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    Roué im Interview zur EP "Eastwest / Remote"

    "Wir jonglieren gerade mit dem Release der EP und einer Albumproduktion"

    Interview von Anne
    22.05.2024 — Lesezeit: 6 min
    Roué im Interview zur EP "Eastwest / Remote"

    Roué veröffentlichten am 28. Juni mit ihrer EP "Eastwest / Remote" eine musikalische Reise durch Isolation und Kreativität. Nachdem ich die Platte zum ersten Mal gehört hatte, war ich sofort angesteckt von der inspirierenden Spannung, die der Mix aus Indie, Electronic, Post-Punk und Dark Jazz ausstrahlt. Weil ich unbedingt mehr über das Projekt und Steffens und Schahryar (Shary) Kananians und Steffen Andraes Beziehung zur Musik erfahren wollte, lud ich die beiden Künstler kurzerhand zum Interview ein.

    Meine Empfehlung für die EP habt Ihr hiermit. Bestellt sie Euch am besten direkt auf Bandcamp1 vor und hört dort auch schon in die Musik der beiden Musiker aus Leipzig und Frankfurt am Main rein. Doch jetzt erst mal viel Spaß beim Lesen!

    Anne: Hi Shary! Hi Steffen! Schön, Euch kennenzulernen. Wie geht es Euch? Gratulation zu Eurer Debüt-EP "Eastwest / Remote"!

    Schahryar: Gut geht’s! Danke für die Glückwünsche.

    Steffen: Moin Anne, danke, wir freuen uns!

    Anne: Seid Ihr zufrieden mit der Platte?

    Steffen: Manches würden wir im Nachhinein sicher anders machen. Das sind ja auch kreative Lernprozesse, gerade, wenn man sich als Band noch findet. Außerdem sind wir beide wirklich schlimme Perfektionisten und die sind ja bekanntlich selten zufrieden (grinst).

    Schahryar: Eine solche richtige Zufriedenheit kurz vor Release kenne ich ohnehin nicht, das kommt dann später. Aber ich würde schon sagen, dass ich mich auf die Veröffentlichung freue.

    Steffen: Ich mich auch!

    Anne: Wie lange hat es gedauert, bis sie fertig war? Von der ersten Idee bis zum fertigen Vinyl, das aus der Presse kam?

    Steffen: Es liegen ungefähr vier Jahre zwischen den ersten Skizzen und dem Release. Dazwischen gab es aber auch Phasen, in denen lange gar nichts geschehen ist und das ganze Projekt in der Luft hing.

    Anne: Ihr klingt wie ein sehr eingespieltes Team, wenn man Eurer Musik so zuhört! Habt Ihr früher schon Musik zusammen gemacht?

    Schahryar: Tatsächlich haben wir erst zusammengefunden, als Steffen aus Frankfurt am Main weggezogen ist. Wir kannten uns da aber schon und kamen relativ unverhofft zu einer kurzen Jamsession zusammen, wo relativ schnell klar wurde, dass wir daran anknüpfen wollen. Wir hatten sogar in kürzester Zeit einen ersten Song fertig, der hat’s allerdings nicht auf die Platte geschafft. Die Stücke auf der EP sind tatsächlich etwas später entstanden.

    Anne: Ihr seid aus FFM und Leipzig. Fließen auch diese beiden Städte musikalisch in Eure Musik ein? Habt Ihr die Songs remote geschrieben? OK, das sind zwei Fragen (lacht).

    Schahryar: Den Einfluss der Stadt auf meine Art Musik zu machen, kann ich wirklich nicht gut beurteilen. Ich war gefühlt schon immer in Frankfurt und bin deshalb vermutlich etwas betriebsblind.

    Steffen: Wenn Frankfurt vielsprachig klingt und Leipzig subkulturell, dann vermutlich schon. Aber das ist vielleicht ein wenig weit gegriffen. Und zu Deiner zweiten Frage: Wir haben für dieses Projekt bis auf ein einziges Mal keinen gemeinsamen Fuß in einen Proberaum gesetzt. Die Songs entstehen, indem wir mit Ideen und Ansätzen so lange Pingpong spielen, bis sich nach und nach eine klare Form herausstellt. Und dann ist es ganz viel Kommunikation.

