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    Mosaik

    Prosa am Nachmittag

    Beitrag von Anne
    19.12.2012 — Lesezeit: 2 min
    Mosaik

    Eine Minute zum Nachdenken. Einfach mal hinsetzen, in Gedanken blättern, in Ruhe ein paar Seiten rausreißen und sie später wieder einkleben. Vielleicht sollte man nur die Reihenfolge etwas ändern. Wobei. Eigentlich kann man alles lassen, wie es ist. Dem Sinn begegnet man früher oder später. Man darf ihn nur nicht suchen. Dann versteckt er sich und streckt einem frech die Zunge raus, wenn man um die Ecke geht.

    Ständig geschehen Dinge. Manche bemerkt man, andere ziehen an einem vorbei. Rückt man sie in den Fokus, ergeben sie bisweilen keinen Sinn.

    Im Spielzeugladen des Lebens gibt es viel zu entdecken. Spieluhren, Bausätze, Puzzles, Malbücher. Manchmal findet man ein Plüschtier auf dem Boden, hebt es auf und setzt es zurück ins Regel. Lauscht man einer Spieluhr längere Zeit, kann schon mal das Bedürfnis, das Spielwerk durch ein anderes zu ersetzen in einem aufkeimen. Bausätze sind was für geduldige Menschen, die keine Angst vor Kleinarbeit haben, denken wir. Ähnliches gilt für Puzzles. Jeder puzzelt. Täglich. Das Leben ist ein Puzzle. Ein Flickenteppich, der sich aus verschiedensten, winzigen Fragmenten zusammensetzt. Begegnungen, Erlebnisse, Eindrücke. Jedes Bruchstück hat seine ganz eigene Form. Zusammengesetzt ergeben sie ein menschliches Individuum. Mit allen Eigenheiten, Kanten, Ecken. Alles andere ist nur Beiwerk. Floskeln, die man sich angewöhnt hat, der Dialekt, in den man hineingeboren ist oder für den man sich entschieden hat. Äußerlichkeiten, wie eine schöne Nase, glattes Haar, eine Vorliebe für Orangenmarmelade oder eine ausgewachsene Koffeinsucht.

    Manchmal hört man, Erlebtes würde einen formen. Abschleifen. In Form pressen. Doch klingt das nicht seltsam? Als würde man als ‚fertiger Mensch‘ auf die Welt kommen und dann nach und nach wie ein Rohdiamant beim Juwelier geschliffen, würde Schicht um Schicht ablegen um dann irgendwann von der Gesellschaft fertig bearbeitet als fertiger Brillant zum Begaffen im Ladenregal landen. Mir gefällt der Gedanke, dass die Zeit nicht Schichten ab-, sondern neue auflegt. Wie Make-up fast. Oder ein schönes Kleid. Eine wundervolle Frisur, die der Person, die sie trägt ganz besonders gut steht und die Schönheit im Inneren perfekt zu Geltung bringt.

    Genau das ist es, was einen Menschen ausmacht. Die Schichten, die er sich im Laufe seines Lebens zugelegt hat. Die Menschen, denen er begegnet ist, Gespräche, die er geführt hat, Streits, Trennungen, Konzerte, die er besucht hat, Bücher, die er gelesen hat, die schönen und die schlimmen Erlebnisse, die er hatte, Freunde, die ihn beeindruckt haben, Städte, in denen er gewohnt hat, Länder, die er bereist hat. Die Liste ist unendlich und kann je nach persönlichen Erlebnissen verlängert oder verkürzt werden.

    Selbstverständlich ist einem das ein oder andere auch angeboren. Talente. Augenfarbe. Temperament. Das sind Dinge, die später auch noch eine große Rolle spielen werden. Sie leiten einen, führen zu Begegnungen, fließen mit ein. Sie sind der Grundstock an Fliesen, die zusammen mit dem Erlebten früher oder später das fertige Mosaik ergeben. Ein buntes Ornament, das immer in Bewegung bleibt. Sich ständig formt und das ergibt, was Du bist.

    Nicht ebenmäßig geschliffen, gleißend im Licht, sondern mit Kanten und Kurven versehen, humorvoll, offen, ruhig und lustig, verständnisvoll und kreativ. Schillernd in allen Farben Deines Mosaiks. Wunderschön.

    Song des Tages: Thrice - "Anthology" live and unplugged @Guitar Center

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