Ich schreibe die Musik komplett alleine. Aber ohne die Menschen, die mir dabei helfen, sie aufzunehmen, würde ich nicht weit kommen. Bryan Russel (Volbeat, Twin Forks, Envy on the Coast) hat meine Alben produziert und Mike Kalajian (Circa Survive, A Day to Remember, Saves the Day) hat sie gemastert. Tyler Mahurin hat die Drum Parts für "On a Spiral" eingespielt und Jesse Hangen für "Me & My Arrow". An meiner neuen Akustik-EP waren auch einige Leute beteiligt. Mein Cousin Russel Gutterson hat die Mandoline aufgenommen, Danyal Ince hat die Drums gespielt und Michael Grant Klarinette.

    Anne: Du kommst aus Providence, RI. Wie würdest Du die Musik-Szene dort beschreiben?

    John: Ehrlich gesagt bin ich mir da bis jetzt noch nicht so sicher. Ich bin vor einem Jahr hergezogen also hatte ich noch nicht wirklich die Gelegenheit, Shows zu spielen und Leute zu treffen, weißt Du? Das ist eins von vielen Dingen, auf die ich mich dieses Jahr freue.

    Anne: Hast Du irgendwelche Vorbilder oder Idole im Musikbereich? Ich habe gelesen, Du stehst wie ich ziemlich auf Caspian?

    "Caspian und die Goo Goo Dolls haben mich geprägt"

    John: Ja, das tue ich! Sie waren eine der ersten Post-Rock-Bands, die ich für mich entdeckt habe. Johnny Rzeznik von den Goo Goo Dolls war einer meiner ersten und wichtigsten Einflüsse. Besonders sein Stil der Akkord-Stimmung und diese epische Art, etwas sehr Intimes auszudrücken haben mich immer sehr beeindruckt. Ich denke, man kann diesen Einfluss immer noch aus meiner Musik heraushören, vor allem in den neuen Akustik-Versionen. Ich höre mir unglaublich viel Filmmusik an. Das hat meine Herangehensweise an das musikalische Storytelling nachhaltig geprägt, denke ich.

    Vor Kurzem habe ich mich in The 1975, These New Puritans und MUNA verguckt. Ich liebe die Art und Weise, wie sie aus verschiedenen Genres schöpfen und so akribisch mit ihrer Musikproduktion sind.

    Anne: Was ist das Besondere an Post-Rock. Was macht dieses Genre so faszinierend?

    John: Ich denke, dass der aufregendste Post-Rock an der Peripherie der Szene angesiedelt ist. Es ist eine Art Dekonstruktion anderer Genres in eine Form des instrumentalen Story Tellings. Sie passt nicht in die traditionelle Definition oder den Sound von Post-Rock. Künstler*innen wie These New Puritans oder Plini ordnet man nicht in "Post-Rock" ein, ich denke aber, dass sie im selben Bereich spielen – sie setzen die Komponenten des Rock zu etwas Neuem zusammen. Darin liegt, finde ich, der Ursprung des Genres. Es reizt mich auch, Bands zu hören, die das Beste am Post-Rock nehmen und es neu kontextualisieren, "Better" von Caracaras oder "I Lost You" von The Wildlifes.

    Anne: Du kombinierst mit Deiner Musik Post-Rock und Storytelling. Denkst Du Dir gerne Geschichten aus?

    "Die Geschichte der Welt sollten wir alle gemeinsam schreiben"

    John: Absolut. Es ist das, war mir am besten an dem gefällt, was ich tue. Ich fing nicht damit an, auf diese Weise Musik zu schreiben, weil ich ein bestimmtes Genre im Sinn hatte. Ich fand es einfach befreiend, auf Gesang zu verzichten und in der Lage zu sein, alle Sounds und Stile mit einzubringen, die ich brauche, um die Geschichte zu erzählen, die ich erzählen will.

    Anne: Wenn Du die Geschichte der Welt und alle Lebewesen, die sie bewohnen schreiben würdest. Wie würde sie anfangen und wo würde sie enden?

    John: Wow, das ist eine schwierige Frage. Ich habe weder die Fähigkeit noch die Hybris, anzunehmen, dass ich diese Geschichte schreiben könnte. Wünschen würde ich mir, dass es eine Geschichte ist, die in Zusammenarbeit mit anderen entsteht – mit allen Lebewesen, die in ihr vorkommen. Ich würde mit der kollabierenden Welt, die wir heute beleben, anfangen und uns zu einem Ende hinführen, das für alle gerecht, komfortabel und erfüllend ist, solange wir hier sind.

    "Ich arbeite daran, bald wieder was Neues zu veröffentlichen"

    Anne: Was steht als Nächstes an für Align in Time? Arbeitest Du an neuen Songs?

    John: Neben meiner Arbeit an der Akustik EP, habe ich auch angefangen an neuen Song-Ideen zu feilen. Es gibt bis jetzt zwei oder drei, die mich wirklich fesseln. Mein Ziel ist, dass es dieses mal nicht wieder acht Jahre dauert, bis ich etwas rausbringe. Ich versuche mich daran zu erinnern!

    Als Einstieg in sein letztes Album "On A Spiral" empfiehlt John seinen Hörer*innen die Songs "I Go Too" und "Finish It".

    Ihr solltet aber unbedingt auch mal in sein erstes Werk namens "Me & My Arrow" reinhören. John legt Euch von dieser Platte die Songs "Run Home" und "The Many Faces" besonders ans Herz.

    Die Akustikversionen der Align in Time Songs "A Men Without Chests" und "I Go Too" klingen ganz anders, als auf "Me & My Arrow" und "On A Spiral" – auf eine ganz faszinierende Weise. Hört Euch am besten von beiden Songs mal beide Versionen an. Ich wünsche Euch viel Freude bei diesem Hochgenuss – der mich in der Zeit zurückversetzt und wirklich an den Sound der Goo Goo Dolls erinnert.

    Align in Time – "Men Without Chests" (Acoustic Version)

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