    Anne: Die Gegensätze der beiden Städte sind ja heute noch heute spürbar. Inwiefern spiegelt sich das in Euren Songs wider?

    Schahryar: Es kann schon gut sein, dass es sich an unserer etwas gegensätzlichen Vorliebe für Synthesizer festmachen lässt. Ich neige eher dazu, auf synthetische Sounds zurückzugreifen, weil ich schon relativ lange primär Techno gehört habe. Steffen muss mich da manchmal etwas ausbremsen.

    Anne: Geht Ihr lieber in FFM aus oder in Leipzig? Oder würdet Ihr Euch, wenn es um Konzerte, Szene und Nachtleben geht, für eine ganz andere Stadt entscheiden?

    Schahryar: Die Musikszene in Frankfurt ist immer wieder ein wunder Punkt. Allgemein geht wenig abseits elektronischer Musik und selbst dahin gehend hat Frankfurt nicht wahnsinnig viel zu bieten. Das war ja mal anders. Die Stadt wirkt nach außen vielleicht groß, aber insgesamt gibt es kaum Raum für kleinere Konzerte.

    Steffen: Ich kann der bürgerlichen Seite der Kultur in Frankfurt durchaus etwas abgewinnen, aber was die Musik- und Alternativszene angeht, ist man in Leipzig vermutlich besser aufgehoben. Abgesehen davon würde ich mich vielleicht am ehesten für New York entscheiden, dort zieht es mich immer wieder hin.

    Anne: Ich höre eine ganze Menge Einflüsse aus diesen wunderbaren sechs Stücken heraus. Das ist einiges an elektronischen Elementen, die mich an eine wunderbare Zeit erinnern, die schon viel zu lange her ist, es gibt auch eine Prise Post-Punk hier und da und alles vermischt sich sehr locker und organisch. Das ist großartig! Wollt Ihr mir ein bisschen erzählen, wo Eure Haupteinflüsse liegen?

    Steffen: Schön, dass Du unserem Eklektizismus etwas abgewinnen kannst. Ich habe mich eigentlich schon immer in vielen verschiedenen Genres zu Hause gefühlt: Alles, was "Post" im Namen hat, Punk, Indie, Trip Hop, Electronic, Jazz. In letzter Zeit höre ich irgendwie immer mehr Rap und immer weniger Gitarrenmusik.

    Schahryar: Geht mir ähnlich. Bei mir vielleicht zuletzt mehr Klassik, aber auch mehr Gitarrenmusik. The Damned war meine letzte große Entdeckung.

    Anne: Ich mag ja "Transcender" besonders gerne. Der Gesang berührt mich sehr und auch rhythmisch ist das Stück toll. Welchen Song liebt Ihr am meisten?

    Steffen: Ich glaube, mein Favorit ist "ARP II". Ich mag das Layering und die Stimmung, außerdem hat der Song ganz viel Energie, finde ich.

    Schahryar: Es ist wie mit den eigenen Kindern, man liebt sie doch alle irgendwie gleich viel.

    Steffen: Haha, Du hast ja überhaupt keine Kinder.

    Schahryar: Außer "Coda" vielleicht ein wenig mehr. Der Song kriegt mich noch mal etwas anders.

    Anne: Ihr habt die EP als "eine musikalische Reise durch Isolation und Kreativität" beschrieben. Was hat es damit auf sich?

    Steffen: Man muss dazu sagen, dass die Stücke der EP allesamt während der COVID19-Pandemie entstanden sind, größtenteils während der Lockdowns.

