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    Lotus

    Post-Rock aus Indien

    Interview von Anne
    14.10.2020 — Lesezeit: 5 min
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    Lotus

    Das erklärte Ziel der Post-Rock-Band Lotus aus dem indischen Pune ist es, die Grenzen Genre-basierter Musik aufzulösen. Die Musiker möchten ihre Zuhörer in ein rauschendes Wellenmeer aus rhythmischen Grooves und atmosphärischen Gitarren eintauchen lassen. Ihrem einzigartigen Sound kann man Einflüsse aus Progressive Rock, Fusion und elektronischem Ambient anhören.

    Die Band besteht aus Siddharth Amarnath (Gitarren) und Robert Alex (Bass/Gitarre), der bereits mit seinem Post-Rock-Projekt asweekeepsearching für Aufsehen sorgt. Vor Kurzem ist Sänger Collin hinzugekommen. Siddharth und Robert waren bereits seit einem Jahrzehnt eng miteinander befreundet, als sie beschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Im Moment arbeiten sie an einem neuen Album.

    Die EP "Emergence" ist ihre erste offizielle Veröffentlichung. Ich habe mich mit Siddharth und Robert über die Platte, den kreativen Prozess bei Lotus und ihre Erfahrungen unterhalten.

    Anne: Hallo! Wie geht es Euch heute? Du hattest mir erzählt, dass Ihr während der Corona-Krise in Indien harte Zeiten durchlebt habt. Zeichnet sich eine Besserung ab?

    "Während des Lockdowns haben wir an neuen Songs gearbeitet"

    Lotus

    Siddharth: Uns geht es gut! Im Moment ist in Sachen Corona leider noch kein Ende in Sicht. Die Fallzahlen steigen täglich weiter. Angesichts dessen ist es sehr gut zu sehen, dass sich die meisten Menschen in unserer Umgebung an die Vorschriften halten und Vorkehrungen treffen. Hier geht man nur aus dem Haus, wenn es wirklich dringend notwendig ist. Social Distancing wird sehr ernst genommen.

    Anne: Bei Euch gab es einen kompletten Lockdown. Wie lange hat es gedauert? Wie habt Ihr Eure Zeit verbracht?

    Robert: Der Lockdown wurde zum 24. März ausgerufen und ging bis zum 31. August. Es war harte fünf Monate. Viele Menschen haben ihren Job verloren oder ihr Gehalt wurde gekürzt. Die Unterhaltungsindustrie ist komplett zu Erliegen gekommen. Alle im Bereich darstellende Künste sind betroffen. Das Positive für uns war, dass wir Zeit hatten, uns auf neue Ideen und neue Musik zu konzentrieren. Wir konnten unsere Zeit zum Glück auf produktive Art und Weise nutzen.

    Anne: Seid Ihr im Studio, jetzt, da Ihr Euch wieder treffen könnt?

    "Im Moment mischen wir unser erstes Album ab"

    Siddharth: Im Moment konzentrieren wir uns auf die Veröffentlichung unseres ersten Albums. Wir sind mit dem Aufnahmeprozess fertig. Im Moment beschäftigen wir uns mit dem Mixing. Wir planen, das Album Anfang nächsten Jahres zu veröffentlichen. Es ist für uns im Moment sehr spannend.

    Anne: Eure Musik ist sehr vielseitig. Melodisch und ein lebhafter Mix aus düsteren, harten und verspielten, leichten Parts. Spiegelt das Eure Gefühle und Euren Geist wider?

    Robert: Wir glauben, dass die Stimmungen und Emotionen, die wir mit unseren Liedern verdichten und einfangen, die menschliche Stimmung und den menschlichen Geist widerspiegeln. Wir lassen die Art und Weise, auf die wir sie wahrnehmen, in unsere Musik einfließen. Es sind unser Verständnis, unsere Reaktionen auf Situationen und unser Ausdruck im Umgang mit dem Spektrum an Emotionen und Situationen, denen wir begegnen.

    Anne: Welche Stimmung stimuliert Eure Kreativität mehr: Traurigkeit oder Freude?

    Siddharth: Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus beidem.

    "Wir arbeiten zu Hause an unseren Songs und fügen später alles zusammen"

    Anne: Erzählt mir ein bisschen über Euren Songwriting-Prozess. Wie fangt Ihr an? Baut Ihr alles nach einem festen Plan auf oder macht Ihr lieber eine Jamsession, um auf Ideen zu kommen?

    Robert: Jeder von uns hat ein einfaches Aufnahme-Setup zu Hause. Die Basis für die Songs entsteht also dort. Der Austausch erfolgt dann über das Internet. Wir komponieren jeden Song auf diese Weise. Dann treffen wir uns zum Proben und schauen, wie wir noch mehr rausholen können, bevor wir mit dem Stück ins Studio gehen. Ich muss sagen, dass ein Großteil der Ideen, Sounds und Layers entsteht, wenn wir zusammen bei der Aufnahme sitzen.