    Schahryar: In Pressetexten wird immer etwas dick aufgetragen, deshalb würde ich das jetzt vielleicht etwas weniger krass formulieren. Aber klar, ich war schon glücklich, dass ich mit der Musik etwas hatte, das mir nicht unmittelbar durch die Ausgangsbeschränkungen genommen wurde. Und das hat dieser Enge in meinem Zimmer schon etwas entgegengewirkt. Wenn ich Musik geschrieben und sie ein paar Tage später noch mal gehört habe, wenn sie dann aus Leipzig wieder zurückkam, nachdem Steffen daran gearbeitet hat, und vieles vertraut und gleichzeitig anders, weiter, belebter klingt. Das war sehr schön!

    Anne: Textlich geht es in Euren Stücken um Vorstellungen und Wünsche und sie handeln auch von Abgeschiedenheit und Isolation. Das sorgt für diesen Hauch Düsternis, der für einen spannenden Kontrast sorgt, zu der fröhlichen und verspielten Seite Eurer Musik. Habt Ihr damit unsere heutige Zeit vertont und wie sie Euch berührt?

    Schahryar: Ich war nie gut darin, über Texte zu reden. Vielleicht auch, weil selten die Texte den Grundstein für die Songs legen, sondern die Musik. Insofern dienen die Texte meistens eher der Verstärkung dessen, was die Musik bei mir auslöst. Ein gutes Beispiel dafür ist "Transcender". Ob die Musik wiederum die heutige Zeit vertont, müssen andere beurteilen.

    Anne: Das Grafikdesign, das Fabian Bremer (Velcros, AUA) für Eure EP erstellt hat, basiert auf einem Gemälde der New Yorker Künstlerin A.T. Gregor. Auch sie hat sich von Isolation, Arbeit, Enge und Sehnsucht inspirieren lassen. Ich kann es mir sehr beflügelnd vorstellen, mit "Eastwest / Remote" auf den Ohren Kunst zu erschaffen. War das so oder entstand das Artwork parallel zur Musik?

    Steffen: Anna ist eine gute Freundin und eine wahnsinnig talentierte Künstlerin. Das Gemälde "Pressed Upon a Pane" ist von 2019, existierte also schon vor unseren Songs. Es wäre aber sehr interessant, einmal zu sehen, was dabei herauskäme, wenn sie zu unserer Musik malen würde oder wenn Fabi und sie mit Ideen so Pingpong spielten wie Shary und ich.

    Anne: "Roué" – ist das eine andere Schreibweise für "Ruhe" (lacht)?

    Steffen: Haha, dieser Name wird uns noch rouénieren (lacht). Nein, Roué ist eigentlich ein veralteter französischer Begriff für einen unmoralischen, durchtriebenen Menschen, der es verdient, gerädert zu werden. Eignet sich aber auch hervorragend für alle möglichen Wortspiele.

    Anne: "Eastwest / Remote" erscheint am 28. Juni. Wie sehen Eure Pläne bis dahin aus und wie geht es danach weiter? Schraubt Ihr vielleicht schon an neuen Songs? Wird es eine Tour geben?

    Steffen: Wir jonglieren gerade ein wenig mit dem Release der EP und der Produktion eines Albums. Es sind tatsächlich jede Menge neuer Songs in der Mache, die hoffentlich schon im Herbst in den Mix gehen können. Da wir dieses Mal mit einer Reihe von Gastmusikern arbeiten (an Geige, Cello, Trompete und Posaune), gestaltet sich die Produktion viel komplexer als bei der EP. Das heißt, es stehen erst mal etliche Studioaufnahmen an. Ich hoffe aber, dass wir dann im Laufe des nächsten Jahres endlich einmal live spielen werden; darauf freue ich mich schon.

    Schahryar: Ja, Steffen bringt zum Glück das Projekt und auch die nächsten Schritte gut voran. Ich freue mich auch schon sehr auf die neuen Songs und den ersten Auftritt.

    Anne: Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt! Ich wünsche Euch viel Erfolg mit der EP und Euren Plänen!

    Schahryar: Sehr gerne, Anne. Und vielen Dank auch für Deine Zeit!

    Steffen: Und die tollen Fragen! Das hat Spaß gemacht, danke.

    Roué – "Transcender"

    1. Roué, Bandcamp

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