    Anne: Ich liebe ja Blumen. Daher hat mich Euer Bandname von Anfang an fasziniert. Der Lotus ist in vielen Kulturen ein Symbol der Erleuchtung, Reinheit und Regeneration. Die Pflanzen tragen wunderschöne Blüten. Sogar im düstersten und schlammigsten Wasser. Ich habe schon über dieser Vorstellung meditiert. Warum habt Ihr Euch dazu entschlossen, Euch "Lotus" zu nennen. Gibt es eine Geschichte dazu?

    "Unser Name 'Lotus' passt perfekt zu uns

    Robert: Als Sid und ich uns das erste Mal getroffen haben, um darüber zu sprechen, welche Art Musik wir machen wollten und in welchem Kontext sie stehen könnte, war uns klar, dass wir Wachstum und Reinheit zum Ausdruck bringen wollten. Eine klangliche Verkörperung der Reife und des Bewusstseins, das wir über die Jahre erlangt hatten. Der Name Lotus schwingt einfach in all dem mit.

    Anne: Ihr habt gerade Eure erste EP "Emergence" veröffentlicht. Erzählt mir mehr davon.

    Siddharth: Ursprünglich hatten wir vor, ein komplettes Album zu veröffentlichen. Dann haben wir Collin getroffen, der seit Kurzem als Sänger dabei ist. Wir hatten nie vor, Musik mit Gesang zu machen. Wir haben Collin bei einem Freund getroffen und ihm ein paar Aufnahmen vorgespielt, ohne zu wissen, dass er singt. Er hat uns darum gebeten, ihm die Songs zu schicken. Er hat ein paar Demo-Aufnahmen damit gemacht und hat sie uns zurückgeschickt – wir waren komplett geplättet und haben uns gleich danach entschieden, vier instrumentale Songs aufzunehmen und unser Album dann mit Collin zu machen.

    Anne: Mich fasziniert Eure Art, verschiedene Gitarren-Parts miteinander zu verbinden. Das gibt Euren Songs sehr viel Ausdruckskraft – Ich kann nicht aufhören, sie zu hören. Besonders der Songs "Wither" sorgt bei mir für Gänsehaut. Das hört sich nicht so an, als wären das nur zwei Leute, die da spielen. Wollt Ihr mir Euer Geheimnis verraten?

    "Wir lieben es, Layer über Layer zu legen"

    Lotus

    Robert: Die Ehre gebührt Bands wie Cloudkicker, Tycho, Tides of Man und vielen anderen, die uns über die Jahre beeinflusst haben. Die Idee, einfache, aber subtile Layer miteinander zu kombinieren, um einem existierenden Part eine neue und andere Dynamik zu geben, faszinierte uns schon immer. Wir übertreiben es beim Songwriting gerne ein bisschen mit den Layern – nach und nach fahren wir es dann auf ein für den jeweiligen Songs gesundes Maß herunter.

    Anne: Robert, Du spielst ja noch Bass bei aswekeepsearching. Gibt es noch weitere Projekte von Euch, die Ihr erwähnen möchtet?

    Robert: Jeder von uns hatte in der Vergangenheit verschiedene Projekte. Neben asweekeepsearching und Lotus bin ich noch an einer modernen Metal Band namens Noiseware beteiligt. Collin macht unter seinem eigenen Namen Musik.

    Anne: Plant Ihr Auftritte in Europa?

    "Wir wollen unsere Musik mit der Welt teilen"

    Siddharth: Wir hoffen wirklich sehr darauf. Es ist unser Traum, unsere Musik die Welt zu bereisen und unsere Musik mit allen zu teilen, denen wir begegnen. Wenn sich die Lage beruhigt können wir hoffentlich anfangen zu planen und ihn wahr werden lassen!

    Anne: Könnt Ihr Euch vorstellen, mit anderen Musiker*innen zusammenzuarbeiten?

    Siddharth: Absolut. Wir glauben, dass jede*r Musiker*in seinen ganz persönlichen Stil mitbringt. Wir hoffen auf zahlreiche Kollaborationen in den kommenden Jahren.

    "Man wird noch viel von uns hören"

    Anne: Wie ist die Musikszene in Indien? Genießt Ihr sie? Wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt?

    Robert: Die Musikszene hier ist sehr groß. Allerdings nur, was die Bereiche Pop, Bollywood und Kommerziell betrifft. Wir konnten in den letzten zehn Jahren ein Wachstum der Independent Musik Szene beobachten, aber es geht langsam voran. Es gibt noch viel Raum, sich zu entfalten.

    Anne: Wie sehen Eure Pläne für die Zukunft aus?

    Siddharth: Wir wollen Anfang nächsten Jahres unser erstes Album herausbringen und arbeiten außerdem an einigen Ideen für spätere Veröffentlichungen. Wir sprechen, dass man noch viel von uns hören wird!

    "Wither" von Lotus

    Lotus bei Bandcamp

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